buchreport

Herausforderung: In der offenen Welt mithalten

Der Oekom Verlag – kurz für Ökologische Kommunikation – pflegt seit jeher ein klares Profil: Seit seiner Gründung 1989 dreht sich alles um Ökologie und Nachhaltigkeit. Unter diesem programmatischen Dach gibt es ein breites Portfolio mit Publikumsmedien einerseits und Fach- und wissenschaftlicher Literatur andererseits. Die einzelnen Verlagsbereiche sind dabei durch das gemeinsame publizistische Thema verbunden, haben ansonsten aber grundlegend unterschiedliche Herausforderungen.

Ulrike Sehy leitet die Fachzeitschriften. Sie treibt vor allem die Sichtbarkeit der Produkte und die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle um. Ein erster Schritt, dem Wissenschaftsprogramm mehr Aufmerksamkeit und Profil zu verschaffen, liegt darin, es künftig stärker getrennt von den Publikumsangeboten zu präsentieren. Starten soll der Verlagszweig oekom science im Frühjahr.

Zu Sehys Themen gehört auch die für kleine Verlage große Aufgabe, im internationalen und von großen Anbietern dominierten Wissenschaftsmarkt Sichtbarkeit zu schaffen. Oekom hat deshalb die Chance genutzt, seine Open-Access-Zeitschriften im „Journal Comparison Service“ (JCS) zu hinterlegen. Mit diesem will die hinter dem Open-Access-Aktionsplan „Plan S“ stehende Coalition S angesichts des wachsenden Open-Access-Markts für Einrichtungen und Autoren mehr Überblick bei den Dienstleistungen und Preisen der Verlage schaffen.

Was sie sich davon erhofft und was Herausforderungen kleiner Anbieter wie Oekom sind, erklärt Ulrike Sehy im Interview.

Ulrike Sehy (Foto: Oekom)

Ulrike Sehy (Foto: Oekom)

»Als kleiner Verlag müssen wir uns auf andere Stärken konzentrieren als die großen Konzerne, die Plattformen und Metriken entwickeln.«

Wieso haben Sie Ihre OA-Zeitschriften im Plan S-Register „Journal Comparison Service“ gelistet?

Der Journal Comparison Service zielt auf Transparenz bei der Verwendung von öffentlichen Mitteln. Bibliotheken und Forschungsförderer wollen wissen, für welche Leistungen sie Geld bezahlen: für Veröffentlichungsgebühren, für Read-&-Publish-Vereinbarungen etc. Als Verlag, der sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat, auch der sozialen, unterstützen wir diesen Wunsch nach Transparenz und die Idee, einen zentralen, nicht-kommerziellen Ort zu schaffen, an dem Informationen vergleichbar dargestellt und abgerufen werden können.

Springer Nature hat abgewunken mit dem Verweis, dass man die Services und Preise ja bei sich auf der Homepage einsehen könne.

Große Verlage wie Springer Nature oder Elsevier kennt jeder im Markt, da geht man in der Tat einfach auf deren Seiten, um sich zu informieren – bekommt aber auch nur die Informationen, die die Verlage herausgeben wollen. Wir als kleiner Verlag können zentrale Plattformen auch nutzen, um mehr Sichtbarkeit zu erlangen. Beim „Journal Comparison Service“ etwa sind wir neben Copernicus derzeit als einziger deutscher Verlag gelistet. Weitere wichtige Plattformen im Open-Access-Bereich sind beispielsweise auch Sherpa Romeo, eine Datenbank, die Open-Access-Richtlinien von Verlagen bündelt, und DOAJ, das Directory of Open Access Journals.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen bei Open Access?

Wir haben aktuell die reichlich absurde Situation, dass über Transformationsverträge mit großen Verlagen im Rahmen von Plan S oder dem deutschen „Deal“ wichtige Ziele der Open-Access-Bewegung nicht erreicht wurden. Erstens ist es nicht gelungen, die Marktmacht der Konzerne einzudämmen, man hat sie im Gegenteil mit diesen Verträgen sogar gestärkt. Und zweitens wird auch die Transformation zu Open Access nicht in dem gewünschten Tempo und Umfang vorangetrieben. Für Angehörige der Institutionen, die Transformationsverträge haben, sind die betroffenen Inhalte frei verfügbar – für alle anderen bleibt der Großteil weiterhin hinter einer Bezahlschranke. Zudem gibt es bei den Transformationsverträgen keine bindenden Fristen für die komplette Umstellung auf Open Access.

Auf Seite der Forschungseinrichtungen ist zudem die Kostenverteilung ein Problem, weil bei denjenigen mit hohem Publikationsaufkommen die Budgets explodieren. Für die Forschenden an den Institutionen selbst sind die Deals dagegen sehr attraktiv: Sie haben Lesezugriff und können Open Access veröffentlichen, ohne sich um die Verwaltungsarbeit kümmern zu müssen. Das ist ein massiver Wettbewerbsnachteil, der hier für kleinere und mittlere Verlage produziert worden ist. Die Autor:innen fragen mittlerweile auch bei uns nach solchen Optionen – weil sie nicht wissen, dass wir, wie die meisten anderen Verlage auch, nicht eingebunden wurden.

»Wir haben aktuell die reichlich absurde Situation, dass über Transformationsverträge mit großen Verlagen im Rahmen von Plan S oder dem deutschen „Deal“ wichtige Ziele der Open-Access-Bewegung nicht erreicht wurden.«

Wie wollen Sie perspektivisch mithalten?

Wir haben durch unsere jahrzehntelange inhaltliche Spezialisierung den Vorteil von Communitys, die uns schätzen, und Autor:innen, die sich bewusst für uns entscheiden. Als kleiner Verlag müssen wir uns auf andere Stärken konzentrieren als die großen Konzerne, die Plattformen und Metriken entwickeln oder wie Wiley jetzt auch Dienstleistungen rund ums Publizieren anbieten. Das ist das Geschäft der Großen, und das ist auch gut, weil es die Branche insgesamt voranbringt. Wir dagegen wollen und können mit anderen Aspekten punkten: Qualität nicht nur beim Inhalt, sondern auch in der Herstellung, nachhal­tige Produktion, gewissenhaftes peer review und redaktionelle Bearbeitung sowie indi­viduelle Herangehensweisen und die persönliche Betreuung unserer Herausgeber:innen und Autor:innen. Das gibt es längst nicht mehr überall und das müssen wir in der Kommunikation besser herausstellen.

Sie haben sowohl Abonnement-, als auch verschiedene OA-Modelle. Wie nachhaltig sind diese?

Die Vielfalt der Geschäftsmodelle hat wie überall historische Gründe. Als Verlag unterstützen wir Open Access ideell, und haben uns auch schon relativ früh damit beschäftigt. Aber natürlich muss das Geschäftsmodell auch funktionieren und da müssen wir uns jede Zeitschrift einzeln anschauen und mit den herausgebenden Institutionen ausloten, was geht. Die Leistungen müssen von irgendwem bezahlt werden. Wir haben zum Glück bereits Herausgeber, die es uns ermöglichen, Zeitschriften im Diamond Open Access – also ohne Publikationsgebühren – anzubieten. Perspektivisch sollen alle unsere wissenschaftlichen Zeitschriften vollständig Open Access erscheinen.

Ein Modell, das wir uns zum Beispiel genauer anschauen wollen, ist Subscribe to Open, das mir sehr sympathisch ist. In diesem Modell ermöglichen die Institutionen mit ihrem Abonnement den offenen Zugang für alle sowie das gebührenfreie Open Access-Publizieren für Autorinnen und Autoren. Das Modell ist einfach handhabbar und erlaubt ein schnelles Umstellen auf Open Access, birgt aber auch Risiken. Da werden wir schauen müssen, ob und wo dieses Modell für uns funktionieren kann und vor allem, wie groß die Akzeptanz bei den Institutionen ist, die durch ihre Subskription dafür sorgen, dass die Publikation für alle frei zugänglich wird. 

Text und Interview: Lena Scherer

buchreport.magazin 2/2023 mit dem Schwerpunkt Fachinformation

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im buchreport.magazin 2/2023.

Kommentare

Kommentar hinterlassen zu "Herausforderung: In der offenen Welt mithalten"

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten elektronisch gespeichert werden. Diese Einverständniserklärung können Sie jederzeit gegenüber der Harenberg Kommunikation Verlags- und Medien-GmbH & Co. KG widerrufen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutz-Richtlinien

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*