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»New Work ist kein Selbstzweck«

Seit 2016 ist der HR-Blogger und Buchautor Robindro Ullah Herausgeber des HR-Trendmagazins „hr tomorrow“.

Belegschaften altern – Fachkräftemangel droht. Viele Unternehmen setzen deshalb darauf, innovative Arbeitsmodelle zu entwickeln. Diese sollen motivieren und glücklicher machen – aber auch zeitgemäß sein und sich an die veränderten Bedürfnisse anpassen. Aber wie könnten solche Arbeitsmodelle aussehen?

Sollten wir einfach weniger arbeiten, anders – oder einfach selbstbestimmter? Mitbestimmung, Autonomie und Vertrauenskultur. Das sind nur einige wenige Begriffe, die uns in den Kopf kommen, wenn wir an neue Formen von Arbeitsmodellen denken. Im Interview für den HR-Channel von buchreport.de beschreibt der Berater (Trendence Institut), HR-Blogger und Autor Robindro Ullah am Beispiel seines eigenen Betriebs, wie „New Work“ künftig aussehen könnte.

Welche Kernthemen der neuen Arbeitswelt sehen Sie und was sind die Trends?

Aus meiner Sicht ist das veränderte Mindset das Kernthema der kommenden Arbeitswelt. All die Tools, die uns schon heute zur Verfügung stehen, die ganzen schicken Co-Working-Spaces, sie alle helfen uns nur, wenn wir das richtige Mindset entwickeln bzw. wenn die Kultur unseres Unternehmens die effiziente Nutzung ermöglicht.

Ohne diese Einstellung haben wir lediglich ein paar Innenarchitekten wohlhabend gemacht. Zudem sollten wir stets bedenken, dass viele von uns im produktiven Gewerbe tätig sind. Scrum-Methoden, flexible Arbeitszeiten oder projektorientierte Strukturen – das sind Dinge, die wollen Sie nicht haben, wenn Sie am Gate stehen und der Flieger Sie in den kommenden 30 Minuten zu Ihrem Auftraggeber bringen soll.

Einer der wichtigsten Trends in diesem Zusammenhang ist für mich daher die Augmented Workforce. Das ist die um Algorithmen und Roboter erweiterte Belegschaft. Das ist ein Trend, der alle Berufsgruppen gleichermaßen ereilen wird. Wie werden wir die „neuen“ Mitarbeiter integrieren und wie stellen wir zukünftig noch besser unseren menschlichen Mehrwert heraus?

Wir sprechen alle über die stärkere Vernetzung der Arbeitswelt und verharren doch alle in den Silos unserer Unternehmen. Schlagworte sind unternehmensübergreifende Entwicklungswege, Liquid Workforce oder Workforce Sharing.

Werden wir zukünftig weniger, aber effizienter?

Das ist im Grunde keine Frage für die Zukunft. Seit jeher tun wir nichts anderes. Wir werden immer effizienter. Ob wir dadurch weniger arbeiten, überlasse ich einmal dem Schicksal jedes einzelnen. Der Output je Mensch wurde seit der Industrialisierung signifikant gesteigert. Mit der Digitalisierung wird sich dies nicht ändern – wohl eher potenzieren.

Personalkonzepte für die Zukunft

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Ob wir den Dreh hinbekommen und dadurch unsere Arbeitszeit reduzieren, vermag ich nicht zu sagen. Meine Vermutung wäre, dass wir die frei werdende Zeit sinnvoll in die Entwicklung neuer Ideen oder die Steigerung der Qualität stecken würden.

Recruiter können heute definitiv effizienter arbeiten als noch vor zehn Jahren. Bewerbermanagementsysteme, automatisierte Auswahlinstrumente und vieles mehr verschaffen dem Recruiter Zeit. Auf der anderen Seite ist die Rekrutierung von Fachpersonal leider in den vergangenen Jahren immer zeitaufwändiger geworden, so dass von der eigentlichen Zeitersparnis aktuell nicht so viel zu spüren ist.

Um es nochmals auf den Punkt zu bringen: Ja, wir werden unsere Effizienz noch deutlich steigern. Ob wir dadurch weniger arbeiten werden, kann je Branche und persönlicher Einstellung sehr unterschiedlich sein.

Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen schaffen, wie lässt sich diese Entwicklung umsetzen?

Meiner Meinung nach existieren zwei wesentliche Stoßrichtungen für die Unternehmen. Einmal Top-Down: Die Unternehmensführung muss das Thema für sich erkennen und das Unternehmen entsprechend gestalten. Das wird in der Regel einen Kulturwandel zur Folge haben, kann aber auch andere Dinge nach sich ziehen.

Die „Wir-fahren-mal-mit-dem- Führungsteam-nach-Silicon-Valley- und-kommen-digitalisiert-zurück“-Methode kann ich nur bedingt empfehlen.

Einhergehen sollte mit diesen Ansätzen ein Bottom-Up-Ansatz, der für die Information und vor allem für die Schulung der wesentlichen Größe eines Unternehmens wichtig ist: Der Mitarbeiter. Hier sind die Menschen, die arbeiten und vor allem von der New Work-Thematik betroffen sind. Was im Einzelnen hier getan werden muss, kann je Unternehmen ganz unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich würde ich viele kleine Formate im Snack Content Bereich empfehlen. Digitalisierung findet eh im Kleinen statt und ist nichts, womit man irgendwem Angst einjagen müsste.

Viele Firmen sind in ihren Strukturen sehr starr und tun sich schwer, Innovationen für sich umzusetzen. Was glauben Sie, wie schnell sich diese Trends implementieren lassen? Ist das Zukunftsmusik für die Generation von morgen?

Ich denke, das wird schneller gehen, als man denkt. Es geht hierbei ja nicht um wollen oder nicht wollen. Es geht letztlich um das Überleben der Unternehmen. Dabei sollte man stets bedenken, dass man sich nicht gleich komplett „new worken“ muss, um mitspielen zu dürfen. Innovation und Digitalisierung finden im Kleinen statt und das in beinahe jedem Unternehmen auch heute schon.

Entdeckt man als Geschäftsführung solch einen Keim, in dem bereits etwas entsteht, muss man lediglich den Mut haben, diesem Keim Raum zum Wachsen zu geben. In manchen Fällen sind starre Strukturen auch gewollt. Das dürfen wir bei all unserem New Work-Gerede nicht vergessen. Wie sich New Work in verschiedenen Unternehmen gestaltet, kann je nach Business ganz unterschiedlich sein. Das Schlimmste, was man als Unternehmensführung machen kann, ist von heute auf morgen eine 08/15-New Work-Schablone ins Unternehmen zu treiben. New Work ist ja kein Selbstzweck. Natürlich muss man sich eingestehen, dass es durchaus Branchen oder Unternehmen gibt, die derart hart geweckt werden müssen. Meine Annahme wäre, dass diese Holzfäller-Methode im Nachgang dann an die tatsächlichen Bedürfnisse des Unternehmens angepasst wird – dann, wenn alle wach sind.

Sie haben mehrere Bots, die für Sie arbeiten. Wie kann man sich das vorstellen?

Anfang letzten Jahres habe ich das Model des Augmented Recruiters ins Leben gerufen. Wir machen nach wie vor viel zu viele Dinge selbst, die häufig schon heute von Bots übernommen werden können. Bots sind in der Regel kleine Helfer-Algorithmen, die für eine Person eine ganz bestimmte Tätigkeit erledigen. Viele Menschen nutzen heutzutage Bots in ganz unterschiedlichen Situationen. Oftmals würden die Personen vermutlich gar nicht von Bots sprechen. Wenn ich beispielsweise ein Smarthome habe, welches je nach Außentemperatur meine Heizung regelt, so ist dies de facto ein Bot, der diese Aufgabe übernimmt.

Ich selbst nutze Bots vor allem in der Informationsbeschaffung und in der Informationsverbreitung. So habe ich Bots, die meine Inhalte auf diversen Netzwerken streuen, aber eben auch Bots, die mich auf bestimmte neue innovative Themen aufmerksam machen. Zeitweise habe ich auch Bots im Einsatz, die Netzwerke nach bestimmten Profilen durchsuchen und mir die Accounts in ein Google-Spreadsheet schreiben. Diese kann ich dann am Ende der Woche in Ruhe durchsehen. Am häufigsten nutze ich in diesem Zusammenhang den Anbieter IFTTT. Das ist quasi eine Bot-Plattform. Sie können dort einfache Dinge automatisieren. Dabei steht IFTTT für „IF This Then That“, also eine Programmierschleife, die genau das beschreibt, was die Plattform zur Verfügung stellt.

Mit freundlicher Genehmigung der Management Circle AG, eines fachübergreifenden Weiterbildungsanbieters der Handelsblatt-Gruppe.

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