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Digitales Botox

Nicht nur die IDPF-Konferenz „Digital Book 2014“ auf der New Yorker Buchmesse wurde durch einen technologiekritischen Vortrag eingeleitet. Auch die Keynote einer Subkonferenz zum Thema digitale Abomodelle fiel ausgesprochen anti-digital aus: Der Medientheoretiker Douglas Rushkoff warnte vor dem „Gegenwartsschock“, den die Buchbranche mit digitalen Buchformaten verstärke.
Hintergrund von Rushkoffs Vortrag ist „Present Shock. Wenn alles jetzt passiert“, das jüngste Buch des gerade zum Professor am Queens College berufenen Autors, in dem Rushkoff die Auswirkungen des Konsums insbesondere von Sozialen Medien untersucht. Seine These: Die Maschinen, die einst für uns arbeiten sollten, damit wir mehr Zeit für uns gewinnen, hätten albtraumhafte Zustände herbeigeführt: Statt auf dem Rücken liegend den Vogelflug zu beobachten, seien wir Sklaven von E-Mail, Twitter (wo Rushkoff dennoch aktiv ist) und Facebook (dito) geworden. In allen Lebensbereichen sei eine Fixierung auf die Gegenwart zu beobachten, die zu einer ständigen Überforderung führe und eine Reflexion des „Gegenwartsschocks“ erschwere. In dem hierzulande bei Orange Press erschienenen Buch wird schon angedeutet, dass Rushkoff kein Freund des E-Books ist, das wir „mit der selben flüchtigen Aufmerksamkeit lesen wie einen Twitter-Stream oder eine Reihe von Facebook-Postings“. 
In seiner Keynote zur „Making Information Pay 2014“-Konferenz in New York führte er diese Kritik aus. Ähnlich wie Botox als moderne Technologie den Gesichtern jegliche Mimik nehme, reduziere das E-Book das klassische Buch. Das Erzählerische, die Gesamtkomposition bleibe auf der Strecke.
Die viel diskutierten E-Book-Abomodelle hätten die Konsequenz, dass die Nutzer mehr Zeit mit der Auswahl der Titel als der Lektüre verbringen würden.  
Rushkoff warf der Verlagsbranche außerdem vor, sich maßlos zu überschätzen. Die Selbstinszenierung à la BookExpo passe nicht zum Medium Buch. Die Branche müsse erkennen, dass sie keine Wachstumsbranche sei. Und dass es ihr niemals gelingen werde, eine App wie den Kurznachrichtendienst Snapchat zu entwickeln.
Rushkoffs finale Mahnung: Dieser Wandel sei größer als der Übergang von der gesprochenen zur Schriftsprache.

Foto: Wikipedia, Paul May, CC BY 2.0

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