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Ehrhardt F. Heinold: Auf welche Messe fahren wir?

Ehrhardt F. Heinold: Auf welche Messe fahren wir?

In Vorbereitung auf die Buchmesse möchte ich mir ein paar grundsätzliche Gedanken zu unserer „Branche“ machen. Die einfache Ausgangsfrage lautet: Findet in Frankfurt Mitte Oktober die Buchmesse statt? Komische Frage, natürlich doch – die Buchmesse, die wir kennen und schätzen. Aber Sie ahnen schon, worauf die Frage hinausläuft: Das Buch steht zwar noch im Mittelpunkt der Messe, es geht jedoch schon lange um mehr.

Nicht mehr ein Medium prägt die Verlagsbranche, sondern Inhalte, die auf alle Medien ausgespielt werden. Fahren wir also zu einer Contentmesse? Selbst diese Definition scheint mittlerweile zu eng: Wenn Verlage zunehmend Apps erstellen, Fachverlage Kongresse veranstalten oder digitale Arbeitsplatzlösungen vermarkten und Schulbuchverlage ganze E-Learning-Infrastrukturen entwickeln – mehr noch, wenn Kinderbuchverlage Charakterwelten von der Puppe bis zum Schulranzen erstellen – dann sind wir weit weg vom Thema Content.

All das geschieht in Frankfurt: Inhalte dienen immer mehr als Basis für eine Vielfalt von weiteren Angeboten, Medienmarken sind dabei der Ausgangspunkt (siehe die Story Drive-Konferenz). Auf welche Messe also fahren wir? Oder, übergreifend gefragt: In welcher Branche arbeiten wir?

Die beiden Geschäftsmodelltypen von Verlagen

Im Verlagsbereich lassen sich zwei Geschäftsmodelltypen unterscheiden:

Das traditionelle Modell orientiert sich an Produktformen wie Büchern oder Zeitschriften. Die Produkte können sich dabei an unterschiedliche Zielgruppen wenden. Das funktionierte aus zwei Gründen:

  • Die Wertschöpfungskette bei der Erstellung des gleichen Medienprodukts war so ähnlich, dass sich ein Verlag sehr gut um einen solchen Prozess herum organisieren ließ – also ein Lektorat, eine Herstellung, eine Marketing – und eine Vertriebsabteilung konnten für unterschiedliche Zielgruppen arbeiten.
  • Die große Klammer war zudem der Vertriebsweg Buchhandel, der letztlich den Zugang zu den verschiedenen Zielgruppen bot. Allerdings: Wollten Verlage unterschiedliche Zielgruppen nicht nur über den Buchhandel, sondern auch über Direktansprache erreichen, stieß dieses Modell schnell an seine Grenzen.

Fachverlage, aber auch Special Interest Verlage, entwickelten deshalb das Zielgruppenmodell: Ihnen wurde klar, dass nicht eine Produktform im Mittelpunkt ihres Handels stehen sollte, sondern die Bedürfnisse von definierten Zielgruppen. Ursprünglich bildeten (und bilden) auch hier Medien, und damit Inhalte, den Kern, doch das Nachdenken über den Kundennutzen führte bereits in der Printwelt zu einem diversifizierten Produktportfolio und zu unterschiedlichsten Formen der Inhalteaufbereitung. Das Produktspektrum blättert sich ständig weiter auf, zentral sind fünf Grundbedarfe: Unterhalten, Wissen, Lernen, Arbeiten (also Tools) und Vernetzen.

Mittlerweile wird dieses Modell auch von „klassischen“ Buchverlagen adaptiert, wie das Beispiel Kinderbuchverlag zeigt, der die Zielgruppenorientierung schon im Titel trägt. Moderne Kinderbuchverlage publizieren Medien in allen Formen und Formaten bis hin zum Film (oder lizenzieren die Inhalte für die mediale Aufbereitung), und sie vermarkten Character. Das Geschäftsmodell „Zielgruppenverlag“ stellt hohe Anforderungen an Verlage: Jede neue Produktform erfordert neue Kompetenzen, neue Geschäftsprozesse, neue Vermarktungskonzepte. Hierin liegt auch der Grund, warum der Wechsel vom monomedialen zum multimedialen Verlag so komplex, langwierig und schwierig ist.

Interessanterweise verliert durch das Modell Zielgruppenverlag die bekannte Typisierung in Publikums-, Special-Interest- und Fachverlage an Bedeutung: Denn die Konzeption, Erstellung und Vermarktung einer iPad-App gleicht sich in den unterschiedlichen Verlagstypen.

Content, Medien, Kunden?

Zurück zu den Ausgangsfragen: In was für einer Branche arbeiten wir also? Wie sollte eine Messe konzipiert sein, die alle integriert? Und, um auch das Fass noch aufzumachen: Welche Verbände benötigen wir? Zu letzter Frage nur dieses: Die Verbände gliedern sich bisher nach Medien (Buch, Zeitschrift, Zeitung). Wenn diese Klammer nicht mehr greift, siehe „Buchbranche“, macht eine solche Aufteilung keinen Sinn mehr.

Können wir alles unter dem Label Content zusammenfassen? Dann würden ja all die anderen Angebote wie Puppen oder Kongresse nicht berücksichtigt, Gleiches trifft auf den Begriff Medien zu, denn Medien sind zentral mit den Begriffen Inhalte und Kommunikation konnotiert, nicht aber mit Stoffpuppen oder Softwareapplikationen. Schwierige Frage, denn ohne Label, ohne Branche geht es auch nicht.

Ehrhardt F. Heinold, Unternehmensberater Heinold, Spiller & Partner

Kommentare

1 Kommentar zu "Ehrhardt F. Heinold: Auf welche Messe fahren wir?"

  1. Raphaela Worschek | 17. Juli 2013 um 9:33 | Antworten

    Deine Überlegungen finde ich sehr interessant, Erhardt. Viele Punkte sollten wirklich neu überdacht werden. Gerade die Verlagshäuser müssen ihre Konzepte überdenken und neue Technologien und Social Web mit einbeziehen und traditionelle Wege überdenken. Solche Themen werden auf der diesjährigen IFRA in Berlin behandelt: http://www.gogol-medien.de/informationen-zum-unternehmen-gogol-medien/termine/ifra-expo-2013/ Ich werde da sein, lg, Rapha

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