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»Mehr Frauen in die Chefsessel«

NadjaRadojevic_ErichPommerInstitut

Nadja Radojevic, Erich Pommer Institut

In der Buchbranche wie in der gesamten Medienbranche sind Frauen selten in Führungspositionen. Ursachen und Gegenmaßnahmen erläutert Nadja Radojevic vom Potsdamer Erich Pommer Institut im Interview für den HR-Channel. Sie will die Karrierechancen von Frauen mit einem neuen Führungskräfte-Programm fördern.

Der Frauenanteil in der Medienbranche ist hoch – auch in den Führungspositionen?

Es gibt relativ wenige belastbare Zahlen für die gesamte Branche. Laut einer europäischen Studie, die auch den deutschen Markt untersucht hat, ist weibliches Führungspersonal mit einem Anteil von 22% stark unterrepräsentiert und das in einer Branche, in der sehr viele Frauen arbeiten. Je höher man in der Hierarchie geht, desto weniger Frauen sind vertreten.

Woran hapert es? 

Es gibt nicht die eine Ursache, sondern es spielen persönliche, betriebliche und gesellschaftliche Faktoren zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Auf der persönlichen Ebene kann man nach wie vor konstatieren, dass Frauen im beruflichen Umfeld zurückhaltender sind, sich weniger zutrauen und sich bietende Möglichkeiten zum Karriereaufstieg nicht unbedingt ergreifen. Sie nehmen eine höhere Position nur an, wenn sie zu 100% davon überzeugt sind, dass sie die nötigen Qualifikationen haben, während es den Männern Studien zufolge reicht, wenn sie nur über 70 bis 80% der Fähigkeiten verfügen und den Rest dann im Job lernen.

Auf der betrieblichen Ebene formulieren die Unternehmen z.B. Stellenbeschreibungen häufig unbewusst so, dass viele Frauen – die ja nach wie vor den Hauptanteil der Familienarbeit leisten – abgeschreckt werden. Etwa durch eine Verpflichtung, Vollzeit zu arbeiten oder viele Überstunden in Kauf zu nehmen. Häufig fehlt es an Möglichkeiten, in Führungspositionen in Teilzeit zu arbeiten. Es herrscht eine starke Präsenzpflicht und wenig Flexibilität. Dies ist ein Aspekt, der den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen erschwert.

Gesellschaftlich betrachtet werden die klassischen Merkmale von Führungspersönlichkeiten wie Zielstrebigkeit oder Durchsetzungskraft eher Männern zugeschrieben. Das ist völlig klischeehaft und entspricht nicht zwangsläufig den Realitäten. Wenn es mehr erfolgreiche Frauen gibt, ändern sich die Rollenbilder und Frauen in Führungspositionen werden selbstverständlich.

Um in Klischees zu bleiben: Was können Frauen besser als Männer?

Ich finde es insgesamt schwierig, in Klischees zu verfallen. Ich glaube, dass es sehr viele sehr fähige und gute Frauen in ihrem Job gibt und wir schauen müssen, wie wir dieses Potenzial der Frauen für die Unternehmen nutzbar machen können.

Wie können Frauen ihre Karrierechancen steigern?

Frauen sollten strategischer an die Karriereplanung herangehen und Chancen, die sich anbieten, ergreifen. Sie sollten aber auch ganz klar das eigene Profil schärfen, sich Ziele setzen und überlegen, was die nötigen Schritte sind, um dorthin zu gelangen.

Was können Personalverantwortliche tun?

Wichtig ist erst einmal eine Sensibilisierung für das Thema. Gerade bei größeren Unternehmen, wo der Überblick über die Geschlechterverteilung nicht offensichtlich ist, sollten zunächst Zahlen erhoben werden: Wer arbeitet auf welchen Ebenen? Welche Unterschiede gibt es bei den Gehältern zwischen Männern und Frauen, die sich nicht über die Länge der Firmenzugehörigkeit oder die Ausbildung oder die Tätigkeit begründen lassen? Dann sollte analysiert werden, welche Hürden oder Hemmnisse die Bewerbung bzw. den Aufstieg von Frauen verhindern.

Muss die Medienbranche familienfreundlicher werden? 

Die Medienbranche hat nicht unbedingt den Ruf, sonderlich familienfreundlich zu sein. Es gibt viele Freiberufler, aber auch Angestellte müssen häufig unbezahlte Überstunden leisten und sehr viel Flexibilität mitbringen. Ich glaube, dass sich in der Medienbranche noch viel tun muss und solche Programme wie Sparkx ein erster Schritt sind, vermeintlich unveränderliche Strukturen nach und nach aufzulösen, beispielsweise Arbeitszeiten flexibler zu gestalten und Homeoffice zu ermöglichen – auch in Führungspositionen. Es gibt viele Möglichkeiten, die natürlich nicht nur Frauen zugute kommen sollen, sondern auch Männern, um eine gleichberechtigte Aufteilung der Familienarbeit zu ermöglichen. 

Wo setzen Sie mit dem Leadership-Programm an?  

Zum einen möchten wir Frauen aus dem mittleren Management weiterbilden, sie mit den nötigen Führungs-Skills ausstatten. Dabei geht es um Themen wie: Was ist mein Profil? Wo will ich hin? Welche Werte sind mir wichtig? Unserer Ansicht nach ist es ein extrem wichtiger Motor, die eigenen Werte zu kennen und auch ganz gezielt einzusetzen. Es geht darum, authentisch zu sein und mit der eigenen Persönlichkeit zu überzeugen. Ein anderer Aspekt sind klassische Leadership-Strategien: Wie führe ich? Wie motiviere ich Teams? Aber auch: Wie präsentiere ich mich? Wie trete ich auf? Wie verhandele ich bestmöglich? Denn ein Grund, weshalb Frauen weniger verdienen als Männer, ist auch, dass sie nicht so hart verhandeln. Flankiert werden die drei Workshops von Einzelcoachings, um einzelne Karrierethemen und Strategien zu vertiefen.

Eine Besonderheit des Programms ist, dass die teilnehmenden Medienunternehmen nicht nur die Frauen aus dem mittleren Management entsenden, sondern auch eine/n Personalverantwortliche/n. In einem zweitätigen Workshop für die Personalverantwortlichen geht es um modernes Gleichstellungsmanagement sowie Konzepte und Best Practices im Bereich Recruiting, Talent Management und Führungskräfteentwicklung. Relevante Themen können anschließend in Einzelberatungen in die Unternehmen übertragen werden.  

Sind die Unternehmen wirklich bereit, mehr in Frauen zu investieren?

Der Bewerbungsprozess zu unserem Leadership-Programm läuft noch bis zum 28. April, aber wir haben in der Konzeptionsphase mit vielen Unternehmen gesprochen, die durchaus bereit sind, Geld in die Hand zu nehmen und  ihre Mitarbeiterinnen freizustellen. Ich glaube, es ist an der Zeit, das schlummernde weibliche Potential zu erkennen und zu entfalten.

Bei Programmen wie Sparkx geht es selbstverständlich um die Förderung von Frauen, aber gleichzeitig auch darum, Unternehmen zukunftssicher zu machen – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Es gibt diverse Studien, die zeigen, dass Unternehmen, die von gemischten Teams geführt werden, deutlich besser performen und auch flexibler und innovativer auf die stetigen Veränderungen unserer Zeit reagieren. Von mehr Frauen in den Chefsesseln profitieren also letztlich alle Beteiligten.

Nadja Radojevic
hat als Geschäftsführerin des Erich Pommer Instituts in Potsdam „Sparkx – Das Leadership-Programm für Frauen in Medienunternehmen“ ins Leben gerufen, mit dem die Aufstiegs- und Karrierechancen von Frauen im mittleren Management von Medienunternehmen nachhaltig verbessert werden sollen. Das Projekt wird gefördert im Rahmen der ESF-Sozialpartnerrichtlinie „Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds (ESF). Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 28. April 2017. Weitere Informationen unter www.epi.media/sparkx. 

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