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Gerald Hüther: Konzeption im Kopf

In der Serie „Mein Schreibtisch“ stellen Autorinnen und Autoren ihre Arbeitsplätze vor. Diesmal zeigt Sachbuchautor Gerald Hüther seinen Schreibtisch.

So richtig passe ich wohl nicht in das Bild, das sich die meisten Leserinnen und Leser von einem Autor und vom Zustandekommen eines Buches machen. Erst jetzt, beim Versuch meinen Schreibtisch zu beschreiben, ist mir bewusst geworden, dass ich den ja gar nicht zum Bücherschreiben benutze. Die Bücher von mir, die dann irgendwann auch gedruckt und gelesen werden, entstehen in meinem Kopf, nicht am Schreibtisch.

Gerald Hüther (Fotos: Stefanie Thon)

Und sie entstehen auch nicht deshalb, weil ich ein Buch schreiben möchte, sondern weil mich ein bestimmtes Phänomen in unserer Gesellschaft so sehr beschäftigt, dass ich mir selbst Klarheit darüber verschaffen will, wie dieses Phänomen entstehen konnte, was es bedeutet und – weil es sich dabei ja meist um ein Problem handelt, das vielen Menschen zu schaffen macht – wie es überwunden, also gelöst werden kann.

Deshalb gehe ich jedes Mal über längere Zeit, oft monatelang, mit der Konzeption eines neuen Buches „schwanger“, meist draußen in der Natur, spazieren gehend und nachdenkend. Ich tausche meine Gedanken mit Freunden und Bekannten aus, besonders mit meiner Frau, die oft und zum Glück vieles in Frage stellt, was ich mir schon so schön passend und logisch zurechtgelegt hatte.

Dabei entsteht dann ein immer klarer werdendes Konzept für den Aufbau eines Buches. Ich „weiß“ also, wie es werden soll. Aber auch dann kann ich noch nicht damit beginnen, es aufzuschreiben. Ich brauche erst noch einen passenden Titel, der den Inhalt des noch nicht geschriebenen Buches möglichst gut auf den Punkt bringt und der mir selbst richtig gut gefällt und den auch andere attraktiv finden. Der fällt mir dann aber auch nicht am Schreibtisch, sondern ebenfalls wieder eher beim Wandern, bisweilen auch im Bett oder unter der Dusche ein.

Doch mit dem Schreiben geht es dann immer noch nicht los, denn nun muss das, was ich später in diesem Buch darstellen will, erst noch geordnet und so zusammengestellt werden, dass sich jeder neue Aspekt zwangsläufig aus dem bereits Dargestellten ergibt und alles zusammenpasst, dass es eine ganzheitliche Darstellung eines bestimmten Themas wird. Besonders wichtig ist es mir, das Interesse der mir dabei in Gedanken vor Augen stehenden späteren Leserinnen und Leser an dem betreffenden Thema von Kapitel zu Kapitel zu verstärken. Spazieren gehend, herum sitzend oder auch auf dem Sofa liegend, baue ich dann im Kopf eine dementsprechende Gliederung zusammen.

Und das war dann eigentlich schon alles. Das Buch ist nun im Grunde genommen fertig. Der Rest ist nur noch Aufschreiben, und das geht dann von allein, das kann ich sogar im Zug oder am Küchentisch. Aber ich kann es bis heute noch immer nicht am Computer, irgendetwas in mir sträubt sich dagegen. Wenn ich etwas Wichtiges aufschreibe, dann mache ich das von Anfang an und bis heute immer nur mit Bleistift und Radiergummi. Denn alles, was mir wirklich wichtig ist, muss ich auch begreifen, also anfassen und mit eigenen Händen gestalten können.

Im Arbeitszimmer am Schreibtisch bin ich eigentlich nie, wenn ich ein Buch schreibe. Dort arbeite ich nur, wenn ich an den Rechner muss, zum Ausfüllen der Steuererklärungen, zum Beantworten von E-Mails oder auch zum Aufschreiben so eines kleinen Beitrages wie diesem.

Sachbuch Frühjahr – im buchreport.magazin 3/2022

Gerald Hüther

Geboren wurde Gerald Hüther 1951 in Emleben (Thüringen). Nach Studium und Forschung in Leipzig und Jena wechselte er zum Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen und habilitierte auch an der dortigen Universität. An der psychiatrischen Klinik baute Hüther eine Forschungsabteilung auf. Als Professor für Neurobiologie befasste er sich mit der Verbreitung von Erkenntnissen auf dem Gebiet der neurobiologischen Präventionsforschung. Sein erklärtes Ziel: Die Umsetzung der Erkenntnisse aus der modernen Hirnforschung und Anwendung auf die gesellschaftliche bzw. individuelle Lebenspraxis. Mit der 2015 gegründeten Akademie für Potentialentfaltung will Hüther eine Kultur der Begegnung, des Austausches und der Potentialentfaltung in Gemeinschaften schaffen. Seine populärwissenschaftlichen Sachbücher sind regelmäßig auf den SPIEGEL-Bestsellerlisten vertreten. www.gerald-huether.de

 

 

Bestseller

Titel (erschienen) / bester Platz

  • Lieblosigkeit macht krank, Herder (2/2021) / 6
  • Wege aus der Angst, V&R (9/2020) / 5
  • #Education for Future, Goldmann (2/2020) / 32
  • Was schenken wir unseren Kindern, Penguin (9/2019) / 27
  • Wie Träume wahr werden, Goldmann (9/2018) / 22
  • Würde, Knaus (3/2018) / 3
  • Raus aus der Demenz-Falle!, Arkana (10/2017) / 7
  • Rettet das Spiel, Hanser (9/2016) / 34
  • Etwas mehr Hirn, bitte (V&R) (3/2015) / 17
  • Jedes Kind ist hochbegabt, Knaus (8/2012) / 4
  • Was wir sind und was wir sein könnten, Fischer (5/2011) / 22

Auswahl, Quelle: SPIEGEL-Bestseller   

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