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Brüssel spendet Verlags-Riesen Segen

Künftig sollen Random-House-Chef Markus Dohle (Foto: re.) und Penguin-CEO John Makinson (li.) gemeinsam die Verlagsgruppe steuern.

Wie reagiert Brüssel auf den angemeldeten Schulterschluss der Buchverlags-Giganten Penguin und Random House? Die entscheidende Frage, die kürzlich noch bei der Bertelsmann-Bilanzpressekonferenz die Gespräche geprägt hat, ist jetzt beantwortet worden: Die EU-Kommission gibt auch grünes Licht. Damit dürfte der letzte große Unsicherheitsfaktor bei der geplanten Allianz überwunden worden sein. 

Nach den Kartellbehörden in den USA, Australien und Neuseeland hat somit auch Brüssel die geplante Allianz der Buchverlage von Bertelsmann und Pearson ohne Auflagen genehmigt. Das Vorhaben gebe keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken, „insbesondere da das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen weiterhin mit mehreren starken Wettbewerbern konkurrieren wird.“

Die Behörde begründet die Entscheidung außerdem wiefolgt:

„Die Kommission prüfte die Auswirkungen des Vorhabens auf die vorgelagerten Märkte für den Erwerb von Urheberrechten für englischsprachige Bücher im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und weltweit sowie auf die nachgelagerten Märkte für den Verkauf englischsprachiger Bücher an Händler im EWR, insbesondere im Vereinigten Königreich und in Irland. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass sich das neue Unternehmen Penguin Random House auf beiden Arten von Märkten weiterhin gegen mehrere große und zahlreiche kleine und mittlere Verlage behaupten muss. Der Einzelhandel mit englischsprachigen Büchern ist ein konzentrierter Markt, da gedruckte Bücher vor allem über Supermärkte und E-Books vor allem über große Online-Händler wie Amazon vertrieben werden. Darüber hinaus lieferte die Untersuchung der Kommission keine Beweise dafür, dass das Vorhaben im Hinblick auf den Erwerb von Urheberrechten und den Verkauf englischsprachiger Bücher an Händler das Risiko einer Koordinierung zwischen Verlegern birgt.

Ferner prüfte die Kommission die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Fremdvertrieb von Büchern, einen Bereich, in dem sowohl Random House als auch Penguin tätig sind. Auch die Auswirkungen auf den Markt für Buchproduktion wurden angesichts der vertikalen Beziehung zwischen den Tätigkeiten von Bertelsmann in der Buchproduktion (über seine Tochtergesellschaft Arvato und BePrinters) und den Tätigkeiten von Penguin Random House im Verkauf englischsprachiger Bücher an Buchhändler geprüft. Die Kommission stellte fest, dass die Marktanteile der beteiligten Unternehmen gering sind und auch künftig viele andere Anbieter in den Bereichen Buchproduktion und Fremdvertrieb von Büchern im EWR tätig sein werden.

Die Kommission kam daraufhin zu dem Schluss, dass das Vorhaben den wirksamen Wettbewerb im EWR nicht erheblich behindern würde.“

Jetzt stehen noch die Entscheidungen der Wettbewerbs-Kontrolleure in Kanada und China aus.

An der für die zweite Hälfte 2013 geplanten Fusion zu Penguin Random House (PRH) sollen Bertelsmann 53% und Pearson 47% halten.  
Die wichtigsten Infos zur Fusion im Überblick (aktualisierte Fassung eines Artikels im buchreport.express 44/2012):

Welche Teile umfasst der Verlagsriese?

Die deutsche Verlagsgruppe Random House mit Sitz in München bleibt beim Joint Venture außen vor und dockt direkt bei Bertelsmann an. Der von New York aus gesteuerte neue Konzernverlag umfasst so die Verlagseinheiten in den USA, Kanada, Großbritannien, Australien, Neuseeland, Indien, China, Südafrika sowie Spanien und Lateinamerika. 

Warum bleiben die Münchner Verlage außen vor?

Grundsätzlich spricht einiges für den deutschen Sonderweg:

  • Im Lizenzbereich gibt der deutsche Markt aus Sicht der englischen Buchmärkte relativ wenig her. Bei der Vergabe von Rechten deutscher Buchverlage ins Ausland wurden 2011 nur 4% in die USA und nach Großbritannien verkauft.
  • Der deutschsprachige Markt funktioniert durch die auch im E-Book-Markt geltende Buchpreisbindung nach eigenen Gesetzen.
  • Der Verzicht auf die Münchner Dependance, die immerhin mit 318 Mio Euro zuletzt 16% der Umsätze beisteuerte, ist möglicherweise auch eine kartellrechtliche Konzession.

Welcher Nachteil droht den deutschen Verlagen?

Zwar berichtet der deutsche Random House-Chef Frank Sambeth weiterhin an Markus Dohle in dessen Funktion als Bertelsmann-Buchvorstand, die Münchner Gruppe bleibt aber bei den erhofften Entwicklungsfortschritten der globalen Nummer Penguin Random House in der Rolle des Verwandten zweiten Grades. 

Konkret: Nachteile könnten sich dadurch ergeben, dass die deutsche Verlagsgruppe von den erwartbaren massiven Investitionen von PRH im technologischen Bereich abgekoppelt wird – zumindest falls das Bertelsmann-Prinzip der Dezentralität weiter gilt. Der chronisch wachstumsschwache Medienkonzern hatte seine Buchsparte lange Jahre an der kurzen Investitionsleine gehalten, erst 2012 wurde wieder mehr investiert. Markus 

Dohle beschwichtigte allerdings gegenüber buchreport: Die Verlagsgruppe werde auch künftig „mit allen benötigten Ressourcen“ ausgestattet, um die eigene Marktposition in Deutschland zu stärken und weiter auszubauen.

Was bedeutet die Fusion für die Marktmacht?

Ein Vorteil der neuen Partnerschaft ist die neue Größenordnung, die Bertelsmann-Chef Thomas Rabe von einem „literarischen Powerhouse“ schwärmen lässt:

  • Die neue Größe wird sich in erster Linie als Verhandlungsmacht gegenüber den Großbuchhändlern auswirken, vor allem den rigoros eigene Regeln setzenden Online-Versendern und Digital-Shops wie Amazon und Apple. Ob die zusätzlichen Umsatzkilos (zusammen ca. 2,7 Mrd Euro) oder Titelpfunde (15.000 Novitäten) auf der Waage allerdings den Unterschied machen, ist unklar, denn der neue Verlagsriese bleibt neben den breit aufgestellten Unternehmen Amazon (49 Mrd Dollar Umsatz) und Apple (108 Mrd Dollar) ein Zwerg. 
  • Fokussiert auf den Inhalte- und Publishing-Markt rückt PRH im Ranking der weltgrößten Buchkonzerne auf Platz 5 vor, hinter die Fachinformations-Giganten Pearson, Reed Elsevier, Thomson Reuters und Wolters Kluwer.
  • Der von Bertelsmann auf „25% plus“ taxierte gemeinsame Anteil am englischsprachigen Buchmarkt rechtfertigt Rabes „Powerhouse“-Bezeichnung.

Wie ergänzen sich die Partner international? 

Mit dem Etikett „erster globaler Publikumsverlag“ verweist Rabe auf die künftig deutlich breitere Abdeckung der internationalen Märkte. Von der profitiert besonders die Bertelsmann/Random House-Seite, die bislang ca. 90% ihres Umsatzes in den USA und Europa erwirtschaftet. Denn: Penguin ist bereits in Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien stark, die auf der Wachstumsagenda von Bertelsmann ganz oben stehen. Penguin hat dagegen bislang Lücken in Kontinentaleuropa, die RH besonders mit spanischen Büchern abdeckt.

Was bedeutet „digitale Transformation“? 

Penguin Random House werde „wichtigster Taktgeber bei E-Books“ formuliert der designierte CEO Markus Dohle als Ziel. Die Voraussetzungen:

  • Schon heute sind Random House (E-Book-Anteil am Umsatz 2012: 20%) und Penguin (17,5%) auf dem digitalen Spielfeld weit vorgeprescht.
  • Im Schulterschluss soll das Ziel verfolgt werden, die Inhalte „für jeden, überall, in jedem Format und auf jeder Plattform“ anzubieten.
  • Im Selfpublishing, dem aktuell am schnellsten wachsenden Sektor im Digitalsegment, bringt Penguin Expertise und gewachsene Aktivitäten ein, mit dem 2011 gestarteten Selfpublishing-Portal Book Country und dem in diesem Jahr übernommenen Dienstleister Author Solution.
  • Während das imprintdurchsetzte „Random House“ für den Endkunden keine Marke darstellt, ist Penguin als Marke nicht nur in Großbritannien etabliert, wo 59% aller Briten den Londoner Verlag be­reits am Logo erkennen. Womöglich unternimmt die frisch geschmiedete Allianz im Zeichen des Pinguins den Versuch, an Amazon, Apple und Co. vorbei einen eigenen – weitaus margenstärkeren – E-Book-Shop aufzubauen und den direkten Weg zum Leser zu suchen. 

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