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Traum vom bezahlbaren Endkundenmarketing

Der Unternehmensberater Ehrhardt F. Heinold (Foto), Geschäftsführer bei Heinold, Spiller & Partner, kommentiert die Herausforderungen der Verlage im Web 2.0.

Die Web 2.0-Welle hat die gesamte Medienbranche mit voller Wucht erfasst. Vor allem die klassischen Massenmedien wie Musik, Fernsehen oder Radio stehen vor der Herausforderung, sich mit neuen Wettbewerbern auseinanderzusetzen, die ganz anders arbeiten. Wenn aus Konsumenten Produzenten werden, wenn, um nur ein Beispiel zu nennen, aus einer unübersichtlichen Ansammlung von Filmschnipseln die reichweitenstärksten Videoportale entstehen, müssen sich die bisherigen Medienanbieter ihr Angebot, mehr noch, ihre Unternehmensphilosophie überdenken und ändern.

Von diesem Wandlungsprozess sind auch Verlage betroffen, vor allem, wenn Sie Zeitungen und Zeitschriften verlegen: Für die Jugendlichen ist das Internet längst das Leitmedium, junge Abonnenten sind bei Tageszeitungen zu einer gesuchten Randgruppe geworden, denn: Nachrichten und Bereichte stehen oft im Internet kostenlos in vielen Variationen zur Verfügung.

Das Buch, so scheint es, behält dagegen eine erstaunlich stabile Position. Bücher erweisen sich in vielen Fällen als nicht so substituierbar wie eine Zeitschrift. Doch auch dieses Medium, so zeigen Auswertungen der GFK, „altert“: So finden Ratgeber oder Bildbände verstärkt Absatz bei den Älteren, wohingegen die jüngeren sich verstärkt über das Internet informieren.

Die Ratgeberverlage haben diese Entwicklung längst erkannt und sind dabei, Antworten auf diese Entwicklungen zu finden. Das Thema Digitalisierung – von Communities bis hin zu E-Books – steht bei der nächsten Jahrestagung des Arbeitskreises Ratgeberverlage im Mittelpunkt (mehr zum Programm hier als PDF).

Verallgemeinernd lässt sich feststellen: Jene Verlage, die vorwiegend von der Aufbereitung und Vermarktung von Wissen leben, sind im Kern ihres Geschäftsmodells betroffen und zum Handeln gezwungen. Das betrifft nicht nur Fachverlage, sondern auch, wie das Beispiel Brockhaus zeigt, auch Publikumsverlage.

Die Belletristikverlage sind nicht so sehr mit Substitutionsgefahren konfrontiert. Aber auch sie erkennen vermehrt die Chancen von Web 2.0: Lesercommunities (v.a. zu Bestsellern oder Themenbereichen) , Autorenblogs, Pod- und Videocasts von Autorenlesungen, oder sogar Ansätze zum gemeinsamen Schreiben von Büchern (Beispiel aus dem Jugendbuchbereich: hierschreibenwir.de) bieten eine einmalige Chance, direkt mit den Lesern in Kontakt zu kommen. Bezahlbares Endkundenmarketing – dieser für die meisten Verlage bisher unerfüllbare Traum ist durch Web 20 ein Stück Realität geworden.

Insgesamt gilt: Immer mehr Verlage erkennen die Chancen und beginnen, Projekte aufzusetzen. Jede Woche werden neue Angebote gelauncht. Dennoch bleibt festzustellen: Viele Verlage zögern noch oder setzen Ideen nur halbherzig und auf Sparflamme um. Sie trauen den neuen Möglichkeiten noch nicht und halten an alten Verhaltens- und Denkweisen fest; die (zumeist unberechtigte oder auch kurzsichtige) Angst vor der Kannibalisierung der Printprodukte verhindert große Ansätze. Oft ist das innerhalb der Verlage auch ein Altersphänomen: Die jungen Mitarbeiter würden schon gerne, aber die Führungsebene verlangt für Investitionen sich nach traditionellen Mustern rechnende Businesspläne. Welches Internetunternehmen hätte einen solchen Plan beim Start vorlegen können, ohne dass ein gestandener Controller diesen zerpflückt hätte? Google, Abay, Amazon, MySpace, Youtube, StudiVZ?

Das Internet hat sich durch Web 2.0 endgültig sich zu der zentralen Kommunikations-, Informations-, Unterhaltungs- und Handelsplattform entwickelt, ohne die kein Verlag mehr seine Zukunft planen kann. Die Zeit zum Handeln ist gekommen, auch wenn die (wirtschaftlichen) Ergebnisse sich nicht sofort einstellen werden. Experimentierwille und Durchhaltevermögen, Kreativität und Innovationskraft sind Eigenschaften, die viele Verlage in ihrem klassischen Geschäft zeigen – sie sollten dies auch auf die neue Welt der Internet übertragen, damit sie in der modernen Medienwelt weiterhin eine führende Rolle einnehmen können.

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