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Gräbt sich Apple selbst das Wasser ab?

Gestern Abend hat Apple mit dem iPad mini (auf dem Foto von Marketing-Chef Phil Schiller präsentiert) die eigene Waffe im Kampf gegen die günstigen Amazon- und Google-Tablets ausgepackt. Eine, wie immer, brillante PR-Inszenierung, die allerdings Zweifel an der Strategie von Apple hinterlässt.

Erstmals seit Jahren hat Apple am Dienstag-Abend (ab 19 Uhr deutscher Zeit) eine Keynote live im Video-Stream übertragen (hier weiterhin verfügbar). Die Apple-Fans kamen dabei auf ihre Kosten: Das US-Unternehmen präsentierte eine beeindruckende neue Hardware-Palette mit einem leichten Upgrade für den Mac mini als Einstiegsgerät, einem komplett überarbeiteten All-in-one-Desktop-Modell (iMac) – und den schon erwarteten neuen Tablet-Modellen:
  • Das bisherige iPad-Modell (9,7-Zoll-Display) wird nur ein halbes Jahr nach der Einführung leicht aufgerüstet, mit einem schnelleren Chip (Dual-Core A6X mit Quad-Core Grafik) und dem neuen (kleineren) „Lightning“-Anschluss sowie einem breiteren Angebot an Schnittstellen (u.a. Bluetooth 4.0). Die Preise bleiben konstant (ab 499 Euro für die Wi-Fi-Variante und 629 Euro für die zusätzliche Mobilfunk-Schnittstelle). 
  • Apple führt mit dem iPad mini eine neue Größe ein: 7 mm dünn, 7,9 Zoll-Display, mit knapp über 300 Gramm halb so schwer im Vergleich zum bisherigen iPad-Modell, mit dem neuen „Lightning“-Anschluss (statt des 30-poligen Anschlusses), dem Dual-Core A5-Chip aus dem iPad 2-Auslaufmodell sowie darüberhinaus hauptsächlich den Spezifikationenen des neuesten iPad-Modells der 4. Generation. Interessant für Verlage mit eigenem App-Angebot: Die Auflösung des Displays Preis: ab 329 Euro (Wi-Fi) bzw. 459 Euro (Mobilfunk). Auslieferung ab 2. November (Wi-Fi-Variante) bzw. Ende November für das Mobilfunk-Modell.
Apple will in Schulen Fuß fassen 

Im Vorfeld hatten Verlage erwartet, dass Apple zahlreiche Neuerungen im E-Book-Bereich bekanntgibt. Am Ende präsentierte Apple lediglich

  • eine neue Version des Leseprogramms iBooks, die eine kontinuierliche Lektüre (statt virtuelles Umblättern) sowie das Posten von Text-Zitaten auf Facebook und Twitter ermöglicht,
  • und eine Erweiterung der eigenen Software zum Erstellen von Fachbüchern „iBooks Author“, die jetzt spezielle Bücher im Hochformat unterstützt und die Integration von mathematischen Formeln und Widgets bereithält.
  • In der Präsentation hob Apple-Chef Tim Cook besonders die starke Resonanz der Schulen zum Fachbuch-Angebot von Apple hervor. Über 2500 US-Schulen nutzten aktuell „iBooks“-Fachbücher, deren Inhalte inzwischen 80% US-Lehrplans abdeckten.
Hier ein erstes Video zur neuen iBooks Author-Version:
Interessanter ist die Internationalisierung des eigenen E-Book-Stores, der jetzt in 18 weiteren Ländern (darunter das heißumkämpfte Brasilien und Neuseeland) verfügbar ist. Insgesamt ist der iBookstore somit in 50 Ländern angekommen.
Cook gab außerdem ein Zahlen-Update zum E-Book-Geschäft: Aktuell seien 1,5 Mio Titel im eigenen Store verfügbar, insgesamt seien seit dem Start vor zweieinhalb Jahren 400 Mio Bücher heruntergeladen worden.
Aktionäre nicht begeistert

Dass die Apple-Aktie schon während der Keynote an der US-Technologie-Börse Nasdaq an Wert verlor, ist keine Überraschung. Denn die Strategie von Apple im Kampf gegen die günstigen Tablets von Amazon (Kindle Fire) und Google (Nexus) ist fragwürdig: Apple reagiert zwar mit dem iPad mini auf den verschärften Wettbewerb, allerdings zögerlich, indem Apple preislich weit oberhalb der Konkurrenz verharrt: Das Einstiegsgerät bei Amazon kostet mit 159 Dollar/Euro nur die Hälfte, liegt aber mit den eigenen Spezifikationen nicht weit vom iPad entfernt.  

Fazit: Ob Apple den sich deutlich abzeichnenden Verlust von Marktanteilen – je nach Analyst in den USA zwischen 20 und 30% – mit dem iPad mini abbremsen kann, ist zu bezweifeln. Am Ende könnte die Apple-Strategie dazu führen, dass das kleine iPad nicht Amazon und Google das Wasser abgräbt, sondern dem großen iPad.

Kommentare

4 Kommentare zu "Gräbt sich Apple selbst das Wasser ab?"

  1. Dem Vernehmen nach verkauft Amazon den Kindle Fire unter dem Selbstkostenpreis. D.h. jeder verkaufte Kindle Fire wird mit Verlust verkauft. Warum? Weil es ein kastriertes Tablett ist, das in erster Linie dazu dient, Amazon-Inhalte (die gekauft werden müssen) zu konsumieren. Nicht schlecht, aber eben halt mit einem eindeutigen Zweck.

    Google fährt eine ähnliche Strategie: auch hier bleibt beim Verkauf fast nichts hängen. Google verfolgt aber eine andere Strategie: die Nutzung des Tablets sorgt für Daten ohne Ende, die Google dann verwerten und verkaufen kann.

    Apple fährt dagegen eine ganz andere Linie: es geht hier weder um Benutzerdaten noch (in erster Linie) darum, den iPad-Kunden Bücher etc. anzudrehen. Apple will iPads verkaufen und daran verdienen.

    Als Kunde muss ich überlegen, was ich will.

    P.S. Dass die Apple-Aktie gestern an Wert verloren hat, war in erster Linie auch dem Markt geschuldet. Das Marktumfeld sah teilweise noch schlechter aus. Der NASDAQ hat in den letzten 24 Stunden 0,42% gewonnen, Apple hat 1,84% gewonnen. Jepp, gewonnen.

    P.P.S. Ich glaube, das Management in Cupertino kann ganz zufrieden sein. Egal, wie die Stimmungsmache aussieht. Der Laden brummt.

    • Ja, das sind sehr wichtige Kommentare. Amazon macht „Loss Leading“ und will Inhalte verkaufen, Apple verdient an der Hardware. Aber: Den meisten Kunden ist das Geschäftsmodell egal, sie werden immer häufiger zum Kindle greifen. Und darauf muss Apple reagieren. Aber nicht so halbherzig.

  2. Das Todschreiben des iPads wird mit gleicher Emsigkeit betrieben, wie das Todschreiben der anderen Apple-Geräte. Wenn das da alles so schwierig ist und so schlecht läuft, wieso verkaufen die dann so viel ?
    Warum macht Apple in einem Quartal mehr Gewinn, als die gesamte dt. Buchbranche in einem Jahr UMSATZ macht.
    Auch bitte beachten, dasz der apple-Kunde solvent und spendabel ist. Das ist zB von einem „Beagle“-Kunden (10,- Lesegerät) so nicht zu erwarten. Der Rest bewegt sich irgendwo dazwischen.
    Abgerechnet wird zum Schluß. Und in letzter Zeit sieht das immer anders aus, als der Kommentator hier „bezweifelt“.

  3. Apple hat meines Wissens noch nie einen Gedanken an ‚Kanibalisierung‘ verschwendet.

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