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Gen Z in der Arbeitswelt: Nicht schlechter, nur anders

Die Generation Z ist besser als ihr Ruf, findet die Managementberaterin Barbara Liebermeister. Es gebe viele Klischees und Vorurteile, dabei sei diese Generation ebenso hete­rogen wie zum Beispiel die der Baby-Boomer. Entsprechend individuell müssten die jungen Mitarbeitenden geführt werden. Wie das gelingt und was sich von Influencern für die Personalführung lernen lässt, schildert Lieberneister im folgenden Beitrag. 

Foto: 123RF.com/standrets

Die Angehörigen der Generation Z sind nicht so leistungsfähig und -bereit wie unsere älteren Mitarbeiter.“ Diese Klage hört man oft von Managern und Unternehmern bezüglich der nach 1995 geborenen jungen Frauen und Männer, die sich nach ihrem (Hoch-)Schulabschluss bei den Unternehmen bewerben oder in diesen bereits eine Stelle haben. Doch ist das wirklich so? Mein Eindruck als Unternehmerin und Managementberaterin ist: In der Generation Z gibt es prozentual gesehen etwa ebenso viele leistungsbereite Frauen und Männer wie vor 40 oder 50 Jahren, als das Gros der sogenannten Baby-Boomer ins Berufsleben eintrat.

Der Arbeitsmarkt ist aktuell ein Arbeitnehmer-Markt

Doch die Rahmenbedingungen waren andere. Damals bewarben sich auf eine freie Stelle in der Regel viele Personen. Für die Unternehmen bedeutete dies: Sie konnten aus einem Stapel Bewerbungen die von ihrer Warte aus besten herausfiltern. Danach konnten sie die potenziellen Kandidaten – teils mehrfach – bei sich antanzen lassen und sich den passendsten aussuchen. Und in den Arbeitsverträgen konnten sie den Auserwählten die Vertragsbedingungen weitgehend vorgeben bzw. diktieren, denn die Arbeitnehmer wussten: Gute Stellen sind rar. Also verhandelten nur die Mutigsten über ihr Gehalt und fragten aktiv nach sonstigen Sozialleistungen.

Das gefiel vielen Arbeitgebern. Doch nicht nur dies: Nicht wenige erachteten diese Situation mit der Zeit als ebenso selbstverständlich wie beispielsweise den Umstand, dass die von ihrem Unternehmen benötigten Rohstoffe jederzeit lieferbar und günstig zu haben waren. Entsprechend schwer fällt es ihnen heute damit umzugehen, dass sich der Arbeitsmarkt fundamental gewandelt hat und die Bewerber zumindest gefühlt meist am längeren Hebel sitzen, weil

  • sie oft mehrere Joboptionen haben.
  • die Unternehmen aktiv um ihre Gunst sowie ihr Ja-Wort werben müssen.

Diese Situation, über die viele Arbeitgeber klagen, ist für die Stellensuchenden (nicht nur) der Generation Z erfreulich.

Niedrigere Messlatte aufgrund der geringeren Bewerberzahlen

Dass so viele Unternehmen über die Qualität der nachrückenden (potenziellen) Mitarbeitenden klagen, liegt primär daran, dass aufgrund der demografischen Entwicklung ihre Gesamtzahl viel niedriger ist als früher. Oft bewerben sich – wenn überhaupt – nur ein, zwei Personen auf eine vakante Stelle. Deshalb müssen speziell mittelständische Betriebe bei den Anforderungen, die sie an ihre künftigen Mitarbeitenden stellen, heute schon oft große Zugeständnisse machen. Sie können die Messlatte nicht mehr so hoch ansetzen wie früher.

Deshalb sind sie im Betriebsalltag verstärkt mit Mitarbeitenden konfrontiert, die zum Beispiel eine geringere Eigenmotivation haben und mehr Führung brauchen. Außerdem haben die Neuen aus Unternehmenssicht oft noch fachliche und persönliche Defizite, weshalb eine jobbegleitende Nachqualifizierung nötig ist. Oder anders formuliert: Weil die gewünschte oder benötigte Passung den neuen Mitarbeitenden häufig noch teilweise fehlt, müssen die Unternehmen mehr Ressourcen für deren Führung und Entwicklung aufwenden.

Hierauf sind viele Unternehmen nicht eingestellt, und diese Situation überfordert zum Teil ihre Führungskräfte – zumal sich auch die Bedürfnisse der leistungsstarken und -bereiten jungen Mitarbeitenden (nicht nur) der Generation Z gewandelt haben. Viele von ihnen wollen zum Beispiel nicht mehr, dass die Erwerbsarbeit ihr gesamtes Leben dominiert. Die „Work-Life-Balance“ ist ihnen wichtiger als ihren Eltern. Und weil sie mehr Joboptionen haben, fordern sie Dinge wie geregelte Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, die Möglichkeit, mobil zu arbeiten oder mal eine längere Auszeit zu nehmen, auch aktiver ein. Dasselbe gilt für die Chancen, beruflich voranzukommen. Die jungen Leute warten seltener als ihre Eltern darauf, dass ihnen Chancen gewährt werden, sie fordern diese aktiv ein. Und wenn sie die Weiterentwicklungs-Chancen nicht bekommen? Dann wechseln sie schneller den Arbeitgeber.

Die Betriebe müssen ihre Personalpolitik neu justieren

Die Unternehmen müssen sich daher fragen, inwieweit ihre Personalpolitik insgesamt noch den Erwartungen ihrer (künftigen) Mitarbeitenden entspricht – ähnlich wie sie das auch bei ihren Produkten tun, wenn sich die Bedürfnisse der Kunden gewandelt haben.

Mehr denn je ist ein Führungsstil gefragt, bei dem die Führungskraft ihr Verhalten dem ­jeweiligen Gegenüber und der Situation anpasst.

Dieses Abschneiden alter Zöpfe fällt vielen Unternehmen schwer. Dasselbe gilt für die Führungskräfte. Denn: Sie müssen in einer Situation, in der gute Mitarbeitende nicht nur rar sind, sondern ihre Teammitglieder häufig auch einen sehr unterschiedlichen fachlichen und persönlichen Reifegrad haben sowie stark divergierende individuelle Bedürfnisse artikulieren, bei ihrer Führungsarbeit eine sehr große Verhaltensflexibilität zeigen – auch weil ihre Teams zunehmend hybride bzw. virtuelle sind, also Mitarbeitende zumindest teilweise auch außerhalb des Betriebs (zum Beispiel im Homeoffice) arbeiten.

In dieser Situation ist mehr denn je ein Führungsstil gefragt, bei dem die Führungskraft ihr Verhalten dem jeweiligen Gegenüber und der Situation bzw. Konstellation anpasst; also bedarfs- und situationsabhängig

  • Mitarbeitende mal loben, mal ihr Verhalten hinterfragen
  • Mitarbeitende mal beim Erfüllen ihrer Aufgaben aktiv unterstützen, mal sich bewusst zurücknehmen
  • Mal Änderungen stark forcieren, mal bewusst den Fuß vom Gas nehmen.

Die Mitarbeitenden situativ führen und individuell entwickeln

Diese Verhaltensflexibilität können Führungskräfte nur zeigen, wenn sie in einem ständigen, lebendigen Dialog mit ihren Teammitgliedern stehen. In dem gilt es unter anderem zu erkunden:

  • Wie ticken die einzelnen Teammitglieder als Menschen?
  • Was ist ihnen als Mensch und Mitarbeitender wichtig?
  • Wo drückt sie der Schuh?
  • Was erleichtert bzw. erschwert es ihnen, sich für die angestrebten Ziele zu engagieren?
  • Was brauchen sie, um effektiv zu arbeiten und ihre Kompetenzen weiter auszubauen bzw. zu entfalten?

Nur wenn eine Führungskraft in einem von wechselseitiger Akzeptanz und Wertschätzung geprägten Dialog mit ihren Mitarbeitenden steht, entsteht eine vertrauensvolle Beziehung und die Führungskraft kann das Denken und Verhalten der Mitarbeitenden gezielt beeinflussen.

Das heißt, die Führungskräfte müssen – ähnlich wie Influencer in den Social Media – danach streben, in ihrem Umfeld ein Milieu zu kreieren, in dem andere Menschen

  • freiwillig ihnen und ihren Ideen folgen
  • eigeninitiativ ihr Denken und Handeln daraufhin überprüfen, inwieweit sie damit ihren Beitrag zum Erreichen der gemeinsamen Ziele leisten.

Aus dem Verhalten von Influencern lassen sich dafür unter anderem folgende Erfolgsfaktoren ableiten.

Erfolgsfaktor 1: Sichtbar und erfahrbar sein

Ein wichtiger Erfolgsfaktor aller Influencer im Netz ist, so banal dies klingt: Sie sorgen dafür, dass sie sichtbar sind – zum Beispiel, indem sie regelmäßig ihre Social-Media-Kanäle füttern und ihr virtuelles Netzwerk pflegen. Ähnliches gilt für alle Personen, die echte Influencer sind. Für Führungskräfte bedeutet das: Sie dürfen sich nicht hinter ihrem Schreibtisch und einem Turm dringlicher Aufgaben verbergen. Sie sollten vielmehr gezielt den Kontakt und die Kommunikation mit ihren Netzwerkpartnern suchen und bereit sein, hier viel Zeit und Energie zu investieren.

Erfolgsfaktor 2: Erkennbar für gewisse Werte stehen

Fast alle erfolgreichen Influencer haben eine klare Botschaft bzw. stehen erkennbar für gewisse Werte. Dies sollte auch bei Führungskräften der Fall sein, sonst sind sie für ihre Netzwerkpartner unberechenbar. Diese fassen dann kein Vertrauen und sind entsprechend auch nicht bereit, den Ideen ihrer Führungskraft zu folgen. Das ist gerade im Kontakt mit den nachrückenden Mitarbeitenden der Generation Z wichtig, da sie zumeist noch recht „frisch“ im Unternehmen sind. Sie haben oft noch nicht verinnerlicht, was ihrer Führungskraft und ihrem Arbeitgeber warum wichtig ist.

Erfolgsfaktor 3: Die eigenen Auftritte »inszenieren«

Erfolgreiche Influencer überlassen ihr Auftreten nicht dem Zufall. Sie inszenieren ihre Auftritte, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Dies sollten auch Führungskräfte tun. Sie sollten sich, bevor sie mit einem Mitarbeitenden Kontakt aufnehmen, fragen:

  • Wer ist mein Gegenüber und was ist ihm wichtig?
  • Welches Ziel möchte ich erreichen?
  • Welche Rahmenbedingungen sind nötig, damit meine Botschaften ankommen?
  • Welchen Kommunikationskanal sollte ich deshalb wählen? Mail, Telefonat oder ein persönliches Gespräch?

Erfolgsfaktor 4: Eine vertrauenswürdige Marke sein

Hinter dem Inszenieren der Auftritte der Influencer steckt auch der Wunsch, sich als Marke zu etablieren. Eine Marke kennzeichnen zwei Faktoren:

  • Eine Marke ist aufgrund ihres Auftritts ­beziehungsweise Erscheinungsbilds wiedererkennbar.
  • Eine Marke gibt den Kunden ein konkretes Leistungsversprechen.

Auch Führungskräfte sollten für ihre Netzwerkpartner erkennbar für bestimmte Überzeugungen und Grundhaltungen stehen. Das können zum Beispiel sein:

  • „Auf meine Aussagen ist Verlass.“
  • „Ich bin bereit, neue Wege zu gehen.“
  • „Ich binde Euch in meine Entscheidungsprozesse, soweit möglich, ein.“
  • „Wenn es hart auf hart kommt, stehe ich hinter Euch.“

Diese Grundbotschaften sollten als „Subtext“ die gesamte Kommunikation und das gesamte Verhalten prägen, damit Mitarbeitende gerne folgen. Und sollte eine Führungskraft einmal, weil die Rahmenbedingungen es erfordern, dagegen verstoßen? Dann sollte sie ihr Verhalten erläutern und sich gegebenenfalls hierfür entschuldigen.

Erfolgsfaktor 5: Sich auch als Mensch mit Gefühlen zeigen

Fast alle Influencer im Netz gewähren ihren Followern wohldosierte Einblicke in ihr Privat- und Gefühlsleben – primär um auch als Mensch erfahr- und nahbar zu sein, denn nur so kann eine Beziehung entstehen. Auch Führungskräfte sollten dies in der Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden tun – zum Beispiel, indem sie in Gesprächen auch mal Informationen über ihr Privatleben einfließen lassen. Oder indem sie auch mal erwähnen, wie die aktuellen Turbulenzen in der Weltwirtschaft oder die immer stärker spürbar werdenden Folgen des Klimawandels oder der Hype um Künstliche Intelligenz sie verunsichern. Solche Aussagen sind für Mitarbeitende oft der Anstoß, ihrer Führungskraft ebenfalls einen Einblick in ihr Gefühlsleben zu geben und zu offenbaren, was ihnen als Mensch und Arbeitnehmer wichtig ist.

Erfolgsfaktor 6: Gelassen auf Kritik reagieren

Auch Influencer begehen aus Sicht ihrer Follower Fehler – zum Beispiel, weil sie deren Stimmung oder Interessen falsch einschätzen. Dann ernten sie oft harsche Kritik, die zuweilen in einem Shitstorm mündet. Hierauf reagieren erfahrene Influencer – nach außen erkennbar – nie beleidigt. Sie nutzen die kritische Rückmeldung vielmehr als Chance, mit ihren Followern in einen noch intensiveren Dialog zu treten und ihnen die Gründe ihres Handelns darzulegen. Sie gestehen zudem Fehler gemäß der Maxime „shit happens“ ein, entschuldigen sich und lernen daraus. Ähnlich sollten auch Führungskräfte auf kritische Rückmeldungen reagieren, denn diese zeigen letztlich das ­„Involvement“ der Mitarbeitenden und eröffnen ihnen die Chance, bei Bedarf gegenzusteuern.

Erfolgsfaktor 7: Bereit sein, neue Wege zu gehen

Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ). Die Managementberaterin ist auch als Vortragsrednerin und Buchautorin aktiv. (Foto: Salim Chauhan Photography)

Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ, Wiesbaden). Die Managementberaterin und Vortragsrednerin ist unter anderem Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer. In Zukunft führt, wer Follower gewinnt“ (Gabal). www.ifidz.de
(Foto: Salim Chauhan Photography)

Influencer müssen oft neue Wege gehen – zum Beispiel, weil sich das Mediennutzungsverhalten ihrer Zielgruppe ändert oder weil sie sich selbst weiterentwickelt haben. Dann stehen auch Influencer vor der Herausforderung, die Weichen neu zu stellen.

Solche Strategiewechsel stoßen bei ihren Followern oft auf Widerstände, zum Teil kündigen sie sogar ihre Gefolgschaft. Trotzdem beschreiten Influencer, wenn übergeordnete Ziele dies erfordern, immer wieder diesen Weg. Ein entsprechendes Rückgrat müssen auch Führungskräfte haben. Bei aller Empathie, Kompromissbereitschaft und Loyalität, die sie im Kontakt mit ihren Mitarbeitenden zeigen, muss stets deutlich bleiben: Gewisse Ziele wie „Unser Unternehmen muss Gewinn erzielen“ sind nicht verhandelbar. Das ist aufgrund ihrer Funktion in der Organisation unabdingbar.

Zugleich sollten Führungskräfte sich aber für Verbesserungs- und neue Problemlösungsvorschläge offen zeigen, die gerade die Angehörigen der Generation Z oft einbringen, weil sie noch nicht betriebsblind sind. Diese jungen Frauen und Männer sind die Zukunft des Unternehmens. Also gilt es, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, mit dem sie sich identifizieren können. Zudem sollten Führungskräfte ihren Teammitgliedern nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten immer wieder signalisieren: „Ich bin lern- und veränderungsbereit.“ Schließlich erwarten sie das auch umgekehrt.

Barbara Liebermeister

buchreport.spezial Management & Produktion 2023

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im buchreport.spezial Management & Produktion 2023.

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