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Susanne Martin: Wo bleibt der Sortimentsbuchhandel?

Susanne Martin: Wo bleibt der Sortimentsbuchhandel?

In Kommentaren und Gesprächen ist es immer wieder zu hören: Wo ist der Sortimentsbuchhandel bei den Veranstaltungen der Branche, die sich damit beschäftigen, wie sich die Zukunft der Buchbranche gestalten wird? Der kann es sich oft einfach nicht leisten. Gefragt sind deshalb neue Formen des Austauschs.

Auf dem Buchcamp, das Anfang Mai auf dem Mediacampus stattgefunden hat, wurde nur eine Buchhändlerin gesichtet und auch auf den Buchtagen waren es nur verhältnismäßig wenige BuchhändlerInnen, die den Weg nach Berlin gefunden haben. Und das,  obwohl mit der Frage nach der Zukunft der BAG und auf dem der Jahresversammlung vorgeschalteten Fachkongress unter dem Motto „Die Märkte von morgen“ ein Thema auf der Agenda stand, das auch den Sortimentsbuchhandel stark beschäftigen sollte.

Auch ich bin weder auf dem Buchcamp gewesen, noch nach Berlin gereist. Das Buchcamp konnte ich immerhin per Livestream zu Hause am Rechner verfolgen und mich per Twitterwall ein wenig beteiligen – bei den Buchtagen gab es diese Möglichkeit leider nicht. Immerhin stehen die Präsentationen zum Download bereit, so dass sich Interessierte zumindest einen Eindruck machen können – ersetzen können sie eine Teilnahme natürlich nicht.

Der im Börsenblattkommentar stehende Satz „Die kommen werktags schlecht raus aus ihren Läden“ traf bei den Buchtagen auf mich absolut zu. Und ich könnte mir vorstellen, auch für viele andere meiner Kolleginnen und Kollegen. Was heißt es denn für mich, zu den Buchtagen nach Berlin zu fahren: Ich muss Mittwochs los, denn von Stuttgart nach Berlin ist es weit und ich fahre mit dem Zug. Wenn es gut läuft, komme ich mit dann Freitag spät abends nach Hause, Samstag stehe ich dann wieder in der Buchhandlung, denn der Samstag ist für mich ein Arbeitstag. Das bedeutet: Es sind Fahrtkosten zu bezahlen, zwei Hotelübernachtungen und eine Kraft, die mich im Laden ersetzt.

Wofür ich solche finanziellen und personellen Ressourcen anzapfe, das überlege ich mir schon sehr genau – was habe ich denn davon, bei den Buchtagen dabei zu sein? Wo komme ich als Buchhandlung denn im Programm vor? Hm, vielleicht im Vortrag „Multi-Channel–Retailing im Buchhandel“, aber das klingt doch sehr abgehoben. Bei genauem Hinsehen erweist sich die Präsentation als interessant, aber sehr grundsätzlich und wenig konkret. Dass der E–Commerce an Bedeutung gewinnen wird und dass es professioneller Lösungen bedarf – das wusste ich nun wirklich schon vorher. Bei der Betrachtung der Präsentation „Transparenz der Warenströme“ verstehe ich nur Bahnhof. Die Präsentationen zum Thema E–Books bringen ebenfalls wenig neues.

Langer Rede kurzer Sinn: Im Programm des Fachkongresses habe ich mich nicht wiedergefunden – dafür hätte ich die oben angesprochenen Ressourcen nicht angezapft. Ebensowenig ist die Hauptversammlung für mich ein Anreiz gewesen, nach Berlin zu fahren. Der überregionale Verband ist mir schon immer sehr fern gewesen. Bleibt das, was mich wirklich gereizt hätte: Der Austausch mit KollegInnen aus der Branche. Aber mal ganz ehrlich: Fahre ich deswegen nach Berlin? Habe ich nicht andere Möglichkeiten des Austausches? Und zwar eines Austausches, der mir auch viel näher, konkreter und ehrlicher ist?

Denn was sind denn meine Probleme, mit denen ich Tag für Tag zu tun habe: Rückläufige Umsätze, wie beeinflussen E–Commerce und Web 2 mein Geschäft. Sind das überhaupt „meine“ Themen – es kommen doch Leute in meinen Laden, nur eben weniger als früher. Und was kann ich als kleines lokales Unternehmen denn dieser Entwicklung entgegensetzen? Kann ich dem überhaupt etwas entgegensetzen? Alle diese Fragen treiben mich natürlich um, ich fühle mich oft unverstanden, allein und überfordert.

Dass es vielen Kolleginnen und Kollegen aus den Verlagen nicht anders geht, das erlebte ich dann an einem Abend in meiner Buchhandlung, als sich Buchmenschen trafen, die über Twitter und Facebook miteinander vernetzt sind und die sich in Stuttgart immer wieder einmal zum Offline-Austausch treffen. Dass knapp 20 Personen (übrigens nicht nur aus Stuttgart!) die Gelegenheit wahrnahmen zeigte, wie groß das Bedürfnis nach Austausch ist!

Denn auch die Verlagsmenschen erleben die Digitalisierung als große Herausforderung und haben durch die Strukturveränderungen (Stichwort E–Commerce und Filialisierung) Probleme, deren ich mir so nicht bewusst gewesen bin. Dass sich der Vertriebskanal stationäres Sortiment immer stärker reduziert, zwingt die Verlage, sich nach alternativen Vertriebswegen umzuschauen. Der Buchhandel wird als träge und verweigernd erlebt, es wird eine aktive und offene Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemen und Umwälzungen vermisst.

Den Verlagen wurde zu bedenken gegeben, dass Verlage es gewohnt sind, überregional zu vertreiben, während der klassische Sortimentsbuchhandel seine Stärke bis jetzt immer darin sah, lokal zu agieren – überregionales Denken ist für viele neu und es stellt sich die Frage, ob es angesichts der Übermacht von Amazon und Co überhaupt sinnvoll ist. Nicht zu vernachlässigen ist ganz sicher auch die Tatsache, dass das Gros der kleinen und mittleren Buchhandlungen an finanzieller Unterdeckung leidet und infolgedessen die Ressourcen wirklich sehr beschränkt sind.

Eine Reise nach Berlin werden deshalb sicher weiterhin relativ wenige Buchhändlerinnen antreten. Aber einem Austausch sollten sie sich keinesfalls verschließen. Denn gerade im gegenseitigen Austausch bildet sich Verständnis füreinander und wenn auch die großen Lösungen ganz sicher nicht gefunden werden, so nimmt doch jeder Anregungen mit und Offenheit für die jeweils andere Seite.

Gefragt sind deshalb neue Formen, die es auch den Buchhandlungen möglich machen, an diesem Austausch aktiv teilzunehmen und das Verständnis der Sparten untereinander zu fördern. Soziale Netzwerke, Livestreams von Branchenveranstaltungen oder (für Buchhändlerinnen) Besuche der regionalen Treffen der BücherFrauen, können ein Weg sein. Aber auch lokale informelle Treffen wie das in Stuttgart, in denen sich interessierte Branchenmenschen quer durch alle Sparten und Hierachien treffen. Denn diesen Vorwurf müssen wir uns wirklich machen lassen: Viel zu wenige Buchhändlerinnen und Buchhändler wagen den Blick über den Tellerrand und geben ihm den Raum, der notwendig ist, um in Zeiten wie diesen zu überleben.

Susanne Martin

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Kommentare

5 Kommentare zu "Susanne Martin: Wo bleibt der Sortimentsbuchhandel?"

  1. als nicht direkt Betroffener darf ich hoffentlich trotzdem sagen: Frau Martin hat hundertprozentig recht. Bei vielen der spartenübergreifenden ritualisierten Veranstaltungen wunderte ich mich über die weitgehende Abstinenz der Buchhändler – und wenn, dann sind oft die falschen anwesend. Andere Organisations- und Kommunikationsformen sind gefragt. Ich hätte glaub ich schon eine in petto. Muss das nur noch ein bisschen bebrüten.

  2. Liebe Susanne,

    Du hast absolut nichts verpasst in Berlin. Ich war empört über das Niveau der Veranstaltung und vor allem die Schamlosigkeit, mit der einige Vortragende einfach ein Thema gekidnapped und für ihre Firma Reklame gemacht haben. Beispiel: Ein geschniegelter Sonnenbank-Fuzzi von der Post/DHL, der unter dem Thema „Online Marketing für den Buchhandel“ (oder so ähnlich) lediglich einen Online-Werbeservice der Post anpreist, den es derzeit nur in Köln gibt. In seinem Vortrag empfahl er den Buchhändlern mit „originellen Rabattaktionen im lokalen Umfeld“ für „Kundenfrequenz zu sorgen.
    Im Verlegerausschuss wurden gleich mehrere Strategiewechsel bei Libreka ohne irgendeine fachgerechte Perspektive zur Auswahl gestellt. Einer hanebüchener als der andere! Kein Mensch kauft bei Libreka Bücher oder eBücher. Aber warum, das darf niemand sagen, weil es den Branchenkonsens gefährden würde. In Berlin wurde nichts, aber auch gar nichts zur Entwicklung der Perspektive des Buchhandels beigetragen. Es war die Versammlung der Frösche, die über die drohende Trockenlegung des Sumpfes im vertrauten Kreise der Frösche diskutiert und anschließend erleichtert nach Hause fährt, weil mit überwältigender Mehrheit festgestellt wurde, dass es sich hier um eine aufgebauschte Geschichte handelt, denn wirklich niemand im Plenum hat die Pläne zur Trockenlegung befürwortet. Alles noch mal gute gegangen! Bis nächstes Jahr in Berlin, wenn es wieder heißt: „Sei ein Frosch!“

  3. Vielen Dank für den Hinweis auf die Regionalseiten der BücherFrauen! Wir freuen uns auch über follower aus dem Sortimentsbereich auf twitter!

  4. Wir hatten ja auf oben angesprochener Veranstaltung dieses Thema kontrovers, aber nicht abschliessend diskutiert (was wohl momentan auch nicht möglich ist). Gibt es denn Plattformen (die müssen nicht virtuell sein), auf denen sich der kleine bis mittlere Sortimenter organisiert?
    Hier auch noch kurz etwas zu der #BuchSW-Veranstaltung mit der herzlichen Einladung an alle Interessierten, beim nächsten Mal im September teilzunehmen:
    http://www.meier-meint.de/buchsw-treffen-2-in-stuttgart-am-30-juni-2010-0
    Dort findet sich auch ein Diskussionsthread zum Thema „Amazon und der Sortimenter“, evtl. auch von Interesse.

  5. Liebe Frau Martin,
    Sie haben ganz sicher mehrere wunden Punkte getroffen. Ich denke, dass das „liebe Geld“ nicht nur bei Ihnen und mir, sondern auch bei Vielen eine große Rolle spielt und – nicht nur in „kleinen“ Buchhandlungen ist die Personalsituation schwierig, auch bei den „Großen“ ist es nicht einfach. Ich erleben das bei von mir angebotenen Seminaren, die aus Mangel an Anmeldungen gecancelt wurden. Gut, die Vernetzung/web 2.0 ist sehr gut, aber das persönliche Kennenlernen und der Austausch bleibt einfach sehr, sehr wichtig.
    Anne Künstler

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