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Ignoriert Piraterie jetzt auch im Video

Zum Auftakt der AKEP-Konferenz in Berlin hat Sascha Lobo der Branche Ratschläge zum „Buchstabenverkauf“ der Zukunft mit auf den Weg gegeben und diese historisch fundiert – um am Ende die Zuhörer mit der Ankündigung zu überraschen, selbst einen Verlag zu gründen. buchreport.de dokumentiert die wichtigsten Aussagen (außerdem ein Video-Auszug am Ende des Artikels). 

Weil er den Berateransatz nicht mehr ertrage – der Branche kluge Ratschläge zu erteilen –, habe er sich entschlossen, die Seiten zu wechseln und Verleger zu werden, erklärte Lobo. „Sobooks“ heiße der Verlag in Gründung, den er mit dem Unternehmensberater  Christoph Kappes aufbaue.
In welche Richtung der Verlag steuern wird, das hat in seinem Vortrag zur Zukunft des Buchstabenverkaufs angedeutet. „Ich will die Branche mit ihren eigenen Waffen schlagen“, so Lobo – einige seiner Thesen, die er, anders als bei vielen seiner bisherigen Vorträge, mit einem Blick in die Vergangenheit der Buchbranche untermauerte:
  • Verleger müssten ihr Geschäft vom Produkt zum Service entwickeln, mit der Tendenz, am Ende einen Produktpreis von 0 Euro anzusetzen. Dieses Prinzip habe es schon im 17. Jahrhundert bei Lesezirkeln, der Vermietung von Zeitschriften, gegeben, einem kostenpflichtigen temporären Zugang zur Lektüre.
  • Die wohl knackigste  – und unter den Zuhörern besonders umstrittene – These: Verlage sollten Piraterie ignorieren. Es werde immer Leute („15 bis 20% der Menschen sind Arschlöcher“) geben, die kopiergeschützte Bücher knacken. Diese gezielt zu ignorieren, verschaffe den Verlegern einen besseren Schlaf und weniger Feinde. Wenn Bücher zunehmend zu Services ausgebaut würden, seien diese ohnehin nicht mehr kopierbar – und bei einem Preis von 0 Euro für das Buch an sich sei Piraterie dann nicht mehr umsatzrelevant.
  • Verlage müssten Autoren stärker in den Fokus nehmen und passende Dienste organisieren. Zentral dabei sei der Aufbau und die Pflege von Autoren-Communities. Dadurch verschwimme die Grenze zwischen Autor und Leser – am Ende würden die Kommentare mitunter so wichtig wie das Werk selbst.
  • Bücher mit zusätzlichen Inhalten schafften neue Zielgruppen, ähnlich wie das Buch „The Tale of Two Lovers“ im 15. Jahrhundert mit zahlreichen erotischen Abbildungen die Nicht-Leser angelockt hätten.
  • „Das Marketing ist tot, es lebe die Inszenierung“. Heutzutage interessiere sich keiner für Werbung und Pressemitteilungen, interessant seien aber gleichwohl Geschichten, die um Bücher und Autoren herum erzählt werden.
  • Wichtig seien in der Zukunft auch Social-Reading-Ansätze, die Verlage müssten Leserfahrungen als Service verkaufen – die Gleichzeitigkeit der Lektüre und Empfehlungen seien essentiell.

Kommentare

9 Kommentare zu "Ignoriert Piraterie jetzt auch im Video"

  1. Warum ignorieren? Kampf gegen Piraterie ist wichtig, nur soll man sich darauf konzentrieren seine Produkte zu verkaufen!

    Man bietet keine eBooks an, wenn dann zu einem überhöhten Preis obwohl kein Druck/das Buch kommt in keine Blacklist nach drei Jahren/etc. (und man soll nicht vergessen, dass die Mwst. bei Amazon und Apple- also 70% des eBook Marktes beig erade mal 3% liegt.), die Blacklist wird nur zögerlich digitalisiert usw.

    Das deutlich größere Problem ist man selber, nicht die Piraten, wenn man keine attraktiven Produkte anbietet kauft sie keiner.

    Siehe das Interview mit dem Amazon Selbstverleger- die klassischen Verlage stellen sich noch tolle Strategien auf und der Autor verkauft die ersten 100 000 Exemplare seiner Werke.

    • Es heißt übrigens Backlist – wenn ein Buch auf die Blacklist (welche auch immer) kommt, ist das eher suboptimal.

  2. Ich frage mich ganz ehrlich, was so schwer an den Grundgedanken zu verstehen ist.

    Bespiel: Netflix

    Da kostet auch das einzelne Video nichts, man bezahlt aber eine monatliche Gebühr. Sowas ist eine Möglichkeit, einen Produktpreis bei Null anzusetzen. Und es wird massenhaft genutzt.

    Oder der Musikdienst Spotify…

    Ist ja nicht so, dass das generell eine neue Idee wäre.

    Bibliotheken sind nicht dasselbe, denn dort hat man meistens unendlich lange Wartelisten, und das möchte keiner. Man will das Buch jetzt lesen, den Film jetzt sehen, die Musik jetzt hören. Nicht in 6 Wochen oder in 6 Monaten…

    Und dass „normales“ Marketing schon lange keinen mehr wirklich interessiert, ist doch auch nicht daneben gegriffen. Mit simpler Werbung wird man derart bombardiert, dass man sie zu 90% nicht mehr wahrnimmt.

    Da muss schon etwas besonders passieren, z.B. dass uns nicht verraten wird, um was es sich eigentlich handelt, für das geworben wird, mit einem cleveren Spot, der nach und nach mehr enthüllt – dann sind wir neugierig.

    Oder wenn uns ein Hersteller durch Aktionen an sein Produkt bindet. Bei einem Milchprodukte-Produzenten gab’s jüngst Schmetterlingsaufzuchtsets zu bekommen. Dafür gibt’s eine Facebookseite – und ohne viel „Tamtam“ im Fernseh-Spots wird man so bekannt, wenn Familie oder Freunde die Schmetterlinge aufziehen und immer wieder Bilder, Videos und Berichte davon bei Facebook auf jeder Seite des Herstellers posten.

    Sicher ist das auch irgendwie Marketing, aber auf eine ganz andere Art als „hey, unser Käse ist lecker, kauft das“.

    Aber leider scheint es zu vielen Leuten schwer zu fallen, mal außerhalb der eingefahrenen Bahnen zu denken. Da wird das Althergebrachte mit Klauen und Zähnen verteidigt, auch wenn es schon lange nicht mehr zeitgemäß ist und im Endeffekt nur scheitern kann.

    Für viele Probleme gäbe es durchaus innovative und moderne Lösungen, aber die müsste man eben umsetzen wollen. Und daran scheitert es dann oft, an den Kleingeistern, an den Leuten, die Angst haben, es könne sich etwas verändern, die Sorge haben, sie müssten sich vielleicht umgewöhnen.

    Einfach mal mitdenken und geistig beweglich bleiben. Dann trifft das mit der „unendlichen Blödheit“ zumindest auf ein paar Leute weniger zu.

  3. Henrik Schuetze | 20. Juni 2012 um 21:22 | Antworten

    recht hat er. ich würde oft gern nach nem Buch etwas mehr wissen über Buch und Figuren. im klassischen Buch ansatz geht das aber nicht. hoch lebe die zukunft

  4. Wo Sascha Lobo seine Thesen her hat, ist schon klar: HP, so ging es gerade durch die Presse will nicht mehr nur als Druckerproduzent bekannt sein, sondern als Serviceexperte, SAP macht schon mehr Geld mit ihrem Serice als mit Ihren Produkten. Warum sollten sich nicht auch die Verlage neu ausrichten können? Blöderweise arbeiten Autoren, Lektoren und auch die Grafik daran, die Bücher so selbsterklärend wie möglich zu machen. Was dann die Notwendigkeit des Services schmälert.

    • Henrik Schuetze | 20. Juni 2012 um 21:25 | Antworten

      ne stimmt nicht. In der Analogie wäre das Buch die Software oder der Drucker. Das muß einfach und gut sein. Eben ein gutes Buch. Den Service rund rum mit dem HP und SAP ihr Geld verdienen gibts beim Buch oft noch gar nicht. Aber genau darin liegt die Zukunft.

  5. Genau das machen doch die meisten deutschen Verlage und der Börsenverein: Piraterie ignorieren. Weiß nicht, warum man sie nochmal extra dazu auffordern muss. Wollte Lobo den Aussitzern den Rücken stärken? Das mit dem Produktpreis 0 ist natürlich ein wenig fies als Perspektive, aber gleichwohl ja längst Realität auf den – mangels pragmatischen Widerstands – lustig weiterwachsenden Piratenseiten.

    Ach ja, womit verdient Lobo eigentlich sein Geld? Doch nicht etwa mit Spiegel-Honoraren? – Wenn er jetzt tatsächlich Verleger werden will, werden wir sehen, ob er auch praktiziert, was er predigt. Freuen wir uns auch schon auf die nächste AKEP-Sitzung, wenn er dann als nächsten Knaller negative Buchpreise postuliert.

    Aber ganz ohne Ironie: Wenn das das Niveau sein soll, auf dem der AKEP mit dem Thema Piraterie umgeht, kann er sich eigentlich auch gleich auflösen.

    Im übrigen verweise ich auf meinen Beitrag http://www.buchreport.de/wordp

  6. Unfassbarer Unsinn! Lobo!

  7. Da fliegt mir doch das Blech weg! Wie heisst es so schön? Nur Intelligenz ist begrenzt – Blödheit kann unendlich sein. Ehrlich gesagt, hätte ich dem Börsenverein (hier dem Arbeitskreis elektronisches Publizieren) diesen Humor nicht zugetraut. Falls es sich bei den Thesen des „Experten“ Sascha Lobo um Ironie handelt (die nicht als solche gekennzeichnet ist) und diese von mir nicht als solche erkannt wurde – Tschuldigung, Sascha, Du hast mich reingelegt. Ja, die Fälle gibt es – ich empfehle das Buch von Alan Sokal und Jean Bricmont „Eleganter Unsinn“. Da sind ganz andere Kaliber von Leuten auf Edel-Bullshit reingefallen und um solchen handelt es sich hier in konzentrierter Reinst-Form. Die Ankündigung von Lobo, selbst einen Verlag zu gründen, stützt in gewisser Weise die Humor-These. Immerhin fand ich seine Vorschläge erheiternd. Produktpreis = 0 „A nice piece of thinking“ – so würde es Scotty von der Enterpreise ausdrücken. Für den Einstieg in die folgende Logik schon mal nicht übel. Zwingend folgt daraus, dass danach die Piraterie erledigt ist. Ich meine, für weniger als 0 bieten auch die Piraten nichts an. Das ist schon ein harter Schlag gegen die Internet-Unterwelt! Vielleicht sollte ich mir mal schon die Domain Amazero reservieren? Ja, Verleger werden dann (fast zwangsläufig) zu Service-Anbietern. Nach dem Bankrott des Verlags und ihrer darauf folgenden Arbeitslosigkeit, können sie ja beim Strassenreinigungs-Service oder als Tüten-Einpacker im Supermarkt anfangen. Deutschland ist ja eine Service-Wüste – da brauchen wir Personal. Warum nicht Ex-Verleger (naja, Lektoren gingen dafür auch, Buchhändler, …). Bei der 1. These muss ich Sascha L. leider etwas korrigieren: Lesezirkel gibt es nicht erst seit dem 17. Jahrhundert. Unter dem wissenschaftlichen Namen „Bibliothek“ findet man im Internet Organisationen, die Bücher (temporär) an sog. Leser abgeben – und dafür kein Geld verlangen. Und diese sog. Bibliotheken gibt es schon etwas länger. Aber das tut der mentalen Glanzleistung keinerlei Abbruch, denn kostenlose Bibliotheken passen sehr gut zu 0-Preisen der Produkte. Das ist doch in sich stimmig! Die These 2 folgt geradezu zwingend aus der 1. – Nix Preis = Nix Piraterie = Gesunder Schlaf beim Verleger! Bei dieser Logik muss man doch weinen. ENDLICH, nach langen Diskussionen, Umsatzeinbussen in Buchgeschäft und dem ganzen Ärger mit der Piraten-Partei, kommt ER, der Buch-Messias und löst diese Probleme auf einen Schlag. Halleluja! Preiset das Genie! Und eine weitere Wahrheit: 15-20% der Menschen sind Arschlöcher! Endlich kommt die Zahl mal ans Tageslicht. Bei der Gelegenheit würde ich auch gleich den Verkehrsbetrieben vorschlagen, die Tickets für 0 anzubieten. Ja, damit ist das Problem „Schwarzfahren“ sofort gelöst. Man kann vor der Grösse der Gedanken nur in Ehrfurcht erstarren – so werden die Probleme der Welt gelöst. Wenn es dann Benzin und Strom auch für 0 gibt und dann die Öl- und Energie-Konzerne pleitegehen, ja dann ist bald auch das Problem des CO2 Ausstosses gelöst und das Klima der Erde wird gerettet. Danke Sascha! Du unser Retter. Wer denkt, dass damit die Segnungen der 0-Preis Politik schon am Ende wären – falsch gedacht. Durch den Wegfall von Öl und Energie, fällt auch der Verkehr flach. Leuten gehen dann wieder zu Fuss. Endlich wird das Übergewicht in unserem Volk abgebaut. Wir leben länger und gesünder, die Kosten der Krankenkassen kann man dann auch bei 0 ansetzen. Auch in der 3. These zeigt Sascha wieder, wozu das Organ im Raum zwischen seinen beiden Ohren und unterhalb des Hahnenkammes gut ist. Er löst den Widerspruch zwischen Autor und Leser. Der Kommentar über das Buch ist das Buch. Endlich ist das Henne-Ei-Paradoxon gelöst. Buch und Kommentare entstehen zeitgleich (vermutlich in einem Urknall). Die Schriftsteller werden von dieser Idee begeistert sein. Endlich verstehen sie ihre eigenen Werke, indem der Leser diese für sie interpretiert. Nach der Erleuchtung durch die Leser werden die Autoren ihr Werk ja neu schreiben, wonach es wieder kommentiert wird. Microsoft nennt das „Update“. Für die letzten 3 Thesen ist mein Geist leider zu schwach. Wen wundert es, denn mit solchen Mental-Titanen kann ja kein Durchschnittshirn konkurrieren. So bleibt es meinem Verstand verschlossen, wie aus dem Werk die „Inszenierung“ des Autors und seines Schreibprozesses wird. Auch die Empfehlung, dass Verlage statt der Bücher nun Leseerfahrung verkaufen (auch für 0?) zeigt zumindest den Verlegern eine lichte Zukunft. Es ist die Gleichzeitigkeit, die Lesen und Empfehlungen bestimmt. Leider bin ich da wohl etwas minderbemittelt, denn bei mir kommt erst das Lesen und dann die Empfehlung. Ja, die Synchronität von beiden ist wohl ein essentieller Faktor für das 0-Euro Geschäft. Label: Ende der Ironie (gekennzeichnet nach DIN) Das Sascha L. so etwas absondert, wen wundert es? Viel spannender ist doch die Frage, wie tief der Börsenverein des Deutschen Buchhandels noch sinken kann, wenn er solche Redner einlädt. Um noch einmal auf die Enterprise zurückzukommen; „Beam me up, Scotty! There is no intelligent life on this planet.“

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