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Karl-Ludwig von Wendt: Agieren statt reagieren

Karl-Ludwig von Wendt: Agieren statt reagieren

Veränderungsfähigkeit wird oft gleichgesetzt mit der Zeit, die es braucht, Entscheidungen umzusetzen. Dabei übersieht man leicht, wie lange es dauert, die Notwendigkeit des Wandels überhaupt zu erkennen und die richtige Entscheidung zu fällen. Proaktives Handeln kann helfen.

Vor 65 Millionen Jahren starben die Dinosaurier aus – weil sie sich nicht schnell genug an die dramatischen Klimaveränderungen aufgrund eines Asteroideneinschlags anpassen konnten, wie immer wieder behauptet wird. Das ist Unsinn. Keine Spezies auf der Erde hätte sich schnell genug an eine solche Katastrophe anpassen können, auch nicht unsere Säugetier-Vorfahren – signifikante Änderungen z.B. im Körperbau per Mutation dauern Jahrtausende.

Überhaupt ist es ein Missverständnis, wenn man von „Anpassung“ der Spezies an Umweltveränderungen spricht. Es mag Sie überraschen, aber es ist eine biologische Tatsache: Die Natur schafft perfekt angepasste Lebewesen, bevor die entsprechenden Umweltbedingungen eingetreten sind. Eben weil Veränderungsprozesse in der Evolution so lange dauern, bleibt ihr gar nichts anderes übrig. Sie schafft einfach eine solche Vielfalt von Lebewesen, dass garantiert irgendwelche davon mit jeder noch so rapiden Veränderung klarkommen werden. Während die meisten – an ihre derzeitige Umwelt besser „angepassten“ – Arten aussterben, profitieren einige, die bisher eher Außenseiter waren. Was wie Anpassung aussieht, ist in Wahrheit eine große Auswahl an verfügbaren Überlebensstrategien.

Von dieser Erkenntnis lässt sich einiges lernen. Denn auch wenn sich Unternehmen planvoll auf Veränderungen einstellen können und nicht auf zufälliges Herumprobieren angewiesen sind, reagieren sie nur allzu oft zu spät auf Marktumbrüche. Das liegt meist nicht an unfähigem Management oder renitenten Mitarbeitern, sondern daran, dass die Marktreaktionszeit eines Unternehmens allgemein länger ist, als man denkt. Sie besteht nämlich aus drei Verzögerungselementen (siehe Abbildung): Der Erkenntnis-, der Entscheidungs- und der Umsetzungsverzögerung.

Die Erkenntnisverzögerung resultiert daraus, dass signifikante Marktveränderungen – z.B. neue Technologien, veränderte Bedürfnisse der Kunden etc. – nicht sofort als für ein Unternehmen relevant erkannt werden. Ich habe bereits darüber geschrieben [ https://www.buchreport.de/news/category/blog/?p=2147], dass solche Veränderungen oft zunächst sehr langsam und damit weitgehend unbemerkt vonstattengehen, bis sie plötzlich zu einem dramatischen, für alle sichtbaren Wandel werden. Die Erkenntnisverzögerung kann viele Monate oder gar Jahre betragen. So hat z.B. der deutsche Versandhandel die Bedeutung des Internets jahrelang unterschätzt.
Ist die Notwendigkeit der Veränderung erkannt [ https://www.buchreport.de/news/category/blog/?p=2223], so muss zunächst eine Entscheidung darüber getroffen werden, wie darauf reagiert werden soll. Das klingt einfacher, als es ist. Das Problem dabei: Die eigenen Kunden sind meist Teil der alten „Umweltbedingungen“. Hört man auf sie, verpasst man oft den Zug des Wandels – über dieses „Dilemma des Innovators“ werde ich in einem späteren Beitrag schreiben. Interne Interessenkonflikte und politische Rücksichtnahmen tun ein Übriges, um Entscheidungsprozesse zu verkomplizieren. So vergehen wiederum Monate oder auch Jahre, bis endlich eine richtungweisende Entscheidung getroffen wird.
Danach erst kommt die „Umsetzungsverzögerung“, die man gemeinhin auch Time-to-market nennt – das konkrete Tun also, das natürlich auch eine Weile dauert, bis endlich die Kunden die Veränderung wahrnehmen. Die gesamte Reaktionszeit eines Unternehmens beträgt somit gerade bei fundamentalen Umwälzungen wie der Digitalisierung oft Jahre.
Wäre es nicht viel besser, wenn man – ähnlich wie die Natur – die Lösung bereits parat hätte, bevor sie gebraucht wird? Was zunächst absurd klingt, ist tatsächlich gar nicht so schwierig. In unserem Wirtschaftsleben ist es alltäglich: Unternehmen werden gegründet mit nicht viel mehr als einer Idee und der Hoffnung, dass diese sich einmal als nützlich erweisen wird. Venture Capital-Firmen investieren in solche Hoffnungsträger und wissen doch, dass der größte Teil ihres Geldes mit nutzlosen Ideen verpulvert wird. Aber sie wissen auch, dass sie aufgrund der Erkenntnisverzögerung niemals schnell genug reagieren könnten, um nachträglich erfolgreich auf einen Trend aufzuspringen. Sie machen es wie die Natur: Sie schaffen Vielfalt und können so von allen erdenklichen Marktentwicklungen profitieren – wie etwa dem Börsengang von Facebook, der einigen Investoren das Tausendfache ihres Einsatzes eingebracht hat.
Verlage machen es ähnlich: Sie schaffen Vielfalt im Programm, ohne vorher zu wissen, welcher Titel sich durchsetzen wird. Auch hier sind die Reaktionszeiten im Rahmen der Programmplanung meist viel zu lang, um auf kurzfristige Trends aufzuspringen. Man braucht eben „Gespür“ – und Mut. Denn oft genug sind es Außenseiter, die sich als besondere Hits und Trendsetter erweisen – und auf jeden solchen Erfolgstitel kommen fünf bis zehn Flops.
Um sich dem aktuellen Wandel zu stellen, muss man also nur diese Philosophie von der Programm- auf die strategische Unternehmensplanung zu übertragen. Das bedeutet: Vielfältige Strategien parallel verfolgen, neue Wege austesten, bevor der Markt sie einem aufzwingt, und vor allem den Mut haben, Fehler zu machen. Dazu im nächsten Beitrag mehr.
Karl-Ludwig von Wendt studierte Betriebswirtschaftslehre und promovierte über künstliche Intelligenz. Er hat neun Jahre Erfahrung als Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt Online-Transformation im Handel und in der Telekommunikation. Zwölf Jahre war er Unternehmer in der New Economy, wo er zwei Start ups gründete und u.a. mit dem eConomy-Award der Wirtschaftswoche für das “Start up des Jahres” ausgezeichnet wurde. Als Karl Olsberg schreibt er Thriller, Jugend- und Sachbücher. Im Januar 2012 gründete er die briends gmbh, die Verlage insbesondere bei der Entwicklung von Contentmarken sowie Social Writing unterstützt.

Wendt_Veränderungen_Grafik

Die Erkenntnisverzögerung resultiert daraus, dass signifikante Marktveränderungen – z.B. neue Technologien, veränderte Bedürfnisse der Kunden etc. – nicht sofort als für ein Unternehmen relevant erkannt werden. Ich habe bereits darüber geschrieben, dass solche Veränderungen oft zunächst sehr langsam und damit weitgehend unbemerkt vonstattengehen, bis sie plötzlich zu einem dramatischen, für alle sichtbaren Wandel werden. Die Erkenntnisverzögerung kann viele Monate oder gar Jahre betragen. So hat z.B. der deutsche Versandhandel die Bedeutung des Internets jahrelang unterschätzt.

Ist die Notwendigkeit der Veränderung erkannt, so muss zunächst eine Entscheidung darüber getroffen werden, wie darauf reagiert werden soll. Das klingt einfacher, als es ist. Das Problem dabei: Die eigenen Kunden sind meist Teil der alten „Umweltbedingungen“. Hört man auf sie, verpasst man oft den Zug des Wandels – über dieses „Dilemma des Innovators“ werde ich in einem späteren Beitrag schreiben. Interne Interessenkonflikte und politische Rücksichtnahmen tun ein Übriges, um Entscheidungsprozesse zu verkomplizieren. So vergehen wiederum Monate oder auch Jahre, bis endlich eine richtungweisende Entscheidung getroffen wird.

Danach erst kommt die „Umsetzungsverzögerung“, die man gemeinhin auch Time-to-market nennt – das konkrete Tun also, das natürlich auch eine Weile dauert, bis endlich die Kunden die Veränderung wahrnehmen. Die gesamte Reaktionszeit eines Unternehmens beträgt somit gerade bei fundamentalen Umwälzungen wie der Digitalisierung oft Jahre.

Wäre es nicht viel besser, wenn man – ähnlich wie die Natur – die Lösung bereits parat hätte, bevor sie gebraucht wird? Was zunächst absurd klingt, ist tatsächlich gar nicht so schwierig. In unserem Wirtschaftsleben ist es alltäglich: Unternehmen werden gegründet mit nicht viel mehr als einer Idee und der Hoffnung, dass diese sich einmal als nützlich erweisen wird. Venture Capital-Firmen investieren in solche Hoffnungsträger und wissen doch, dass der größte Teil ihres Geldes mit nutzlosen Ideen verpulvert wird. Aber sie wissen auch, dass sie aufgrund der Erkenntnisverzögerung niemals schnell genug reagieren könnten, um nachträglich erfolgreich auf einen Trend aufzuspringen. Sie machen es wie die Natur: Sie schaffen Vielfalt und können so von allen erdenklichen Marktentwicklungen profitieren – wie etwa dem Börsengang von Facebook, der einigen Investoren das Tausendfache ihres Einsatzes eingebracht hat.

Verlage machen es ähnlich: Sie schaffen Vielfalt im Programm, ohne vorher zu wissen, welcher Titel sich durchsetzen wird. Auch hier sind die Reaktionszeiten im Rahmen der Programmplanung meist viel zu lang, um auf kurzfristige Trends aufzuspringen. Man braucht eben „Gespür“ – und Mut. Denn oft genug sind es Außenseiter, die sich als besondere Hits und Trendsetter erweisen – und auf jeden solchen Erfolgstitel kommen fünf bis zehn Flops.

Um sich dem aktuellen Wandel zu stellen, muss man also nur diese Philosophie von der Programm- auf die strategische Unternehmensplanung zu übertragen. Das bedeutet: Vielfältige Strategien parallel verfolgen, neue Wege austesten, bevor der Markt sie einem aufzwingt, und vor allem den Mut haben, Fehler zu machen. Dazu im nächsten Beitrag mehr.

Karl-Ludwig von Wendt studierte Betriebswirtschaftslehre und promovierte über künstliche Intelligenz. Er hat neun Jahre Erfahrung als Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt Online-Transformation im Handel und in der Telekommunikation. Zwölf Jahre war er Unternehmer in der New Economy, wo er zwei Start ups gründete und u.a. mit dem eConomy-Award der Wirtschaftswoche für das „Start up des Jahres” ausgezeichnet wurde. Als Karl Olsberg schreibt er Thriller, Jugend- und Sachbücher. Im Januar 2012 gründete er die briends gmbh, die Verlage insbesondere bei der Entwicklung von Contentmarken sowie Social Writing unterstützt.

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