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Digitalisierung der Buchbranche mal anders: Integrating the Publishing Environment

Peter Schmid-Meil (Foto: Readbox)

Fragt man Menschen aus verschiedenen Branchen, was sie unter dem Begriff „Digitalisierung“ verstehen, bekommt man sehr unterschiedliche Antworten. Die einen erzählen über erste Erfahrungen mit Industrie 4.0, andere würden das Thema am liebsten mit der Ablösung des Fax durch die E-Mail als abgeschlossen betrachten, weil sie befürchten, dass ihr Business wahlweise obsolet, durch IT-kompetente Konzerne übernommen oder auf irgendeine andere Art und Weise gefährdet wird. Die Buchbranche schwebt hier irgendwo zwischen Hoffnung und Verzweiflung und schwankt heftig zwischen innovativen Ansätzen und dem Rückzugsreflex auf das bewährte Printbuch und den altbekannten Handelswegen zwischen Verlagen, Barsortimentern und Buchhändlern.

Zugegeben, Digitalisierung ist nicht einfach: Es gilt, alle bestehenden Prozesse, Berufsbilder und Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen und den gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung (z. B. verändertes Medienkonsumverhalten, massive Aufsplitterung der Marketingkanäle) anzupassen. Und das nicht nur einmal alle 10 Jahre, sondern permanent – die einzige echte Konstante ist der stete Wandel.

Beim Umstellen und Neuausrichten von Prozessen sind offiziell verabschiedete Standards sehr hilfreich, sie fühlen sich manchmal an wie Inseln der Ruhe in einem tosenden Meer. Klar definierte Strukturen und Arbeitsschritte von Fachleuten für die gesamte Branche entwickelt – herrlich! Dieser hehre Ansatz wird allerdings dann rasch ad absurdum geführt, wenn verschiedene Stakeholder im Markt Standards unterschiedlich interpretieren und umsetzen und man damit statt einer Schnittstelle bzw. einer E-Book-Datei auf einmal viele braucht, siehe z. B. unterschiedliche ONIX-Nutzung der Händler oder die unterschiedliche EPUB3-Darstellung auf eReadern und Tablets. Genau hier setzt die neue Initiative IPE – Integrating the Publishing Environment an.

IPE kommt nicht vom großen Ganzen wie die Standards, sondern kümmert sich als Institution um möglichst präzise Digitalisierungs-Use-Cases, die aus einer konkreten Anforderung entstanden sind, so z. B. dem Zusammenspiel zwischen Verlag und Drucker. Ziel dabei ist es, aus allen bestehenden Branchen-Standards die Teile zu nutzen, die das Problem lösen und eventuell dafür noch fehlende Elemente mit denjenigen zu entwickeln, die den Use Case eingereicht haben. So entsteht ein „Profil“ aus existierenden und neuen Bestandteilen, mit dem der Use Case gelöst wird.

Dabei besonders wichtig: Es geht dabei nicht um eine lokale oder individuelle, sondern um eine globale und für alle offene Lösung, mit der jedes Unternehmen eine passende Software schreiben kann! Um bei dem Beispiel von eben zu bleiben, sollte also am Ende jeder Verlag weltweit mit jedem Drucker weltweit in der Lage sein, Druckaufträge und -assets auszutauschen. Proprietäre Schnittstellen und vielleicht sogar Datenformate würden damit der Vergangenheit angehören und die Marktmacht so manchen Konzerns würde gebrochen – zumindest bei den jeweiligen Use Cases. Voraussetzung dafür ist es, das das komplette Projekt IPE von vornherein international gedacht wird und nicht nur Vertreter aus einigen, sondern aus allen Branchenteilen mit an Bord nimmt.

Eine Utopie? Nein. Das Gesundheitswesen hat beweisen, dass es funktioniert. Von der dort tätigen IHE stammt nicht nur die Inspiration für die IPE, sondern die in den letzten Jahren dort entwickelten Erfahrungen, Strukturen, Tools und Prozesse stehen uns Buchbranchlern als kostenfreie Blaupausen zur Verfügung – inklusive aktiver, kräftiger und ehrenamtlicher Unterstützung durch die IHE-Kollegen.

Auf einer ersten IPE-Konferenz am 18. und 19. Januar in Leiden haben sich rund 30 Mitstreiter von Verlagen, Druckdienstleistern, Distributoren und Softwarehäusern getroffen und sich unter der Leitung von Ullstein-Herstellungsleiterin Michaela Philipzen und dem IHE-erfahrenen Alexander Markowetz mit den internationalen IHE-Machern ausgetauscht und intensiv diskutiert, ob sich die Erfahrungswerte aus dem Gesundheitswesen auf die Buchbranche übertragen lassen. Die Antwort war ein klares und eindeutiges Ja, denn es gab auf Anhieb genug Use-Case-Ideen, für die sich dieses Vorgehen förmlich aufdrängt.

Klar, jede Initiative dieser Art funktioniert nur, wenn sich genügend Branchenbeteiligte engagieren – als aktive Teilnehmer, als Sponsoren, als Hosts für Veranstaltungen. Der große Reiz und gleichzeitig die große Chance besteht darin, dass es hier nicht um Abstraktes, sondern stets um Konkretes geht: Im Zentrum steht immer ein echter Anwendungsfall aus der Praxis, ein echtes Problem, das in einem absehbaren Zeitraum nachhaltig und weltweit behoben wird (Im Gesundheitswesen aktuell ca. 12–15 Monate pro Use Case). Jetzt haben wir alle die Wahl: Gestalten wir hier mit oder schauen wir zu und warten, ob und was dabei raus kommt? Wir bei readbox werden IPE auf jeden Fall begleiten und unser Know-how mit einbringen – weil wir glauben, dass diese Initiative etwas bewegen kann und weil Abwarten noch nie unser Ding war.

Wer mitmachen oder weitere Informationen haben möchte, möge sich einfach per Mail an info@integrating-publishing.org wenden.

 

Peter Schmid-Meil ist bei Readbox für den Bereich Business Developement verantwortlich. Dieser Beitrag ist zuerst im Blog des Verlagsdienstleisters erschienen.

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