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Emanzipation mit Format

Früher war alles ganz einfach: Ein neues Buch erblickte als teures Hardcover das Licht der Bücherwelt und kam zwei bis vier Jahre später als billiges Taschenbuch. Die Softcover-Version erschien im Deutschen Taschenbuchverlag (dtv), wenn das Original von einem der elf Verlage stammte, die den dtv 1960 eigens zu diesem Zweck gegründet hatten.

Heute gibt es Originalausgaben im Taschenbuch, keine feste Grenze mehr zum Hardcover, und das ehemals feste Preisgefüge ist durcheinandergewirbelt. Und dtv ist erwachsen geworden.

Die Lizenzen der Gesellschafter haben für das Münchner Bücherhaus immer mehr an Bedeutung verloren. „Annähernd zwei Drittel unserer Bücher sind Original- und Erstausgaben“, berichtet dtv-Verleger Wolfgang Balk (Foto). Eine zwangsläufige Entwicklung: Die Reihen der Gesellschafter haben sich im Verlauf der Jahre stark gelichtet.

Statt der elf „führenden deutschen Verlage“ die ausweislich der Verlagschronik 1960 mit von der Partie waren, sind es heute nur noch vier aktive Gesellschafter, die dtv mit Lizenzen versorgen: Neben der Verlagsgruppe Ganske mit ihren Verlagen Hoffmann und Campe und GU bleiben C.H. Beck, Hanser und Oetinger als Lizenzlieferanten.

Grenze zum Hardcover überschritten

Mit der Reduzierung ihrer Zahl sei das Verhältnis zu den einzelnen Gesellschaftern „in gewisser Hinsicht enger geworden“, berichtet Balk, der 1996 von Fischer Taschenbuch zu dtv kam. „Wir kaufen immer noch teilweise gemeinsam Bücher ein und haben ein gewisses Vorkaufsrecht zu Marktpreisen.“ Da aber die Zahl der zur Verfügung stehenden Lizenzen insgesamt abgenommen hat, ist die Notwendigkeit immer größer geworden, eigene Inhalte zu finden.

Parallel dazu hat der Münchner Verlag die Grenzen seines angestammten und namensgebenden Segments längst überschritten: 1996 eingeführt, behauptet sich die Paperback-Reihe „dtv Premium“ mit immer mehr Titeln im Markt. Das höherwertige Klappbroschur-Format hat eine Erfolgsgeschichte geschrieben: Aktuell gibt es 236 lieferbare „dtv Premium“-Titel.

Nicht alle neuen Formate, an denen der Verlag sich in den vergangenen Jahren versucht hat, haben sich bewährt. Eine vor zwei Jahren ins Rennen geschickte Hybrid-Variante mit Flexcover und Lesebändchen wurde nicht fortgeführt. „Das Format war nicht sehr erfolgreich“, erklärt Balk lapidar.

Bessere Erfahrungen haben die Münchner mit der endgültigen Überschreitung der Grenze zum Hardcover gemacht: Im Frühjahr sind die ersten dtv-Titel als „echte“, wenn auch kleinformatigere Hardcoverausgaben erschienen. „Das  Hardcover wird eher angenommen, weil das Format vertraut ist und den Geschenkcharakter der Bücher erhöht“, meint Balk. Im Herbstprogramm legt dtv deshalb mit einer Reihe fest eingebundener Neuausgaben nach.

David Wengenroth

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