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Steffen Meier: Verlage, passt auf eure Dienstleister auf

Steffen Meier: Verlage, passt auf eure Dienstleister auf

Im Zuge der Digitalisierung entstehen eine ganze Reihe neuartiger Dienstleister, die derzeit vornehmlich eine Vermittlungsfunktion zwischen dem Verlag, seinen Inhalten und dem Endkunden einnehmen (Aggregatoren, App-Entwickler, …). Steffen Meier mahnt an, aus den nützlichen Helfern könnten schnell Konkurrenten werden.

buchreport führte vor Kurzem eine Expertenrunde durch zum Thema “Digital vs. Print – Verlage werden Organisationsnetzwerke von Fans“. Dabei ist mir ein Zitat von Helmut von Berg, Klopotek & Partner, besonders aufgefallen:

„Die Verlage werden lernen müssen, sich mit Technologie nur so weit zu beschäftigen, dass sie verstehen, was man damit tun kann, nicht mehr. Dann müssen sie Konzepte entwickeln und ihre Forderungen an die Technologie-Provider stellen: Das ist unser Bild der Nutzung unseres Content, weil unsere Nutzer diese Funktionalitäten von uns erwarten. Heute sind die meisten Verlage aber gar nicht in der Lage, diese Anforderung zu definieren.”

Mit letzterem hat er unbestritten Recht. Aber ein wenig erinnert dies an die traditionelle Vorgehensweise des Print-Geschäfts: Verlag entwickelt Buchidee mit Autor, Setzerei/Layout bringt das Ganze in eine von der Druckerei zu produzierende Form (vereinfacht ausgedrückt). Danach ging das Ganze an den Verlag zurück, der sich um Marketing und Vertrieb kümmerte. In den seltensten Fällen maßte sich diese Kompetenz etwa die Druckerei an, sie verfügte gar nicht über die nötigen Handelswege. Fein, das.

[Kleiner Einschub: das stimmt historisch so natürlich nicht ganz, sondern ist eher ein Modell, das sich in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ausgebildet hat. Davor war es nichts Ungewöhnliches, einen Verlag und eine Druckerei unter einem Firmendach zu haben.]

Nun fallen aber bei den neuen, auch in dieser Runde diskutierten Modellen, im schlimmsten Falle die Faktoren Marketing und Vertrieb weg: unser tradiertes Marketing hat kaum noch Einflüsse etwa auf die Positionierung von Apps in Stores, und auf den Vertrieb hat auch jemand anderes die Hand. Zudem gibt es eine wachsende Menge an Entwicklern, die den Markt aktiv scannen und von sich aus auf Content-Lieferanten zugehen – in ihrer eigenen Vergangenheit verhaftet, sind dies derzeit noch Verlage (glücklicherweise, möchte man sagen). Zudem sind Verlage auch attraktiv, da sie das nötige Investitionsvolumen mitbringen und rein aus Dienstleistersicht noch den krudesten Unsinn (mit)finanzieren.

Was aber, wenn diese Entwicklerfirmen, auch aus einem gewissen Konsolidierungsdruck, der sicher kommen wird, für sich neue Geschäftsmodelle suchen? Partizipierungsmodelle, die immer verstärkter angeboten werden – ich produziere dir die App günstig, dafür kriege ich ein prozentuales Stück vom (Verkaufs-)Kuchen? Eine Idee, auf die meines Wissens kaum eine Druckerei gekommen wäre. Warum auch?

Da die Technologieunternehmen oft genug für die Verlage den Mittler zu den App-Stores spielen und sogar die Abrechnung übernehmen, eigentlich naheliegend. Aber dann kehrt sich das Modell um und es kann passieren, dass diese Unternehmen ein Thema identifizieren und sich dann auf die Suche nach jemand machen, der ihnen maximalen Absatz garantiert.

Wie sagt Erhardt Heinold in obigem Artikel:

„Tim O’Reilly hat gesagt, dass die Existenzberechtigung von Verlagen wesentlich davon abhängen wird, ob sie mehr Fans und Reichweite generieren können als diejenigen, die sie verlegen. Wenn aber ein Autor wie Tim O’Reilly selbst 2 Millionen Follower auf Twitter hat, braucht der keinen Verlag mehr; wenn der twittert, ich habe ein neues Buch geschrieben, dann verfügt er über eine gigantische Reichweite.”

Dann wird die Formel maximaler Absatz = Verlag in Frage gestellt, und die “Forderungen an die Technologie-Provider”, wie sie Helmut von Berg nennt, klingt in diesem Zusammenhang unpassend. Bleibt die Frage, wer in diesem neuen Spiel zukünftig die Forderungen stellt.

P.S. Es geht mir hier um die mögliche zukünftige Wertigkeit und Position von Technologie-Dienstleistern im Medien-Wandel. Ansätze dazu gab es im freien Internet mit den Provider-Portalen, die den traditionellen News-Produzenten wie Zeitungen massiv Konkurrenz gemacht haben, teils dann mit eigenen Redaktionen. Natürlich kam alles nicht so schlimm und es waren viele Faktoren notwendig, um das Internet für Verlage größtenteils nicht-monetarisierbar zu machen. Und im Umkehrschluß in allen Verlagen technologisches KnowHow bis unter die Haarwurzel zu sammeln mag auch keine Lösung sein. Aber ich würde doch sagen: Lieber Verlag, behalte die “Entwicklerbuden”, wie du sie oft nennst, genau im Auge, diese könnten morgen deine Konkurrenz sein.

P.P.S. Im übrigen ist das eine meiner Thesen, die ich auf dem „Mobile Publishing-Gipfel” am 31.05. in München in einem Panel namens “Neue Workflows, Prozesse und Teamstrukturen” zum Besten geben werde, man möge mir die Eigenwerbung hier verzeihen.

Steffen Meier ist Verlagsleiter Online im Verlag Eugen Ulmer. Hier seine Webseite

Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Beitrag ist zunächst auf lesen.net veröffentlicht worden

Kommentare

2 Kommentare zu "Steffen Meier: Verlage, passt auf eure Dienstleister auf"

  1. Lieber Herr von Berg, leider kann ich mich schwerlich an das halten, was gesagt wurde (mangels Anwesenheit) sondern mich nur auf das Geschriebene beziehen – aber weder Gehörtes noch Gelesenes sind deswegen frei von Fehlinterpretationen.
    Und sehen Sie es mir nach – ich wollte auf dieser Ebene auch keine Diskussion mit Ihnen lostreten (das liegt mir von Angesicht zu Angesicht doch näher), sondern auf einen Umstand hinweisen, denn ich als nicht ungefährlich für die Branche erachte. Was wiederum impliziert, daß Verlage nicht nur auf ihre Dienstleister „aufpassen“ sollen, sondern natürlich auf sich selbst. Ich unterstelle den verlagsfremden Spezialisten ja keinen bösen Willen, sondern schlicht Orientierung an der Marktwirtschaft.
    Insofern hätte ich auch eher mit einer Replik von Dienstleisterseite als von Branchenkollegen gerechnet.

  2. Lieber Herr Meier, wenn Sie mit mir diskutieren wollen, sollten Sie sich an das halten, was ich gesagt habe, und nicht an etwas, von dem Sie so tun, als ob ich es gemeint hätte.
    Wobei ich anfügen möchte, dass Ihr Aufruf – wäre er konsistent – heißen müsste: Verlage, passt gut auf Euch auf.
    Dem könnte ich mich vorbehaltlos anschließen, weil ich mich seit Jahren öffentlich darum bemühe, einen Beitrag dazu zu leisten, dass Verlage als Publisher eine Zukunft haben, auch wenn sie dann womöglich nicht mehr ›Verlag‹ heißen sollten.

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