buchreport

Wir wollen die disruptive Kraft sein

Die Gründer von Readfy (v.l.): Ryan David Mullins, Felix Bauchspiess und Frank Großklaus.

Jahre wurde an der Idee gearbeitet, im Dezember wurde sie schon im buchreport.express (Ausgabe 50/2014) ausführlich vorgestellt. Jetzt beginnt Phase eins eines deutschen E-Book-Dienstes, der international Maßstäbe setzen könnte: Readfy will kostenlose E-Book-Abos anbieten, die mit Werbung finanziert werden. Das bescheidene Ziel des Düsseldorfer Unternehmens: Das Spotify für E-Books werden.

Das Konzept im Überblick:

  • Service: Die Nutzer von Readfy sollen alle angebotenen E-Books kostenlos lesen dürfen. Der Preis für die kostenlose Lektüre: Das Lesen wird von Werbung unterbrochen, die über den Buchtext gelegt wird. Geplant sind verschiedene Werbeformen wie Videos, Werbeeinblendungen oder Banner.
  • Die Lektüre erfolgt in einer App, am Anfang für Android-Geräte (Smartphones und Tablets), ab Sommer soll auch eine Version für Apple-Geräte verfügbar sein (weitere Betriebssysteme, ein Webreader und eventuell auch eine Lösung für klassische E-Reader sollen ebenfalls folgen).
  • Die Inhalte können nur innerhalb der Cloud gelesen werden, geschützt durch eine nutzerabhängige Verschlüsselung.
  • Neben dem kostenlosen „Free“-Angebot, mit dem Readfy starten will, sollen ab Sommer 2014 zwei weitere Abomodelle mit erweiterten Funktionen angeboten werden: „Premium Light“ (4,99 Euro pro Monat, weniger Werbung, ausgewählte Social Reading-Funktionen) und „Premium“ (9,99 Euro, keine Werbung, voller Funktionsumfang, offline lesen).
  • Readfy startet allerdings, wie seinerzeit Skoobe, mit einer Testphase, die auf 5000 Leser beschränkt wird.
  • Sortiment: Zum Start liegen laut Readfy 15.000 Titel von über 120 Verlagen vor, darunter Belletristisches, Sachbücher und Ratgeber.

  • Werbung: Zum Start werden die Werbeplätze (s. Fotos) über ein Werbenetzwerk verkauft, um zu testen, „wie viel Werbung man den Lesern zumuten kann“. Später wollen sie auch durch Direktakquise Werbung verkaufen, u.a. an Buchverlage. Kontextuelle und personalisierte Werbung mit Bezug auf die jeweiligen Inhalte ist aber noch Zukunftsmusik. Verlagen und Werbekunden sollen die Kundendaten anonymisiert für Leser- und Werbeanalysen bzw. für Werbemaßnahmen bereitgestellt werden.
  • Gründer: Hinter Readfy stehen Felix Bauchspiess (Geschäftsführer, zuständig für Produkt, Finanzen und Organisatorisches), Ryan David Mullins (verantwortlich für den Buchkatalog, Social Reading, Data Mining und Analytics) und Frank Großklaus (Marketing und PR). 
  • Finanzierung: Zu den Geldgebern gehört der Düsseldorfer Inkubator 1stMover, der in Start-ups investiert, die im Bereich mobiles Internet aktiv sind. Bei der Finanzierungsrunde kamen laut „Wall Street Journal“ über 100.000 Euro zusammen. Ebenfalls als Gesellschafter an Bord ist Gerrit Schumann, ehemaliger CEO des Musik-Streamingportals Simfy und heute Vice President von Deezer, einem internationalen Musik-Streaming-Dienst. Mit einer kleinen Beteiligung dabei ist auch Bookwire-Chef Jens Klingelhöfer – der allerdings am operativen Geschäft nicht beteiligt ist. Bookwire gehört in der Test-Phase zu den E-Book-Lieferanten von Readfy.
  • Zur weiteren Finanzierung startet Readfy am 3. Februar zum Beta-Launch eine Crowdinvesting-Kampagne in Kooperation mit Companisto.de: Die Mitglieder der Plattform können ab Beträgen von 5 Euro Anteilseigner des Startups werden. So sollen bis zu 500.000 Euro eingesammelt werden.
  • Weitere Etappen: Neben dem Bezahlmodus und den iOS-Apps solll der Titelkatalog bis Jahresende auf ca. 30.000 Bücher ausgebaut werdem. 2015 soll die Internationalisierung mit englisch- und spanisch-sprachigen Büchern in europäischen Ländern und in die USA erfolgen.
Ist das Modell mit der Buchpreisbindung vereinbar?
Grundsätzlich ähnelt das Geschäftsmodell einem Leihmodell, weil die Nutzer die E-Books nicht herunterladen und nur in der Cloud lesen können. Dieses Modell haben die Readfy-Gründer nach eigenen Angaben von zwei Medienanwälten prüfen lassen. Aus Sicht des Preisbindungstreuhänders Christian Russ ist das Modell aber zumindest fragwürdig. „Es könnten sich preisbindungsrechtliche Probleme ergeben, da die kostenlose Lektüre durch Werbepartner drittfinanziert wird und damit dem Gutscheinmodell ähnelt“, erläuterte er im Dezember 2013 auf Anfrage. Die Readfy-Gründer gehen allerdings davon aus, dass sich das Preisbindungsgesetz nur auf den Verkauf von Büchern, nicht aber auf den Verleih oder die Vermietung bezieht. Readfy sei eine Art Onleihe. 
Readfy-Gründer Bauchspiess hat die Philosophie des Angebots schon im Dezember gegenüber buchreport erläutert: „Der Verlag wird für jede gelesene Normseite bezahlt; durch diese Einnahmen, denken wir, lassen sich die Einbrüche der physischen Verkaufszahlen, zumindest teilweise, kompensieren. Die kostenlose Lektüre senkt die Eintrittsbarriere und schafft ein attraktives legales Angebot, durch das sich Piraterie kaum mehr lohnt. Wir wollen die disruptive Kraft sein, die das Geschäftsmodell der Verlage auf eine neue Stufe hebt.“

Kommentare

6 Kommentare zu "Wir wollen die disruptive Kraft sein"

  1. All solche Projekte sind relativ zu Piratenseiten, deren Programm weit umfangreicher und komplett umsonst ist, DRM- und natürlich werbefrei.

  2. Die Kultur-Flatrate kommt – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche! Hier ist Readfy ein weiterer im Bunde, der auf seine Weise in dieses Geschäft einsteigt. Im Übrigen ist Readfy nicht der erste Anbieter mit diesem Modell kostenloser E-Books, die durch Werbung finanziert werden. Bookboon, der skandinavische Anbieter, war und ist der Erste und bietet E-Books auch in deutscher Sprache an. Dort beziehe ich schon seit Jahren kostenlose E-Books – und staune über die enorme Themenvielfalt, die inzwischengeboten wird. Das Allermeiste ist fachlich sehr qualifiziert und nützlich. Die „Bookboons“ gibt es, glaube ich, derzeit nur als PDF.

  3. Ich finde die Idee so genial nicht. Ich mag nicht, dass ich überall nur noch Konsumentin und Zielgruppe bin. Ich plädiere heute für die Rückkehr zum guten alten Buch.

  4. Amélie von Tharach | 3. Februar 2014 um 14:17 | Antworten

    Der Krimi mit dem Banküberfall, und dann die Werbung: „Wir machen den Weg frei – Volksbank“ und ergänzend das örtliche Bestattungsinstitut, falls es grauslige Morde gibt. Vom Ansatz und nach meiner Meinung nicht schlecht und soweit die Theorie. In der Praxis denke ich, dass das ein Flop wird, weil (jedenfalls meine Erfahrung und Meinung) der/die gemeine Literatur-Konsument(in) äußerst sensibel auf eingeblendete Werbung reagiert, und die meisten Internetnutzer Werbung als störend bis lästig empfinden. Dazu zählt auch Verlags- und Bücherwerbung, die nach meiner Meinung inzwischen so überhand nimmt, dass es Massenvergewaltigungen gleichkommt. Selbst diskret eingeblendeten Buchempfehlungen traue ich nicht mehr, denn die Botschaft ist immer die gleiche: „Kauf mich, Kauf mich, Kauf mich.“

    Dazu kommt, dass der Erfolg von Bannerwerbung angeblich gegen Null tendiert (ich meine, dass ich das hier gelesen habe), und bei Popup-Werbung sieht es ähnlich aus. Jeder (vom Kleinkind bis zum Greis) weiß inzwischen, dass ein Klick auf ein buntes Bildchen im besten Fall zum Virenbefall führen kann.
    Außerdem ist die Zielgruppe (Buchkonsumenten) im Verhältnis zu sonstigen Internet-Dienstleistungen usw. extrem klein, so dass sich aus der eingeblendeten Werbung kaum nennenswerte Umsätze generieren lassen, die zur dauerhaften Finanzierung des Projektes beitragen.

  5. Norbert Gillmann | 3. Februar 2014 um 12:57 | Antworten

    Mit solch einem Cloud gestützten Angebot lassen sich wunderbar die Lese-
    und Interessengewohnheiten der Nutzer erforschen. Soziologen,
    Marketingspezialisten und vielleicht auch Buchwissenschaftler werden
    dankbar sein.

  6. In meiner Welt ist Disruption mehr als Nachmachen.

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