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Was erfolgreiche Verlage von anderen unterscheidet

Aljoscha Walser ist Geschäftsführer von Narses, einem auf Medien und Medienzulieferindustrie spezialisierten Beratungsunternehmen mit Fokus auf IT-Fragen. (Foto: Gudrun-Holde Ortner)

Erfolgsmerkmale für Verlage sind ebenso unterschiedlich wie die Perspektiven, mit denen man auf einen Verlag blickt. Lieferanten, Gesellschafter, Geschäftsführer, Mitarbeiter, Aktionäre, Banken, Wettbewerber, Kunden − alle haben eine sehr unterschiedliche Sicht und entsprechend auch eine unterschiedliche Bewertung des Faktors „Erfolg“.

Da viele dieser Faktoren subjektiv oder für Außenstehende nicht zu überprüfen sind, haben wir die Umsatzentwicklung als zentralen Maßstab für den Erfolg eines Unternehmens gewählt. Nimmt man den Umsatz als Maßstab, gilt:

  • Unternehmen, die über den Zeitraum von 4 Jahren wachsen, sind erfolgreicher als jene, denen das nicht gelingt.
  • Verlage, die kontinuierlich jedes Jahr wachsen, machen etwas besser als jene Verlage, die kontinuierliche Umsatzverluste zu verzeichnen haben.

Im Fokus unserer Untersuchung stand die Frage, ob und wie die Führungsorga­nisation – also die Zusammensetzung von Geschäftsführung/Vorstand und ggf. vorhandene Aufsichtsgremien – mit dem Erfolg oder Misserfolg von Verlagen korreliert. Untersucht wurden mehr als 100 Verlage, und zwar die größten Unternehmen der insgesamt mittelständisch geprägten Buchbranche (s. Kasten zur Methodik am Ende des Artikels).

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Erkenntnisse zur Umsatzstruktur

In unserem Untersuchungszeitraum von 2012 nach 2015 ist rund die Hälfte der Verlage gewachsen, die andere Hälfte hat stagniert oder hat sogar Umsatz verloren:

  • 24% der Verlage konnten kontinuierlich jedes Jahr wachsen.
  • 13% der Verlage sind in jedem Jahr geschrumpft.

Bei vielen der verbleibenden Verlage, die wir als „umkämpfte Mitte“ bezeichnen, lässt sich keine kontinuierliche, sondern nur eine relative Entwicklung beobachten: Sie haben im Vergleich von 2012 zu 2015 Umsatz gewonnen oder verloren, hatten aber in einzelnen Jahren Ausreißer in die entgegengesetzte Richtung. So sind 27% der Verlage relativ gewachsen und 33% nur relativ geschrumpft (s. Abb. 1).

Erkenntnisse zur Organisationsstruktur

Die Geschäftsführungen der branchengrößten Verlage weisen folgende Merkmale auf:

  • Rund ein Drittel der untersuchten Verlage hat nur einen Geschäftsführer oder Vorstand. Unter diesen Alleinverantwortlichen beträgt der Frauenanteil knapp 17%.
  • Der Anteil der Frauen an allen 251 Geschäftsführungspositionen der Studie beträgt 18%.
  • Bei Verlagen mit kollektiver Geschäftsführung (2 Personen und mehr) sind knapp 43% heterogen besetzt, d.h. es sind Männer und Frauen an der Unternehmensspitze.

Ein Aufsichtsgremium in Form eines Aufsichtsrats, eines Beirats oder eines Verwaltungsrats konnten wir bei gut 27% der untersuchten Verlage identifizieren.

 

Welche Rolle spielt die Zusammensetzung der Geschäftsführung?

Bei wachsenden Verlagen sind Alleingeschäftsführungen mit 58% deutlich häufiger vertreten als bei schrumpfenden Verlagen (36%). Bemerkenswert ist: Als besonders erfolgreich erweisen sich alleingeschäftsführende Frauen. Während rund 40% aller männlichen Alleingeschäftsführer einen schrumpfenden Verlag leiten, ist das bei nur 17% der alleingeschäftsführenden Frauen der Fall.

Dazu passt ein anderer Befund:

  • Bei Verlagen mit kollektiven Geschäftsführungen schrumpft die Mehrzahl (55%) der Verlage mit homogen besetzten Teams.
  • Verlage mit heterogen besetzten Geschäftsführungen wachsen hingegen mehrheitlich (53%).

 

Der Einflussfaktor Aufsichtsgremium

Von den Verlagen mit Aufsichtsgremium sind 62% gewachsen und 38% geschrumpft. Der Anteil der gewachsenen Verlage liegt hier um 15 Prozentpunkte höher als in der Gruppe der Verlage ohne Gremium.

Auch bei einem Blick auf die verschiedenen Arten von Wachstum und Schrumpfung (s. Abb. 2 auf S. 31) sticht vor allem das Aufsichtsgremium als Merkmal heraus:

  • Nur 10% der Verlage, die kontinuierlich schrumpfen, haben überhaupt ein Aufsichtsgremium.
  • Bei kontinuierlich wachsenden Unternehmen liegt die Aufsichtsquote hingegen bei 31%.

Das Bild in der umkämpften Mitte ist ähnlich: Während 35% der relativ schrumpfenden Verlage ohne Aufsichtsgremium agieren, ist dies nur bei 26% der relativ wachsenden Verlage der Buchbranche der Fall.

Risikominimierung durch Aufsichtsgremien: Von den Verlagen mit Aufsichtsgremium sind 62% gewachsen und 38% geschrumpft. Der Anteil der gewachsenen Verlage liegt hier um 15 Prozentpunkte höher als in der Gruppe der Verlage ohne Gremium. Gremien sind Aufsichtsräte, Beiräte oder Verwaltungsräte.

Der Erfolg der Verlage mit Aufsichtsgremium scheint darüber hinaus in besonderer Weise auch durch die Zusammensetzung des Gremiums (gemischt oder homogen in Bezug auf das Geschlecht) beeinflusst zu werden.

 

»Frauen sind gut fürs Geschäft«

Aljoscha Walser hat Kennzahlen und Strukturen statistisch ausgewertet

Was war der Anlass für Ihre Untersuchung?

Auf der Suche nach Benchmarks für unsere Kunden sind wir auf eine Studie der Credit Suisse gestoßen, die nachweist, dass sich die Zusammensetzung von Management und Aufsichtsgremien auf den wirtschaftlichen Erfolg von börsennotierten Unternehmen auswirkt. Das hat uns dazu inspiriert, die Buchbranche unter diesem Aspekt zu untersuchen.

Was war die wichtigste Erkenntnis?

Was uns wirklich überrascht, ist, dass wir in den Geschäftsführungen der Buchbranche eine Männerquote verwirklicht sehen. Während nur 6% aller Verlage keinen Mann in der Geschäftsführung haben, sind in 66% aller Geschäftsführungen keine Frauen ver­treten. Abgesehen davon, dass wir das schon aus Gerechtigkeitsgründen für falsch halten, ist das auch ökonomisch schädlich. Ob als Alleingeschäftsführerin, Co-Geschäftsführerin oder als Mitglied eines Aufsichtsgremiums − unsere Daten belegen, dass Frauen gut fürs Geschäft sind. Und: Nach meiner Auffassung wären mehr Frauen in der Führung noch besser fürs Geschäft.

Welche Empfehlungen zur Zusammensetzung von Geschäftsführungen lassen sich aus den Daten ableiten?

Basierend auf unseren Daten, kann man nur wenige allgemeine Empfehlungen geben. Man muss immer auch den Einzelfall betrachten. So würden wir nicht pauschal empfehlen, statt eines Alleingeschäftsführers eine Kollektivgeschäftsführung einzusetzen. Aber wenn ein Alleingeschäftsführer ein Unternehmen leitet, das dauerhaft nicht wächst und man sich keinen Zuwachs in der Geschäftsführung leisten kann, legen die Daten den Austausch des Mannes durch eine Geschäftsführerin nahe. Verlage mit Allein-Geschäftsführerinnen, die kontinuierlich schrumpfen, gibt es unter den 106 untersuchten Top-Verlagen nicht. Wenn man eine mehrköpfige Geschäftsführung hat, dann ist ein gemischtes Team grundsätzlich einem homogenen vorzuziehen.

Ein Beirat ist ebenfalls eine ökonomisch sinnvolle Einrichtung, wenn er richtig besetzt ist. Aus unseren Daten lässt sich ablesen, dass die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien von besonderer Bedeutung ist. Diese Erkenntnis für die Buchbranche deckt sich mit dem branchenübergreifenden Befund der Credit-Suisse-Studie.

Zur Methodik

Grundgesamtheit: Die 106 größten Buchverlage (Literatur, Sachbuch, Fachinformation, Bildung) in D/A/CH. Quellen:

  • Umsätze 2012, 2013, 2014, 2015 aus dem buchreport-Ranking „100 größte Verlage“ sowie ergänzend eigene Recherchen
  • Zusammensetzung der Geschäftsführung oder des Vorstandes: eigene Recherchen, Stand 1/2017
  • Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräte: eigene Recherchen und Erhebungen, Stand 1/2017

Aljoscha Walser
aljoscha.walser@narses.de

Detaillierte Auswertungen mit individuellen Empfehlungen, auch zur Implementierung und Zusammensetzung von Gremien, stellt Narses seinen Kunden zur Verfügung.

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