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Das sagt der Bibliotheksverband zur »Fair Lesen«-Kampagne

Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) hat jetzt Stellung zur Kampagne „Fair Lesen” genommen, die am Wochenende von Autoren, Verlagen und Buchhandel gestartet worden ist. Das „Fair Lesen” -Bündnis wendet sich gegen Forderungen einer gesetzlichen Regelung, dass Bibliotheken E-Books direkt nach Erscheinen in die Ausleihe geben dürfen: Eine solche „Zwangslizenzierung“ würde wichtige Erlösquellen gefährden.

Autoren, Verlage und Buchhandel warnen vor »wirtschaftlichem Desaster«

Mit dieser Kampagne würde man den öffentlichen Bibliotheken unterstellen, „dass diese mit dem Verleih von E-Books den E-Buch-Markt zerstören und dadurch Kreativität sowie freie Meinungsäußerung massiv beeinträchtigen würden”, heißt es dazu vom dbv. Für ihn beruht der Appell von Autoren und Verlagen auf „Falsch- und Fehlinformationen”.

Mit diesen Argumenten hält der dbv dagegen:

  • „Für jedes E-Book, das eine Bibliothek verleihen möchte, muss sie eine Lizenz erwerben. Zum Schutz des Buchmarktes gilt wie bei gedruckten Büchern: ‚eine Kopie, ein Ausleiher’.” Bei einer üblichen Ausleihfrist von 2 bis 3 Wochen könne ein E-Book so höchstens 18- bis 26-mal pro Jahr ausgeliehen werden. 
  • Bibliotheken würden außerdem für die Lizenzen deutlich mehr bezahlen als Privatkäufer, da in den Lizenzen das Recht zum Verleih mit bezahlt werden muss.
  • Bibliotheks-Lizenzen seien zeitlich befristet, um die Abnutzung von Büchern zu simulieren. 
  • Die Ausleihe von E-Books sei strikt begrenzt auf Bibliothekskunden mit einem Bibliotheksausweis, den diese nur in der Bibliothek ihrer eigenen Kommune erwerben können. 

Derzeit besitzen laut dbv 7,4 Mio Menschen in Deutschland einen Leseausweis für eine öffentliche Bibliothek. Laut der Deutschen Bibliotheksstatistik werden jährlich etwa 340 Mio Bücher und Medien aller Art ausgeliehen.

Der dbv fordert seit 2012, dass die Ausleihe von E-Books gesetzlich geregelt wird. „Der Bundesrat hat kürzlich dazu einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorgelegt, den die Autor*innen vehement ablehnen. Aber nur auf dieser gesetzlichen Grundlage lassen sich überhaupt die notwendigen ‚angemessenen Bedingungen‘ für den E-Book-Verleih zwischen Autor*innen, Verlagen und Bibliotheken verhandeln, denn das Bundeskartellamt hat kürzlich erneut bestätigt: Über Lizenzbedingungen für den digitalen Verleih dürfen keine Rahmenvereinbarungen zwischen dem Bibliotheksverband und dem Börsenverein ausgehandelt werden”, argumentiert der dbv. Das Gesetz solle sowohl Bibliotheken den Erwerb von E-Book-Lizenzen von Neuerscheinungen möglich machen, als auch Autorinnen und Autoren fair vergüten. 

Der Bundesrat, also die Kammer der Bundesländer, die die Bibliotheken finanzieren, hatte Ende März eine Lizenzierungspflicht von Titeln für die E-Leihe vorgeschlagen, war mit dem kurzfristigen Vorstoß im Rahmen der Urheberrechtsreform letztlich aber gescheitert. Der dbv, der weiter mit der Gegenseite sprechen will, um eine Lösung im Dauerstreit zu finden, sieht in der Bundesrat-Idee, Verlage dazu zu verpflichten, Bibliotheken ein Nutzungsrecht zu angemessenen Bedingungen einzuräumen, einen „diskussionswürdigen Ansatz”. 

Was der Bundesrat Verlagen bei der E-Leihe vorschreiben will

Andreas Degkwitz, Bundesvorsitzender des dbv: „‚Fair Lesen’ vermittelt den definitiv unzutreffenden Eindruck, dass die Öffentlichen Bibliotheken allein für Autorenvergütung und Marktentwicklung von E-Books verantwortlich sind. Jahr für Jahr verausgaben Öffentliche Bibliotheken über 110 Millionen Euro für den Kauf von E-Medien, um allen Bürger*innen ihrer Kommunen – unabhängig von deren finanziellen Möglichkeiten – Zugang zu E-Books zu bieten; dies betrifft selbstverständlich auch die aktuellen E-Books. Die Versorgung mit Informationen und Literatur gehört zum Auftrag der Öffentlichen Bibliotheken. Durch das Zurückhalten des Verkaufs aktueller EBook-Veröffentlichungen (Windowing) werden die Infrastrukturen zur Literaturversorgung der Bürger*innen regelrecht ausgetrocknet. Die Bereitstellung aktueller E-Books in Bibliotheken ist dann komplett abhängig von Marktentwicklungsprognosen der Autor*innen und Verlage. Die damit absehbar einhergehende Spaltung in informierte und nicht informierte Mitglieder unserer Gesellschaft kann niemand akzeptieren oder wollen.”

Kommentare

4 Kommentare zu "Das sagt der Bibliotheksverband zur »Fair Lesen«-Kampagne"

  1. Von den unterzeichnenden Autorinnen und Autoren habe ich mir zahlreiche Bücher und auch Ebooks gekauft. Dies werde ich nun unterlas
    sen. Die Onleihe wird grob falsch dargestellt.
    Die Ebooks sind außerdem schlicht zu teuer.
    Die Senkung auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz analog für Bücher wurde von den Verlagen nicht an die Kundschaft weitergegeben.

  2. Das o.g. Zitat von Herrn Degkwitz (Name falsch geschrieben) enthält einen winzigen, aber entscheidenden Fehler und ich bitte die br-Redaktion ihn zu verbessern:

    „Jahr für Jahr verausgaben Öffentliche Bibliotheken über 110 Millionen Euro für den Kauf von E-Medien, um allen Bürger*innen ihrer Kommunen – unabhängig von deren finanziellen Möglichkeiten – Zugang zu E-Books zu bieten; dies betrifft selbstverständlich auch die aktuellen E-Books.“

    Es muss „Medien“ und nicht „E-Medien“ heißen, d.h. 110 Millionen EUR geben Öffentl. Bibliotheken für Bücher, Zeitschriften, DVDs, CDs, Datenbanken etc. und eben auch E-Books aus. Nachzuprüfen in der aktuellen deutschen Bibliotheksstatistik (DBS). Auch in der aktuellen Stellungnahme des dbv ist von ‚Medien‘ die Rede.

  3. Das Zauberwort heißt: freiwillig. Das zweite Zauberwort heißt: fair.
    Ich bin Autorin und will selbst entscheiden, ob ich mein Ebook der Onleihe zur Verfügung stelle oder nicht. Niemandem wird etwas vorenthalten, das er als gedruckte Information auleihen kann. Aber ob ich es digital zur Verfügung stelle, damit es der geneigte tolino-Inhaber mit einem Klick vom Sofa aus leihen kann, das ist doch immer noch meine Sache.
    Also: ich bin gegen die Enteignung geistigen Eigentums!

    Zum Thema faire Entlohnung: schaut euch doch bitte mal an, wie Amazon (ja die große böse Firma) das löst. Ich kann dort wählen und wenn ich mich dafür entscheide, dass mein Buch geliehen werden kann bekomme ich eine Beteiligung, die ein Drittel meines Gesamtumsatzes ausmacht.

  4. Als Schreibende und Lesende schockieren mich die aktuellen eBook-Preise der Verlagsbücher sehr. Als Selfpublisherin kann ich z.B. bei Tolino frei wählen, ob ich die Onleihe mit beliefern möchte oder nicht. Und ehrlich – solange ein eBook der gehypten AutorInnen mehr kostet, wie ein Hardcover, würde ich mir ein gedrucktes Buch ausleihen, statt das eBook zu kaufen. Und als selbstveröffentlichende Autorin denke ich mir: Wenn die berühmten SchreiberInnen nicht verfügbar sind, hab ich bessere Chancen von Lesenden entdeckt zu werden.

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