buchreport

Wenn Autoren reden, gibt es nur Gewinner

Jamie Brickhouse koordiniert für
HarperCollins die eigene
Redneragentur.

Wenn George W. Bush demnächst  nach zwei Amtsperioden in den  Polit-Ruhestand geht, sollte er sich mit seiner Tochter beraten, bevor er die angepeilte Zweitkarriere als Redner in Angriff nimmt. Jenna Bush, die mit dem Kinderbuch „Ana’s Story“ 2006 einen Bestseller hatte, ist selbst eine gefragte Gastrednerin und kennt sich in dem Metier aus.

Die Präsidententochter gehört zu den rund 200 Autoren, die in den letzten drei Jahren  beim HarperCollins Speakers Bureau festgemacht haben. Redneragenturen, die Politiker, Künstler, Sportler und natürlich auch Schriftsteller als Gastredner vermitteln, gibt es in den USA wie Sand am Meer. Relativ neu ist, dass die Verlage die Vermarktung ihrer Autoren im „Lecture Circuit“ zunehmend selbst übernehmen.

In der Werbung um die Ecke denken

HarperCollins war im Mai 2005 die erste der großen amerikanischen Publikumsverlagsgruppen mit eigener Redneragentur. Es war die im Juni aus dem Amt geschiedene Verlegerin Jane Friedman, die das Speakers Bureau ins Laufen gebracht und mit Jamie Brickhouse einen der erfahrensten PR-Spezialisten der US-Buchbranche als Leiter an Bord geholt hatte. „Es reicht nicht, Autoren auf Lesereise zu schicken und sie dann allein zu lassen. Wenn wir unsere Bücher verkaufen wollen, müssen wir auch um Ecken denken. Die Autoren und ihre Bücher sind unser Kapital, das wir überlegt vermarkten müssen“, sagte Friedman kürzlich in einem Gespräch mit buchreport.

Das Beispiel HarperCollins machte schnell Schule. Mittlerweile betreiben Alfred A. Knopf (Januar 2006) und Penguin USA (Juni 2006) eigene Rednerbüros. Random House ist seit Oktober 2005 mit der Bostoner Agentur American Program Bureau (ABP) liiert und ganz aktuell ist Mitte Juni auch Simon & Schuster mit Partner Greater Talent Network  auf den Zug aufgesprungen. „Es gibt kein besseres Kompliment als Nachahmer“, kommentiert Jamie Brickhouse trocken die Bemühungen der Konkurrenz.

Dass die Random House-Gruppe im Rednermarkt zweifach auftritt, hat in der Branche zunächst für Kopfschütteln gesorgt, ist aber für Konzernsprecher Stuart Applebaum ein völlig normaler Vorgang. „Bei uns hat jeder Verlag absolute Autonomie, wenn es um Marketing und die Betreuung der Autoren geht. Der eine will direkt involviert sein und sieht Chancen für zusätzliches Einkommen, der andere will sich nicht mit den organisatorischen Details befassen und lässt die Agentur den Job machen.“

PR-Spezialist Brickhouse definiert Speakers Bureaus als „das perfekte“ Marketinginstrument: „Sie sind gut für das Image des Autors, weil er im Gespräch bleibt; und sie bringen ihm und uns sogar noch Geld ein.“ Auch Applebaum ist uneingeschränkt enthusiastisch, weil „alle nur gewinnen können“.

Chance für Midlist-Autoren

Insbesondere für Autoren aus der zweiten Reihe tun sich neue Möglichkeiten auf. „Um einen John Grisham reißen sich alle; wir vertreten auch Autoren, die die Rednerbüros nur bedingt nehmen, weil sie nicht in der ersten Liga spielen“, sagt Brickhouse. Ein weiterer positiver Aspekt ist für ihn die Tatsache, dass der Redner, anders als bei einer Lesereise, durch die klar definierte Zielgruppe jeder Veranstaltung sicher sein kann, vor einem vollen Auditorium zu stehen. „Das ist Risikominimierung pur.“

Über mangelnde Nachfrage nach HarperCollins-Autoren kann sich der 40-Jährige nicht beklagen. Veranstalter von Messen, Konferenzen und Kongressen klopfen ebenso regelmäßig an wie Universitäten, Bibliotheken, Schulen und Großkonzerne. Als erfahrener PR-Mann verfügt er zudem über ein dichtes Netz von Kontakten, das für seine Aufgabe unverzichtbar ist.

Nicht zufällig sind Sachbuchautoren in den Speakers Bureaus deutlich häufiger als Romanschriftsteller gelistet. „Hier geht es nicht um Werbung für den aktuellen Bestseller, sondern vorwiegend um Nonfiction-Events, für die Redner mit fachlicher Kompetenz gesucht werden.“ So wie Unicef-Mitarbeiterin Jenna Bush, die sich engagiert für Aids-infizierte Kinder in der Dritten Welt einsetzt und seit „Ana’s Story“ bereits in über 50 Buchhandlungen, Schulen und Bibliotheken über das Thema referiert hat.

Über Geld reden alle Beteiligten ungern, aber für ihre Vermittlertätigkeit kassieren die Speakers Bureaus der Verlage 20% des Honorars. Damit sind sie billiger als die professioneller Agenturen, die bei 25% bis 30% liegen. Die Bandbreite bei den Honoraren ist groß: Der Standardsatz liegt zwischen 5000 und 7500 Dollar, nach oben gibt es kaum Grenzen; für Topnamen können es 100000 Dollar und mehr sein.

Das Speakers Bureau von HarperCollins funktioniert mit einem kleinen Team von nur vier Leuten. „Das geht, weil wir eng mit den Abteilungen Publicity und Reisen zusammenarbeiten“, erklärt Brickhouse. Wer einen HarperCollins-Autor als Gastredner verpflichtet, zahlt neben dem Honorar die Reisekosten erster Klasse für den Redner sowie eventuelle Begleitpersonen. Dafür gibt es im Regelfall einen 60-Minuten-Vortrag, gefolgt von einer Frage-und-Antwort-Session. Danach signiert der Redner seine Bücher.

„In den meisten Fällen verpflichten sich die Veranstalter zur Abnahme einer bestimmten Anzahl Bücher des Redners“, so Brickhouse. Sie werden auf Büchertischen verkauft, mitunter vom Gastgeber auch an die Teilnehmer verschenkt. Zwischen 200 und 250 Bücher gehen durchschnittlich pro Veranstaltung weg, die entweder HarperCollins direkt oder – überwiegend – ein Buchhändler vor Ort liefert.

Auf die Einbeziehung des Buchhandels legt Brickhouse großen Wert. Das hat seinen Grund: Als die Speakers Bureaus aufkamen, fühlten sich viele Sortimenter übergangen und ins Abseits gestellt. Inzwischen haben sich die Irritationen gelegt. „Diese Events nehmen dem Buchhandel keinen Umsatz weg, ganz im Gegenteil. Wann immer es geht, suchen wir uns eine Buchhandlung als Partner. Nur wenn wir die nicht haben, liefert der Verlag direkt.“

Anja Sieg

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