buchreport

Val McDermid: Schöne Ecke an inspirierender See

In der Serie „Mein Schreibtisch“ stellen uns Autorinnen und Autoren ihre Arbeitsplätze vor. Diesmal zeigt Thriller-Queen Val McDermid ihren Schreibtisch.

Ich bin in einer Kleinstadt in der Grafschaft Fife an den Ufern des Firth of Forth aufgewachsen, einer breiten Gezeitenmüdung, die uns von Edinburgh trennte und zwar 8 Kilometer Luftlinie, aber 43 Kilometer Fahrstrecke. Die See war ein ständiger Begleiter. Bei jedem Wetter bin ich mit meinem Hund an meiner Seite die Küste entlanggelaufen. Während ich lief, habe ich mir Geschichten erzählt. Ich machte mich selbst zu einer Figur in den Büchern, die ich las, und baute die Handlung in verschiedene Richtungen aus.

Ich denke, darum wird meine Vorstellungskraft besonders beflügelt, wenn ich nah am Wasser bin. Der Raum, in dem ich am meisten schreibe, liegt in unserem Häuschen am See. Es steht in einem Fischerdorf im „East Neuk“ von Fife, einer Reihe von Dörfern an der Küste. „Neuk“ ist das schottische Wort für Ecke oder Winkel, und es ist eine hübsche Ecke. Hinter Felsvorsprüngen sieht man wunderschöne Strände und das Hinterland besteht aus fruchtbaren Äckern und Wäldern.

Mein Arbeitszimmer liegt auf der Rückseite des Hauses mit Blick auf einen kleinen, länglichen Garten, an dessen Ende die See liegt. Die anschwellenden Ströme , der Wind und die Farbe des Wassers wechseln ständig. Das gilt auch für den Himmel – hellblau, bauschige Wolken, lange Wolkenstränge wie zerrissene Zuckerwatte, undurchdringlicher Nebel, der die gegenüberliegende Küste bedeckt. Dieser stete Wandel scheint Kreativität bei mir freizusetzen und verhindert Stillstand.

Mein Schreibtisch – im buchreport.magazin 7-8/2022

Der Raum ist hell und hat Fenster mit Blick aufs Meer und sonnengelbe Wände, die immer meine Laune heben. Mein einfacher Schreibtisch ist im Industrie-Stil gehalten und darauf stehen Dutzende Stifte sowie die Nachbildung einer Pistole, die eigentlich ein Feuerzeug ist. Auf dem abgeschliffenen Holzboden liegt ein dunkelroter Bokhara Teppich und unter dem Schreibtisch befindet sich eine Konsole mit Stauraum für meine Büroutensilien. Darauf steht (natürlich!) ein Drucker mit einem Krug aus der hiesigen Töpferei, der getrocknete Allium aus dem Garten enthält. Die Schüssel mit dem Hummer kommt aus demselben Laden.

Das Arbeitszimmer

Bild 2 von 4

Die einzigen Bücher auf den Regalen sind eine Handvoll Romane, die darauf warten, gelesen zu werden, und Nachschlagewerke, die ich fürs Schreiben benötige. Während ich an „1989“, dem zweiten Allie- Burns-Roman, gearbeitet habe, waren das einige bekannte politische Texte und Sozialgeschichten der Zeit sowie der exzellente Überblick zur Aids-Epidemie von David France. An den Wänden hängt ein Liegestuhl, den ein Freund per Siebdruck bearbeitet hat, der gleichzeitig ein Kunstwerk ist und an den Sommer­tagen als funktionelle Sitzgelegenheit für die Terasse dient; ebenso ein paar Holzmasken aus Simbabwe, ein Kalender mit Drucken eines anderen befreundeten Künstlers und ein geschnitztes Holz-Nilpferd aus Südafrika.

Meistens höre ich nur das Rauschen der See und Vogelgezwitscher.

Wir haben ein weiteres Haus in Edinburgh, in dem ich noch ein ganz anderes Arbeitszimmer habe. Es ist voller Bücher und dort entwickle ich Ideen, nehme Recherchen vor und erledige die organisatorischen Aufgaben, die mit der Arbeit einhergehen. Es ist in der Nähe des „Water of Leith“ und auch dieser Fluss hilft mir, meine Gedanken fließen zu lassen.

Aber die wahre Kreativität erfüllt mich, wenn ich die See im Rücken habe und das Licht meinen Geist erfüllt.

Aus dem Englischen von Daniela Zielberg

 

Val McDermid

Val McDermid (Foto: KT Bruce)

Val McDermind wuchs in der Kleinstadt Kirkcaldy an der Ostküste Schottlands auf. Mit 17 wurde sie als eine der jüngsten Studienanfängerinnen jemals am St. Hilda‘s College in Oxford aufgenommen, wo sie englische Literatur studierte. 14 Jahre arbeitete Mc Dermid als Journalistin für Zeitungen in Glasgow und Manchester, schrieb Bühnenstücke, hegte jedoch schon damals den Wunsch, Romanautorin zu werden. Inspiriert von neuen amerikanischen Krimiautorinnen veröffentlichte die Schottin schließlich 1987 ihren ersten Roman „Report for Murder“ („Die Reportage“, 1990). Mittlerweile wurden weltweit mehr als 17 Mio Exemplare ihrer Bücher verkauft, Thrillerserien und Einzelromane (wie etwa „Hautnah – Die Methode Hill“ ) wurden für Fernsehen und Rundfunk adaptiert. Val McDermids deutscher Verlag ist Droemer Knaur. 

Bestseller

Titel (ET-Monat) / bester Platz

  • 1979 – Jägerin und Gejagte (6/2022) / 24
  • Ein Bild der Niedertracht (6/2021) / 20
  • Das Grab im Moor (9/2020) / 15
  • Der Knochengarten (6/2020) / 20
  • Rachgier (9/2018) / 18
  • Der Sinn des Todes (10/2017) / 47
  • Schwarzes Netz (1/2017) / 10
  • Eiszeit (10/2014) / 14
  • Der Verrat (9/2013) / 29

Auswahl / Quelle: SPIEGEL-Bestseller   

Kommentare

Kommentar hinterlassen zu "Val McDermid: Schöne Ecke an inspirierender See"

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihre Daten elektronisch gespeichert werden. Diese Einverständniserklärung können Sie jederzeit gegenüber der Harenberg Kommunikation Verlags- und Medien-GmbH & Co. KG widerrufen. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutz-Richtlinien

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*