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Fanal für die Fachverlage

Der Heidelberger Philologe Roland Reuß, bekannt geworden durch den „Heidelberger Appell“, nimmt sich Wissenschaftsorganisationen, Bibliotheksverbände und den Bundesgerichtshof (BGH) vor: Zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse beklagt er in der „FAZ“, dass eine fehlgeleitete digitale Freibiermentalität wissenschaftlichen Autoren und Verlagen die Basis zu entziehen droht.

Anlass der Philippika ist die Begründung des Bundesgerichtshofs-Urteils in dem Verfahren Ulmer Verlag vs. TU Darmstadt. Mit dieser vom Börsenverein unterstützten Musterklage hatte der Verlag versucht, den Anwendungsbereich des § 52b UrhG einzugrenzen. Die Vorschrift erlaubt Bibliotheken, urheberrechtlich geschützte Werke zu digitalisieren und ihren Lesern an Leseplätzen zur Verfügung zu stellen. Mit seinem Urteil hatte der BGH den Bibliotheken dafür freie Hand gegeben, u.a. auch Ausdruck und Download zu erlauben.

Damit ziehe der BGH Wissenschaftsverlegern und Autoren wirtschaftlich den Boden unter den Füßen weg, schimpft Reuß in der „FAZ“: „Wer unter den Fachbuchverlagen wird unter solchen Rahmenbedingungen noch das Risiko einer Investition tätigen? Mindestens im Bereich des Lehrbuchs werden die deutschen Studenten nach dieser Rechtsprechung auf den Stand von 2015 eingefroren.“

Als Grundübel identifiziert Reuß aber eine grassierende Verlagsfeindlichkeit in Wissenschaftsorganisationen und Bibliotheksverbänden. „Das Schlimmste am BGH-Urteil ist, dass es die unverständige, aggressive und in letzter Instanz autodestruktive Absicht der deutschen Bibliotheken, die Verlage aus dem Publikationssystem herauszukicken, höchstrichterlich prämiert. In dieser Stoßrichtung scharen sich Bibliotheksverband, DFG, BMBF, Google und Konsorten um ihre gemeinsame Waffe, den Scanner, und befördern damit zugleich aktiv die Atomisierung nicht nur der wissenschaftlichen, sondern der Autoren insgesamt.“

Bei seiner Analyse teilt der polarisierende Philologe auch gegen international agierende Großverlage ordentlich aus: „Denn so klar es ist, dass einige international agierende Großverlage (Elsevier, Springer, de Gruyter) sich heute den Teufel um ihre Autoren kümmern und statt Büchern auch Autos, Monopolzahnbürsten oder Gewinnwarnungen verkaufen könnten – man fragt sich ohnedies, ob man diesen eigenartigen Konsortien angelsächsischer Heischewirtschaft noch den Namen eines Verlags zubilligen soll –, so gilt auch, dass die vernünftigen deutschen Verlage mittlerer und kleinerer Größe für die Autoren einen unerlässlichen Schutzraum darstellen, dessen Schleifung reaktionär und barbarisch genannt zu werden verdient. Die Intention, sie zu zerstören, arbeitet einzig der digitalen Unterdrückung zu.“

Als Folge der Verlagsfeindlichkeit sieht Reuß auch die „skandalöse“ Open-Access-Politik der Wissenschaftsorganisationen, die Millionen in den Ausbau perspektivloser Uni-Repositorien pumpe.

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