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Kultur ist kein Platz für Productplacement

Aus Protest gegen den Stromkonzern Vattenfall haben Hamburger Kulturschaffende und Leser eine Alternative zu den Vattenfaller Lesetage organisiert (hier mehr). Was sich Lutz Schulenburg von der Initiative gegen Vattenfall erhofft, erzählt der Nautilus-Verleger im Interview mit buchreport.de.

Warum engagieren Sie sich für die Alternative zu Vattenfall?

Vattenfall ist ja nicht nur ein Stromanbieter, der den Strommarkt beherrscht und den Ausweg zu alternativen Energien blockiert. Der Konzern monopolisiert auch die kulturelle Sphäre: Das Lese-Programm wird im Rathaus vorgestellt, Kulturbehörden und wichtige Medien treten als Partner auf und unterstützen das aufdringliche Sponsoring für den Stromkonzern. Wir brauchen eine Gesellschaft, die ihre Ressourcen schont. Bei dieser Art von Wirtschaftsweise ist die Gesellschaft in 100 Jahren nicht mehr denkbar. Uns als (kleiner) Kulturproduzent ist es auch ein Dorn im Auge, dass diese Kulturveranstaltungen, wie im Fall von Vattenfall, nicht mehr der kulturellen Bereicherung, sondern allein dem Productplacement dienen. Besorgnis erregend ist außerdem, dass die Konzerne immer mehr in den Schulen agieren wollen, in diesem Fall unter dem Deckmantel der Leseförderung.

Aber Sie waren doch erst im letzten Jahr noch Partner der Vattenfaller Lesetage?

Ja, bis uns die Initiatoren des alternativen Lesefestes gefragt haben: „Was macht ihr da eigentlich?“ Wir fanden, dass sie recht haben, darum haben wir Vattenfall 2010 zum letzten Mal unterstützt und freuen uns, dass es nun eine Alternative gibt. Als kleiner Verlag leisten wir einen bescheidenen Beitrag, aber es ist Teil unseres Selbstverständnisses, dass wir mitmachen. Meines Wissens nach ist dies das erste Bündnis von gesellschaftlichen Gruppen, Kulturschaffenden, Lehrern und ökologisch Engagierten, die ein gemeinsames Aktionsfeld geschaffen und „von unten“ ein durchlässiges Lesefest organisiert haben, ohne auf Qualität zu verzichten. Wir finden es toll, dass sich so viele Autoren – unter ihnen Harry Rowohlt, Frank Schulz und Brigitte Kronauer – gesellschaftlich engagieren und gemeinsam ein Zeichen setzen wollen.

Bisher haben Sie etwa 50 Veranstaltungen im Programm, bei den Vattenfaller Lesetagen sind es 126. Glauben Sie, dass das Echo Ihrer Gegenbewegung groß genug sein wird?

Die Vattenfaller Lesetage haben eine eingespielte Maschinerie, die läuft. Dagegen stellen wir etwa die Hälfte an Veranstaltungen, aber es kommen laufend Buchhändler dazu, die noch mitmachen wollen. Vattenfall hat in Presse, Radio und Kulturbehörden starke Medienpartner, dagegen können wir „nur“ auf den kreativen Pool setzen. Für Buchhändler ist es ein Desaster, dass die Lesetage nur von einer Kette, dem Buchzentrum Heymann, betreut werden. Heymann ist zwar eine sehr gute örtliche Buchhandlung, dennoch ist die Zentralisierung für eine kulturelle Landschaft nicht gut.

Hoffen Sie, dass der Funke auch auf andere Städte überspringen wird?

Ich fände es schön, wenn Bürger, Buchhändler, Kulturproduzenten und Kreative häufiger selbstständige Lesefeste organisieren und dafür auch gesellschaftliche Einrichtungen und Kulturträger einbeziehen. Auch einzelne Buchhändler können gemeinsam eine fokussierte Aufmerksamkeit erreichen, sich mit Künstlern vernetzen und sich beim Kunden ins Gespräch bringen. Das Lebendige am Buchhandel ist doch der Mensch, der ein gutes Buch empfiehlt, sich für Leseförderung und für eine bessere Gesellschaft einsetzt.

Die Fragen stellte Lucy Kivelip

Kommentare

1 Kommentar zu "Kultur ist kein Platz für Productplacement"

  1. Jörg Braunsdorf | 11. März 2011 um 23:21 | Antworten

    Lutz Schulenburg und alle, die dies mit unterstützen, haben recht.

    Die Kultur wird „eingekauft“ und verliert Ihren eigenständigen Part. Stattdessen findet eine „Folklorisierung“ und „Instrumentalisierung“ statt und die Interessen und Ideen von Buchhandlungen, Verlagen und Autoren werden hintenangestellt. Leider ist dies wieder einmal ein Beispiel für die Entfremdung kultureller Tätigkeit, denn sie soll ja vor allem den gewünschten Medieninteressen dienen.

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