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Wie Unternehmen ein Mentoring-Programm aufbauen

Auch in unserer Zeit beschleunigter Veränderung zählt die Erfahrung routinierter Kräfte. Ein Weg, den Erfahrungstransfer abzusichern, ist das Mentoring. In Großunternehmen längst etabliert, beginnen Mentoringprogramme auch im Mittelstand Fuß zu fassen.

Mentoringprogramme sind unternehmensintern und unternehmensübergreifend möglich. In einer Serie im HR-Channel von buchreport.de schildert Coach und Mentoring-Expertin Agnes Senger unter anderem am Beispiel des Mentoringprogramms der Jungen Verlagsmenschen, wie professionelles Mentoring abläuft. Im dritten Teil der Serie weist sie Schritt für Schritt den Weg zum eigenen erfolgreichen Mentoring-Programm.

Die Fülle an Benefits von Mentoring-Programmen für Unternehmen, Mentorinnen, Mentoren und Mentees ist unübersehbar. Für Unternehmen erhöht Mentoring die Bindung und das Engagement ihrer Mitarbeiter sowie die Mitarbeiterzufriedenheit. Zusätzlich erhöht es ihre Attraktivität als Arbeitgeber für Berufseinsteiger und fördert den Erhalt und die Verbreitung von implizitem und explizitem Wissen innerhalb des Unternehmens.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erweitern durch die Tätigkeit als Mentoren ihre Sozial- und Führungskompetenzen und erleben Wertschätzung und Anerkennung durch das Unternehmen und ihre Mentees. Für diese bietet ein Mentoring-Programm die Möglichkeit, ihre Sozial-, Handlungs-, wie auch Problemlösungskompetenzen zu erweitern und zusätzlich dabei in ihrer Karriereentwicklung unterstützt und begleitet zu werden. Die Frage, die sich jedoch für viele Unternehmen stellt, ist: „Wie starte ich ein effizientes Mentoring-Programm, um diese Benefits auch in meinem Unternehmen zu etablieren?“

Start eines Mentoring-Programms im Unternehmen

Ein effektives Mentoring-Programm benötigt eine durchdachte Planung, ein geeignetes Konzept, realistische Ressourcenplanung und gute Begleitung durch eine Programmkoordination. Unerlässlich ist auch ein sorgfältiges Qualitätsmanagement während des gesamten Prozesses. Ein schlechtes oder wenig durchdachtes Mentoring-Programm kann zu Frustration und Enttäuschung bei allen Beteiligten führen und somit einem Unternehmen mehr schaden als nützen.

Die Entwicklung und Durchführung eines Mentoring-Programms besteht aus folgenden Schritten: 

  1. Konzeptentwicklung: Bestimmung von Zielen, Zielgruppe und Format 
  2. Bewerbungsphase: Die richtigen Mentoren und Mentees finden
  3. Matching-Phase: Tandems, die zusammenpassen, führen zu Erfolg
  4. Durchführungsphase: Das Mentoring-Programm erfolgreich managen
  5. Qualitätsmanagement und Evaluation.

Konzeptentwicklung

In der Konzeptentwicklung entscheidet sich, was die Ziele sind, wer die Zielgruppe sein soll und wie das Format des Mentoring-Programms aussieht. Deswegen ist es vor allem wichtig, sich ergiebig mit folgenden Fragen zu beschäftigen (Vgl. Allen et al. 2009 in Rademacher und Weber 2017)

  • Welchen Bedarf und welche Ziele habe ich als Unternehmen? Welche organisatorischen oder personellen Herausforderungen wollen wir lösen oder vermeiden?
  • Welche Unterstützung/Befürworter für das Programm habe ich innerhalb der Organisation?
  • Wie passt ein Mentoring-Programm zu unserer Unternehmenskultur?
  • Welche Ziele will ich mit dem Mentoring-Programm erreichen? Für wen will ich diese Ziele erreichen? 
  • Wie passt das Programm zu bereits existierenden oder geplanten HR-Interventionen wie Coaching- oder Führungskräfte-Programmen?
  • Welche zeitlichen, finanziellen und personellen Kapazitäten habe ich, sowohl bei Mentorinnen, Mentoren und Mentees, als auch im organisatorischen Umfeld?

Aus der Beantwortung dieser Fragen werden Entscheidungen für folgende Punkte getroffen:

Zielgruppe – Wer darf mitmachen?

  • offen für alle 
  • über Empfehlung
  • über Bewerbung und Auswahlverfahren

Form des Mentoring (siehe auch hier)

  • internes/externes Mentoring
  • Reverse Mentoring
  • Top-Down, Bottom-Up 
  • Peer Mentoring

Ressourcenplanung 

  • Wer übernimmt die Programmkoordination?
  • Dauer des Mentorings (empfehlenswert wären 6-12 Monate)
  • Rahmenprogramm
  • Tracking und Monitoring der Ergebnisse

In dieser Phase der Konzeptentwicklung ist es ratsam, die Akzeptanz für ein Mentoring-Programm im Unternehmen anzutesten. Dafür sollte man potentielle Teilnehmende des Mentoring-Programms (Mentoren und Mentees), wie auch andere Stakeholder, die zum Gelingen des Mentoring-Programms beitragen, mit Hilfe von Umfragen oder Einzel- bzw. Gruppeninterviews zu dem Thema befragen.

Bewerbungsphase – Die richtigen Mentoren und Mentees finden

Nun geht es darum, die Ergebnisse aus der Konzeptentwicklung im Unternehmen zu verbreiten und Teilnehmende für das Mentoring-Programm zu werben. Dabei müssen vor allen Dingen die Vorteile eines Mentoring-Programms an die Zielgruppe vermittelt werden.

Personalkonzepte für die Zukunft

Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr

Da es eine Herausforderung sein kann, vielbeschäftigte Mitarbeiter in Führungspositionen als Mentoren zu gewinnen, ist es von besonderer Bedeutung, positive und negative Faktoren zur Teilnahme am Mentoring-Programm zu identifizieren. Positive Faktoren (wie Zertifikate, Trainingsmöglichkeiten und Belohnungen) sollen gestärkt werden – negative Faktoren und Barrieren zur Teilnahme können über die Transparenz hinsichtlich der Teilnahmevoraussetzungen abgebaut werden.

Dafür muss geklärt werden, welche Voraussetzungen Mentoren und Mentees erfüllen müssen, um am Mentoring-Programm teilnehmen zu können (Seniorität, Unternehmenszugehörigkeit, Führungserfahrung oder Fachkompetenz in bestimmten Themen, etc.). Die Auswahlkriterien, wie zum Beispiel die  Bewerbungsunterlagen/Profilbögen (zum Beispiel in Form von Lebensläufen, Zielformulierung, Erwartungen an das Programm), bis hin zum Ablauf von „Bewerbungsgesprächen“, muss für jeden Beteiligten stets transparent sein.

Matching-Phase – Tandems, die zusammenpassen, führen zum Erfolg

Eine erfolgreiche Mentoring-Beziehung ist vor allem abhängig vom passenden Matching. Deswegen ist neben der Konzeptentwicklung die Matching-Phase eine der herausforderndsten Aspekte eines Mentoring-Programms. 

Es gibt drei verschiedene Arten des Matchings:

  • Selbstsucher: Mentees suchen sich mit der Unterstützung der Programmkoordination ihre eigenen Mentoren. 
  • Matching durch Abgleich: Bewerbungsunterlagen/Profilbögen werden auf höchstmögliche Übereinstimmung der fachlichen Interessen geprüft und daraufhin gematcht (hierfür gibt es mittlerweile Software, die der Programmkoordination das Matching abnehmen).
  • Hybrid-Matching: Es gibt auch immer wieder Mischformen, bei denen Mentoren entscheiden, welchen Mentee sie annehmen oder Mentees aus einem selektierten Pool von Mentoren auswählen, wen sie gerne als Mentor hätten.

Dabei sollte allerdings stets darauf geachtet werden, dass beide freiwillig an dem Programm teilnehmen und kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mentoren und Mentees besteht. 

Durchführungsphase – Das Mentoring-Programm erfolgreich rahmen/managen

Start wie auch das Ende eines Mentoring-Durchlaufs sollten durch eine öffentlich wirksame Veranstaltung gerahmt sein, um Mentoren und Mentees zu würdigen, neue Teilnehmende zu aktivieren und erneut zu zeigen, dass die Entwicklung der Mitarbeiter durch das Mentoring-Programm ein wichtiges Anliegen des Unternehmens ist. 

Neben der Auftakt- und Abschlussveranstaltung gibt es weitere Veranstaltungsformen, die die Durchführungsphase rahmen.

Alle, die sich als Mentoren und Mentees qualifiziert haben, sollten ein Vorbereitungstraining durchlaufen, das sie für ihre Rolle als Mentor bzw. Mentee befähigt. Dabei sollte zum einen die eigene Rolle, sowie die Ziele für das Mentoring klar definiert werden, gleichzeitig sollten Mentoren praktische Hinweise zum Ablauf und der Gestaltung der Mentoring-Beziehung bekommen. Auch organisatorische Informationen (wie der Zeitplan und weitere Veranstaltungen) und Inhalte des Mentoring-Prozesses sollten geklärt und Absprachen zwischen Mentoren und Mentees getroffen werden. 

Die Tandem-Zeiten können die Mentoren und Mentees selbst gestalten, sodass die Zusammenarbeit ein effektives Miteinander wird und beide das Mentoring-Programm bestmöglich für sich nutzen können.

Es würde sich anbieten, sowohl für  Mentoren als auch für Mentees Trainings oder Workshops zur Weiterentwicklung von Schlüsselkompetenzen (zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeiten, Gesprächsführung, o.ä.) anzubieten. Dadurch werden vor allem Mentoren in ihrem persönlichen Wachstum und ihrer Rolle als Mentor unterstützt, sodass die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Mentoring-Beziehung steigt.

Auch bietet sich das Mentoring-Programm an, um das Networking im Unternehmen zu fördern, indem informelle, formelle oder moderierte, themenbezogene Netzwerktreffen jeweils für Mentoren, Mentees oder für die gesamte Gruppe stattfinden.

Für die Evaluation und das Qualitätsmanagement sollte ein Abschlusstreffen erfolgen, um eine Reflexion und Feedback von Mentoren und Mentees für den gesamten Ablauf des Mentoring-Programms zu bekommen.

Qualitätsmanagement und Evaluation

Im Qualitätsmanagement des Programms muss evaluiert werden, ob durch das Mentoring Ziele in Bezug auf die Organisations- und Kompetenzentwicklung der beteiligten Mitarbeitenden erreicht wurden.

Dafür gibt es verschiedene, programmbegleitende Analysemöglichkeiten zur Bewertung der Erfahrung von Mentoren und Mentees und den Impact auf das Unternehmen wie zum Beispiel:

  • standardisierte Fragebögen 
  • leitfadengestützte Gespräche, Interviews oder Feedbackrunden
  • Abschlussberichte von Mentees über ihre Mentoren und andersherum Abschlussberichte von Mentoren über ihre Mentees
  • Selbstreflektive Berichte von jeweils Mentoren und Mentees über ihre eigene Entwicklung während des Mentoring-Programms
  • Feedbacks aus den Trainings und Workshops.

Durch die Auswertung dieser Informationen und Feedbacks kann das Programm weiter angepasst und verbessert werden. 

Zusammenfassung und Fazit:

Checkliste zum Start eines Mentoring-Programms im Unternehmen

□ Klärung der Ziele für das Mentoring in der Konzeptentwicklung

□ Transparente Auswahlkriterien für alle Beteiligten (Bewerbungsunterlagen, Lebenslauf, Zielformulierung, Erwartungen an das Programm und persönliche Gespräche mit Mentees und Mentoren)

□ Zusammenführung passender Tandems in der Matching-Phase

□ Vertraulichkeit und kein Abhängigkeitsverhältnis muss für die Beteiligten gegeben sein

□ Rahmenprogramm bestehend aus Vorbereitungen, Workshops, Netzwerkveranstaltungen, Auftakt- und Abschlussveranstaltungen

□ Qualitätssicherung und Evaluation

Ein wirksames Mentoring-Programm umfasst mehr als nur das Zusammenbringen von Mentoren und Mentees. Es geht darum, Ressourcen in Konzeption, Koordination sowie in die Begleitung eines solchen Programms zu investieren. Wenn einem Unternehmen das gelingt, kann ein Mentoring-Programm dazu beitragen, dass ein Raum geschaffen wird, in dem sich Menschen zur besten Version ihrer selbst entwickeln können.

Agnes Senger ist Managerin Training & Operations bei der Berliner TAM Akademie GmbH. Die TAM unterstützt Unternehmen bei der Personalentwicklung, indem sie im TAM Executive Leadership Programm und im TAM Leadership Programm Führungskräfte unter anderem zu Coaches und Mentoren für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch zu agilen und wertschätzenden Führungskräften aus- und weiterbildet. In der mit dem europäischen Trainingspreis ausgezeichneten New Work Facilitator-Ausbildung werden HRler und Organisationsentwickler zu Change-Experten gemacht und in der Business-Trainer Ausbildung Trainer ausgebildet und zertifiziert.

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