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Neun Trends zum Verlags- und Buchmarkt

Nächste Woche beginnt die Frankfurter Buchmesse. Wer vor Ort ist, wird die Veränderungen der Branche vielleicht nicht so stark wahrnehmen. Die digitalen Medien sind Alltag, aber dominiert wird die Buchmesse vom Buch. Dennoch befindet sich die Verlagsbranche in einer Phase des stetigen Wandels, manche Entwicklungen werden sogar erst jetzt richtig sichtbar. Ich habe neun Trends identifiziert, die sicher auch in Frankfurt Thema sein werden.

Trend: Inhalte bleiben König

Worum es geht: Trotz aller Veränderungen in der Verlags- und Medienbranche – Inhalte bleiben attraktiv, weil die Leser und Nutzer sie lieben. Durch die Digitalisierung sind die klassischen Mediengeschäftsmodelle zwar unter Druck geraten, aber der Bedarf an guten Inhalten hat sich eher noch erhöht. Noch nie gab es ein so breites Angebot an Medieninhalten, von denen ein großer Teil kostenlos oder über Flatrates zugänglich ist. Die Kunden können wählen, mehr noch, sie werden zu Autoren oder Publizisten (auf Blogs, auf Sharingplattformen).

Was dies bedeutet: Verlage müssen in diesem Überangebot Medien bieten, die durch das laute Grundrauschen des Medienüberangebotes die Kunden erreichen. Mit anderen  Worten: Sie müssen relevante Medien publizieren und besser sein als der Wettbewerb.

Wen das betrifft: Alle Verlage, weiter gefasst: Alle, die publizieren

Trend: Verlagsmedien konkurrieren um die Zeit der Kunden

Worum es geht: Auf digitalen Geräten wie dem iPad oder dem Smartphone wird die Konkurrenz der Applikationen um das Zeitbudget der Kunden sichtbar. Aus der Nutzerperspektive konkurriert ein Roman mit einem Film oder einem Spiel oder einer Facebooksession – alle Anwendungen sind auf demselben Gerät verfügbar. Diese Geräte schaffen ein verschärftes Wettbewerbsumfeld, in dem Verlagsprodukte nur noch eine Option sind.

Was dies bedeutet: Verlagsangebote müssen so attraktiv bleiben, dass sie im lauten Konzert der Optionen wahrgenommen und konsumiert werden.

Wen das betrifft: Alle Verlage

 
Trend: Vom Gatekeeper zum Relevanzfilter

Worum es geht: Verlage (zusammen mit Buchhandlungen und Bibliotheken) waren früher die Zugangswächter (oder eben Gatekeeper) zu Information und Unterhaltung. Durch das Internet hat sich das längst geändert – jeder kann publizieren, Inhalte sind in nie dagewesener Menge verfügbar. Verlage (wie Buchhandlungen und Bibliotheken) verwandeln sich zu Gatekeepern, die auf Basis von Relevanzkriterien ihr Programm (bzw. Sortiment) zusammenstellen. Relevanz definiert sich dabei hauptsächlich über die Kundenbedürfnisse, aber nicht nur. Ein relevantes Buch kann z.B. thematisch oder formal so neu sein, dass das Kundenbedürfnis erst entsteht (oder noch nicht sichtbar ist). Relevanz kann auch durch Menge entstehen, wenn es für die Kunden wichtig ist, viele oder sogar alle Informationen und Medien zu einem Thema zu bekommen. Dann müssen Verlage zu Portalen werden und auch die Angebote ihrer Wettbewerber bieten. Relevanz durch Vollständigkeit ist z.B. die Strategie von Amazon.

Was dies bedeutet: Programme und Sortimente müssen viel genauer als früher auf Relevanz im Sinne der Kunden abgestimmt werden.

Wen das betrifft: Alle Verlage


Trend: Vom Handels- zum Endkunden – oder: Warum die Kundenorientierung die Publikumsverlage revolutioniert

Worum es geht: Wenn Publikumsverlage von Kunden reden, meinen sie zumeist den Handel, denn der bestellt bei ihnen, den umwerben und den kennen sie. Die Handelskunden und die Vertreterreisen bestimmen den Takt, in dem Publikumsverlage arbeiten:  Zwei Mal jährlich wird ein Verlagsprogramm erstellt, beworben, vertrieben. Doch immer mehr Verlage stellen fest: Diese Vertriebsstrategie greift nur noch in Teilen. Selbst traditionell (buch)handelstreue Verlage suchen den Kontakt zu den Endkunden. Gefragt sind Autoren, die eine Community mitbringen oder so prominent sind, dass sie die PR-Arbeit unterstützen können. Der Handel  wird so zu einer Vertriebsstation und verliert seine in den vergangenen Jahren gewachsene Bedeutung.

Was dies bedeutet: Immer mehr Verlage müssen ihre gesamtes Geschäftsmodell in Richtung Endkunden drehen, mit weitreichenden Konsequenzen für Programmgestaltung, Marketing und Vertrieb.

Wen es betrifft: Alle Verlage, die sich beim Vertriebsmarketing bisher überwiegend am Handel orientiert haben.

 
Trend: Self Publishing gewinnt noch mehr an Bedeutung

Worum es geht: Der Paukenschlag hat ein weltweites Echo gefunden: Bestsellerautorin Cornelia Funke kündigt ihrem Verlag, um sich selbst zu vermarkten, und zwar in ihrem eigenen Verlag. Der Grund: Ihr bisheriger Verlag wollte den aktuellen Roman inhaltlich ändern. Die E-Book-Beststellerliste von Amazon wird seit geraumer Zeit von Self Publishing-Titeln geprägt. Und jetzt gründet die Deutsche Kindle-Konkurrenz Tolino ein Taschenbuchlabel und vertreibt die Bücher über einen Teil der Tolino-Partner (Thalia, Hugendubel, Weltbild, Osiander). Der Trend zum Self Publishing ist nicht neu, aber er gewinnt weiter an Fahrt. Die Karten im Verlagsgeschäft werden neu gemischt – Autoren erhalten immer mehr und bessere Optionen, ihre Bücher selbst zu vermarkten. Für die Verlage heißt dies:. Sie müssen mehr Leistungen als bisher bringen, und zwar vor allem in Richtung Vertrieb und Marketing.

Was dies bedeutet: Die Machtverhältnisse drehen sich um, wenn aus Lieferanten (Autoren) umworbene Geschäftspartner werden. Verlage müssen (zumindest!) für ihre Starautoren ein Autorenmarketing aufbauen, das weit über Pressearbeit und Organisation von Lesereisen hinausgeht.

Wen es betrifft: Alle Verlage

 
Trend: Bücher mit digitalem Mehrwert

Worum es geht: Bücher bleiben als Produkt für das Geschäftsmodell der Verlage unersetzlich. Der Buchabsatz bleibt stabil, in jüngster Zeit gewinnen gedruckte Bücher sogar Marktanteile zurück. Die Erweiterung von gedruckten Büchern durch digitale Mehrwerte ist eine logische Konsequenz, weil sich so die Stärken der beiden Medienformen ergänzen können. Wie genau die perfekte Kombination aussehen wird, ist noch nicht ganz klar. Momentan konkurrieren zwei Konzepte: Speziell für die digitale Erweiterung erstellte Bücher (LeYo!-Konzept von Carlsen), oder Bearbeitung der Dateien von bestehenden Büchern (TigerCreate von Oetinger). Beide Konzepte erlauben es den Nutzern, mit Hilfe von Tablets und Smartphones Erweiterungen wie Animationen, Ton oder auch Augmented Reality zu nutzen.

Was dies bedeutet: Bücher erhalten digitale Mehrwerte, wenn die Kunden es wollen. Verlage müssen herausfinden, für welche Bücher und welche Kunden das sinnvoll ist. Sonst investieren sie in Technik, nicht in Customer Experience.

Wen es betrifft: Kinderbuch-, Ratgeber-, Sachbuch- und Fachverlage

 
Trend: E-Books als Experimentierfeld

Worum es geht: Unter dem Druck schrumpfender Handelsflächen und sinkender Auflagen schrumpfen die Programme. Verlage setzen immer mehr auf Nummer sicher und reduzieren die Zahl der unsicheren Titel. Da bieten sich E-Books als Experimentierfeld an – hier können neue Autoren, neue Themen und Formate ausprobiert werden. Was funktioniert, wird in das normale Verlagsprogramm aufgenommen. Nach dieser Mechanik funktionieren Neobooks oder Oetinger34 (mit einem sehr ausgefeilten Konzept); auch Digitallabel wie Impress (Carlsen) oder die Digitaledition von Cora weisen in die Richtung.

Was dies bedeutet: Verlage können durch E-Books mit überaubaren Investitionen ihr Portfolio erweitern und Themen und Autoren ausprobieren. Dazu müssen sie allerdings E-Books als vollwertige Produkte managen (und nicht als reine Zweitvermarktung).

Wen es betrifft: Jugendbuch-, Sachbuch- und Belletristikverlage.

 
Trend: Vom Informations- zum Workflowprovider

Worum es geht: Informationen, kundenorientiert aufbereitet, sind die traditionelle Handelsware von Fach- und Bildungsverlagen. Schon immer haben sich die guten Verlage (zusammen mit den Autoren) um die Nutzungssituation der Leser Gedanken gemacht mit dem Ziel, die Informationen so darzubieten, dass diese wirklichen Nutzen aus dem Buch, dem Loseblattwerk oder der Zeitschrift ziehen können. Beispiel Schulbuchverlage: Hier geht es nicht nur um Wissensaufnahme, sondern um die Unterstützung von Lernprozessen. Entsprechend komplex sind gute Lernwerke (u.a. unterschiedliche Textformen, Tabellen, Illustrationen, Prüfungsfragen, Tests). Durch die Digitalisierung können Verlage jetzt wirkliche Applikationen erstellen, also Programme, die den Arbeits- oder Lernworkflow ihrer Kunden unterstützen bis hin zur Personalisierung des Angebotes, z.B. durch angepasste Lernlevels und Lernkontrollen, aber auch durch komplett virtuelle Klassenzimmer, wie sie der US-amerikanische Pearson-Verlag bietet. Beispiele aus Deutschland sind das Lehrerbüro der AAP Lehrerfachverlage, die Juristenplattform Jurion von WoltersKluwer oder die HaufeSuite, das Wissensportal für Unternehmen von Haufe.

Was dies bedeutet: Verlage müssen ihre Produkte im Hinblick auf den Kundennutzen vollkommen neu denken – weg von der reinen Wissensvermittlung, hin zur Unterstützung von Arbeits- und Lernprozessen.

Wen es betrifft: Bildungs- und Fachverlage
 

Trend: Vom Massen-zum Einzelprodukt

Worum es geht: Mass Customization ermöglicht die Gestaltung von individuellen Produkten in einem industriellen Verfahren – bekannte Beispiele sind Mymuesli oder Spreadshirt. Den Medienbereich erreichte dieser Trend zuerst über die Fotobücher, die sich jeder bei Anbietern wie Cewe erstellen kann. Verlage haben dieses Prinzip adaptiert, wie das Beispiel Calvendo für Kalender zeigt. Einen etwas anderen Ansatz bieten personalisierbare Bücher, bei denen bestehende Inhalte durch individuelle Komponenten verändert werden können. Beispiele hierfür sind die JollyBooks, Framily von Oetinger oder Geschenkeschatz des Verlages arsEdition.
Durch die Möglichkeiten von Big Data-Analysen erhält dieser Ansatz eine weitere Option: Der Verlag IDG hat mit dem Projekt „Score“ ein Verfahren  entwickelt, bei dem auf Grundlage des Kundenverhaltens (u.a. Websitebesuche, Bestellungen etc.) eine „User Scorecard“, also ein  Profil erstellt wird, das mit entsprechend getagten Inhalten abgeglichen werden kann. Auf diesem Weg kann IDG aus seinem großen Inhaltsarchiv den Kunden genau auf ihre aktuellen Interessen zugeschnittene Informationspakete anbieten.

Was dies bedeutet: Verlage können ihre Produkte noch genauer auf Kundenbedürfnisse anpassen, wenn sie technische Grundlagen dafür schaffen und den Kundenbedarf genau treffen. So entstehen unverwechselbare Angebote, die sich von dem wachsenden Medienangebot abheben und ein individuelles Erlebnis schaffen.

Wen es betrifft: Kinderbuch-, Ratgeber- und Fachverlage

 
Ehrhardt F. Heinold, Unternehmensberater Opens external link in new windowHeinold, Spiller & Partner

Quelle: Opens external link in new windowNewsletter Heinold, Spiller & Partner

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