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»Für die Brand Loyalty der Zielgruppe ist Print unverzichtbar«

Olaf Deconinck. Foto: Privat.

Olaf Deconinck ist Dipl.-Ing. und seit fast 25 Jahren Verlagshersteller. Nach einer Station beim Deutschen Sparkassen Verlag ist er seit 1999 Bereichsleiter Prozessmanagement Print & Einkauf mit Prokura beim Reisespezialisten MairDumont. Foto: Privat.

Der Markt der Reiseführer ist hoch kompetitiv. In ihm über Jahre die Marktführung zu behaupten, setzt voraus, keine größeren Fehler zu machen.

Dies gilt auch für den Herstellungsprozess und die bei der Herstellung eingesetzten Werkzeuge. Der MairDumont Verlag setzt einerseits auf hochgradige Technisierung, andererseits vermeidet er mit Hilfe einer Matrixorganisation die Nachteile allzu großer Spezialisierung. Olaf Deconinck, Bereichsleiter Prozessmanagement Print & Einkauf, beschreibt im Interview im Produktionschannel von buchreport.de, wie am Ende eines hochgezüchteten Produktionsprozesses recht traditionelle, wenn auch an den Zielgruppenbedarf optimal angepasste Bücher stehen. Das Interview ist Teil einer Serie über den Wandel der Herstellung.

Welches sind die wesentlichen Änderungen in Ihrem Verlagsgenre in der Herstellung in den letzten fünf bis acht Jahren?

Voran steht die entschiedene Hinwendung zu unseren Zielgruppen. Das fing beim Management unserer Marken an, führte über ein intensives Verständnis von Zielgruppen pro Marke und Markenleistung zu einer konsequenten Ausrichtung unserer Produkte an diesen Bedürfnissen. Weiter stellen wir eine hohe Verdichtung im Arbeitsalltag fest: wir müssen bei deutlich gestiegenen Qualitätsanforderungen in kürzerer Zeit mehr Produkte bewältigen. Qualität sollten Sie hier verstehen als die Merkmale, die die Erwartungen unserer Kunden übertreffen. Wo wir früher hohe Volumina in standardisierter Produktionsweise in den Markt gebracht haben, heißt es heute: welche Informationen und welchen Produktzuschnitt – auch in herstellerischer Hinsicht – möchte die Zielgruppe. Dies bedeutet eine intensivere Produktentwicklung, auch auf Ebene der technischen Qualitätsmerkmale, und dieser letzte Punkt betrifft natürlich zentral die Herstellungsabteilung.

Welche Fähigkeiten und Fachkenntnisse muss ein guter Verlagshersteller heute mitbringen?

Erstens Lösungskompetenz: Wie komme ich auf geeignetem Weg zur besten Lösung? Zweitens Beurteilungskompetenz: Der Hersteller muss nicht bei allem unbedingt wissen, wie es geht, aber er muss wissen, wo es steht und wer ihm bei der Beurteilung und Lösung eines fachlichen Problems helfen kann. – Brauchen wir dafür in der Herstellung eher Generalisten oder Spezialisten? Die Diskussion pendelt bei uns hin und her, momentan sind wir eher auf Suche nach Spezialisten. Die können wir uns natürlich nicht backen, wir können sie nicht so ohne weiteres im Arbeitsmarkt finden, deshalb helfen wir uns in der Herstellung seit einigen Jahren mit produkt- und reihenübergreifenden, sich selbst organisierenden sogenannten Kompetenzteams. Die haben wir nach Art einer Matrix reihenübergreifend über unseren Bereich gelegt. Hier mischen sich die Erfahrungen der älteren Kollegen und das Wissen der jüngeren und befruchten einander. Die Teammitglieder wirken einerseits als Kenntnisträger und Lösungshelfer innerhalb des Bereichs, andererseits in die übrigen Bereiche hinein, zum Beispiel als Key-User von IT-Systemen und als Schulungsbeauftragte.

Welche Kompetenzteams haben Sie?

Wir haben im Bereich Herstellung heute ein Team Datenmanagement, ein Team SAP/Infrastruktur und ein Team Supply Chain/Strategischer Einkauf, an dem ich teilhabe. Wir experimentieren mit weiteren Teams, es hat sich aber herausgestellt, dass ausschließlich Kompetenzteams mit konkreten operativen Anliegen funktionieren. Die Idee zu diesen Teams haben wir bei Technologiefirmen wie Google gefunden.

Der Channel Produktion & Prozesse

Weitere Lösungen, Impulse und Erfahrungsberichte für die Verlagsproduktion lesen Sie im Channel Produktion & Prozesse von buchreport und Channel-Partner Publisher Consultants. Hier mehr…

Brauchen Verlage überhaupt noch eine Herstellung im Haus oder kann man die Leistung besser einkaufen? Welche Leistungen sollte man Inhouse haben?

Es kommt darauf an, wie Sie Herstellung definieren. Der Einkauf muss meiner Ansicht nach im Haus bleiben. Wir haben das so umgesetzt, dass unsere Hersteller ganzheitliche Verantwortung für ihre Produkte oder Reihen tragen, dazu gehört auch die materialwirtschaftliche Verantwortung. Dass anderenfalls der Kontakt zum Markt und zu den Dienstleistern und die Beurteilungskompetenz verloren gehen, wurde uns vor einigen Jahren bei der Analyse einer Tochterfirma wieder vor Augen geführt. Auch die Produktentwicklung wollen wir im Haus behalten, da sie direkt von unserem Verständnis der Zielgruppen abhängt. Projektbezogen arbeiten wir aber auch mit externen Producern zusammen, um Kapazitätsspitzen abzufangen.

Bei Ihnen ist Censhare als Redaktions- und Produktionssystem im Einsatz. Es dürfte nicht leicht sein, Producer zu finden, die neben redaktioneller Kompetenz auch Censhare-Know-how haben…

Die Titel, die wir ins Producing geben, sind keine Censhare-Titel.

Wie bereiten Sie Ihre Herstellung auf moderne und künftige Herausforderungen vor?

Wir haben vor einigen Jahren Klausurtagungen der Abteilung eingeführt, die wir jährlich einmal abhalten. Da geht es um Fragen wie diese: wo stehen wir, wo müssen wir hin, welche Anforderungen an uns als Abteilung bringt das mit sich? Jeder Hersteller kann sich dort einbringen und auch reflektieren, was das für ihn persönlich bedeutet. Das Vertrauen ist in diesen Runden über die Jahre gewachsen, und die Kolleginnen und Kollegen gehen im Allgemeinen offen mit dem möglichen Konfliktpotenzial um. Kontinuität in Führung und Team zahlt sich an dieser Stelle aus. In diese Klausurtagungen fließen auch die Anforderungen aus anderen Abteilungen ein und münden ein in konkrete Anpassungen im Herstellungsablauf oder in neue Aufgabenbeschreibungen.

Welche Bedeutung werden gedruckte Medien in fünf Jahren in Ihrem Tätigkeitsbereich noch haben?

Ich behaupte: eine große Bedeutung. Digitale Produkte beschäftigen uns zwar stark, aber auch in den nächsten fünf Jahren bleibt das gedruckte Medium zentraler Bestandteil der täglichen Arbeit und unseres Umsatzes. Auch für die Brand Loyalty unserer Zielgruppen ist es unverzichtbar.

Welchen Anteil wird in der Medienproduktion der Digitaldruck in den nächsten fünf Jahren erreichen? Glauben Sie, dass Zero Inventory möglich und sinnvoll ist?

Nach heutigem Stand ist Digitaldruck für uns mit sehr wenigen Ausnahmen keine Option. 2018 haben wir uns mit dem Thema intensiv beschäftigt und festgestellt, dass er für uns wenig Sinn macht. Dazu sind unsere Auflagen zu hoch und die Weiterverarbeitung ist häufig zu aufwändig. Auch sind die Haptik und die Ausstattung für die Zielgruppe zu wichtig. Dazu gehören auch die Veredelungsmöglichkeiten, die in den Digitaldruckstraßen noch bescheiden sind. Wir haben auch darüber nachgedacht, ob wir Erstauflagen im Offsetdruck, die Folgeauflagen im Digitaldruck beauftragen sollen, und haben uns nicht dazu entschließen können.

Ein Manager will vor allem wirksam sein. Wo kann ein Manager in Ihrem Bereich heute wirken?

Schwer zu beantworten. Erstens, denke ich, bei der Prozessoptimierung der gesamten Supply Chain. Zweitens, wenn es darum geht, im Dreieck Qualität, Preis und Zeit den Interessenausgleich und projektbezogen die richtige Balance zu finden und durchzusetzen. Und schließlich, wenn es darum geht, dem Aspekt der Kosten zu hinreichendem Gehör zu verhelfen. Natürlich wollen das auch andere Abteilungen, aber die Produktion hat einen sehr großen Wirksamkeitshebel dabei.

Ist die Berufsbezeichnung Hersteller überhaupt noch treffend oder muss ein neuer Begriff gefunden werden, der das Kompetenzprofil besser beschreibt?

Wir haben unseren Bereich 2008 in „Prozessmanagement Print & Einkauf“ umbenannt. Inspiriert hat mich dazu mein Engagement in der Berliner Werkstatt Herstellung. Dort haben wir dieses neue Profil herausgearbeitet. Unser Grundverständnis ist ein anderes geworden.

Alle bisher erschienen Teile der Serie „Herstellung der Zukunft“ finden Sie hier.

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