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Hartwig Schulte-Loh: Konzept-Stores statt Zahlenspiele

Hartwig Schulte-Loh: Konzept-Stores statt Zahlenspiele

Eigentlich ist die 30 eine eher unbedeutende Zahl. Ihre zahlenmystische Potenz geht gegen Null. Für die Buchbranche verkörpert sie aber neuerdings eine wichtige Botschaft: Buchhandlungen brauchen einen Non-Book-Anteil von 30%. Insbesondere die Filialisten werden nicht müde, diese Zahl zu beschwören. Warum gerade 30, ist ein Geheimnis und ein Fehler.

Trau keinem Laden über 30 wäre ein vorschnelles Falschurteil, hat doch zum Beispiel der größte französische Buchhändler, FNAC, einen Non-Book-Anteil von 80% und der drittgrößte, Leclerc mit seinen Hypermarchés, allein einen Käseumsatz, der den Buchumsatz übersteigt.

Schon die Bezeichnung „Non-Book“ oder „Zusatzsortiment“ impliziert eine Abwertung, die den Blick auf das konzeptionelle Ganze verschleiert. Längst hat sich die Wahrnehmung der Konsumwelt durch Kunden weg von Produktkategorien hin zu individuell definierten Konsumräumen verschoben. Das Buch als Leitprodukt und Botschaft hat ausgedient. Eine unvoreingenommene, kreative Annäherung an neue Produktwelten, die auch das Primat Buch in Frage stellt, tut Not.

Es gibt keinen Grund, warum ein Buchhändler nicht auch einen grünen Stromtarif verkaufen sollte. Das kann er dann, wenn er den Gedanken der Nachhaltigkeit und eine ökologische Markenpositionierung erreicht. Die ermöglicht es ihm zudem, seine Produktpalette auf genau diese Zielgruppe zu fokussieren. Wie hoch dann der Buchanteil dieses Geschäfts ist, ob nicht Jutehemden oder Biobrote das Buch erfolgreich verdrängen, hängt einzig und allein von der Nachfrage ab. Am Ende des Tages entscheidet der Kunde und die Flexibilität des Anbieters.

Der stationäre Buchhandel versucht es seit einiger Zeit mit Themenwelten. Sie bleiben aber noch dem Primat Buch verhaftet. Das wird sich ändern. Mit dem Verschwinden des Buchhandels aus der öffentlichen Wahrnehmung, lockt das Schild „Buchhandlung“ keinen Kunden mehr hinter dem Ofen hervor. Deshalb treibt ein Filialist wie Thalia die Markenentwicklung mit großer Energie voran. Eine Marke wie Amazon kann heute (fast ) alles verkaufen.

Eine mögliche Antwort auf die heranziehende Buchhandelskrise ist der Konzept-Store. Die Performance orientiert sich an einer spezifisch definierten Zielgruppe, z. B. luxus-, design-, esoterik-, ökologisch,- oder Buchaffine Kundenkreise. Für diese gibt es in einem Konzept-Store (nahezu) alles, womit sich diese Kunden gerne umgeben und identifizieren. Ein typischer Produkt- und Markenmix eines Konzept-Stores besteht aus Mode, Schuhen, (Wohn-) Accessoires, Büchern/CDs, Kosmetik, Lebensmitteln, Spielzeug sowie Dingen des täglichen Gebrauches. Konzept-Stores verfügen nicht über breite und tiefe Sortimente, die Auswahl der Produkte ist zumeist auf Einzelteile beschränkt, die durchmischt nach dem  Prinzip „cross-selling“ präsentiert werden.

Die Konzept-Stores wandeln ihr Erscheinungsbild und ihr Sortiment in regelmäßigen Abständen, um flexibel und überraschend zu bleiben.

Für den Verkauf von Büchern bieten sich reine Bestseller-Stores an, die den Store am Image markenstarker Medien ausrichten. Es ist es problemlos denkbar, dass ein Store für die Zielgruppe Spiegel-Leser konzipiert wird, der Bücher, dänisches Alltagsdesign, Musik, Krawatten und intelligente Spiele zusammenbringt.

Damit könnte es dem stationären Einzelhandel gelingen, das Konsumerlebnis des Kunden weg vom untauglichen Prinzip Ladenbau zurück zum Erleben von spannenden Produktwelten zu leiten und verlorenen Boden gut machen.

Hartwig Schulte-Loh war Geschäftsführer beim Berliner Kulturkaufhaus Dussmann und zuletzt Berater der Edel AG im Musikgeschäft. Aktuell lässt er sich zum Coach ausbilden und berät Firmen mit seinem Unternehmen Buchnet.

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