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Zukunft der Loseblattwerke

Anlässlich des 5. Branchenforums Loseblattwerke, das am 23. Februar 2016 im Literaturhaus München stattfindet, haben sich Ehrhardt F. Heinold (Geschäftsführer, Heinold, Spiller & Partner) und Stephan Behrens (Geschäftsführer, Weka Media) über die Zukunft von Loseblattwerken unterhalten.

1. Branchenexperten haben schon seit vielen Jahren das Ende der Produktgattung Loseblattwerk vorausgesagt. Wie ist die aktuelle Situation bei Weka?

Da liegen die Experten nicht ganz so falsch – allerdings vermeiden sie meist, einen genauen Zeitpunkt vorauszusagen. Bei uns stellt sich die Entwicklung so dar, dass wir schon seit längerem keine neuen Loseblattwerke mehr entwickeln. Bestandstitel werden weiter aktualisiert, die Kunden aber gleichzeitig angesprochen den „digitalen Aufstieg“ zu vollziehen. Das gelingt je nach Zielgruppe unterschiedlich gut, ist aber ein Prozess, der von uns seit Jahren aktiv betrieben wird. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass das LBW nach wie vor seine Freunde hat und diese Kunden den Umstieg nicht wollen. Solange der LBW-Titel profitabel betrieben werden kann, bieten wir unseren Kunden diesen selbstverständlich weiter an.
2. Das Loseblattwerk in seiner klassischen Form lebt also noch, das Produktkonzept muss aber in das digitale Zeitalter überführt werden. Welche Transformationsstrategie verfolgt Weka?
Im Nachhinein betrachtet muss man festhalten, dass es eine Strategie, die diesen Namen verdient, nie gegeben hat. Vor 18 Jahren ist man damit gestartet, die Inhalte des LBW als PDF auf eine CD zu brennen und diese ohne Aufpreis dem Loseblatt-Grundwerk und dann auch den Aktualisierungen beizulegen. Das war keine strategische Entscheidung mit dem Fokus auf eine digitalen Transformation, sondern vielmehr dem Umstand geschuldet, dass es erste Anbieter gab, die echte digitale Fachinformationsprodukte auf den Markt gebracht haben. Zu diesem Zeitpunkt waren die Auflagen der LBW bei uns noch so hoch, dass sich die Notwendigkeit der Digitalisierung auf die Datenhaltung und -aufbereitung beschränkte. Die aktive Entwicklung digitaler Produkte für unsere Kunden lag, genau genommen, noch in den Kinderschuhen. Erst seit 2005 werden digitale Produkte verstärkt und gezielt entwickelt und sind seitdem auch keine kostenlose Beigabe von Loseblattwerk-Aktualisierungen mehr. Bis vor 3 Jahren glichen diese Produkte in Struktur und Aufbau aber immer noch eher den LBW-Titeln. Erst seit 2012 können wir behaupten, eine wirklich auf den Kundennutzen hin ausgerichtete digitale Fachinformationslösung anbieten zu können. Diese, bei uns „Smart Pilot“ genannte, Online-Retrivallösung bietet unseren Kunden völlig neue Zugangswege und einen wesentlich höheren Individualisierungsgrad als die bisherigen Angebote. 
3. Reichen gute Inhalte noch, oder müssen Verlage in ihren Fachmedien mehr Services und Tools zur direkten Unterstützung von Kundenprozessen bieten? 
Nur guter Content reicht unseren Kunden nicht mehr. Das LBW war ja auch noch nie ein Buch zum Lesen, sondern ein Arbeitsbuch zum Nachschlagen. Und hier bieten digitale Lösungen viel mehr Optionen. Intelligent aufgebaut lassen sie sich in die Prozesse und Arbeitsabläufe der Kunden integrieren und bieten so einem erheblichen Mehrwert. Der positive Nebeneffekt: so integriert ist die Kundenbeziehung viel stabiler.
4. Welche internen Veränderungen sind mit dieser Produkterweiterung verbunden?
Die größte Veränderung musste sicherlich in den Köpfen der Produktmanager/-entwickler stattfinden. Sie waren bisher daran gewöhnt, ein Thema aufzugreifen und es zusammen mit einem Herausgeber inhaltlich auf den Punkt zu bringen. Die Frage, mit welchem Format können die Bedürfnisse der Kunden am besten befriedigt werden können, hatte man sich genau genommen nicht gestellt – es stand von vornherein fest: das Thema xy wird als LBW aufbereitet. Ich halte es da mehr mit Albert Einstein, der gesagt hat: „Nichts zeugt mehr von Dummheit, als immer wieder die gleichen Dinge zu machen und andere Ergebnisse zu erwarten.“ 
Für unsere Mitarbeiter war es insofern schon eine Herausforderung stärker in Kundennutzen zu denken und den „LBW-Automatismus“ abzulegen. Gute Erfahrungen haben wir vor allem damit gemacht, dass wir zunächst die Attraktivität der einzelnen Zielgruppen, sprich: das Zukunftspotenzial, genau analysiert haben. In den so lokalisierten Wachstumsbereichen haben wir dann gezielt Zusatzangebote – auch digitale – zum LBW entwickelt und bewusst das Risiko einer Kanibalisierung in Kauf genommen. Die Mitarbeiter, die diese Bereiche vorangetrieben haben, gehören, was ihr Selbstverständnis anbelangt, dann auch eher zu den „offensiven“ Kräften. Mitarbeiter, die diese Entwicklung eher skeptisch gesehen haben, spezialisierten sich hingegen auf Themenbereiche, die sich eher in der Reifephase bzw. bereits am Ende ihres Lebenszyklus befunden haben. Ihnen gelang es durch viel Detailarbeit, die Haltbarkeit der Altabos weiter zu verbessern und so ebenfalls zu einer positiven Umsatz- und Ergebnisentwicklung beizutragen.
5. Ihr Vortrag auf dem Branchenforum Loseblattwerke heißt „Innovative Digitalprodukte entwickeln – Wie Sie aus dem Loseblatt -Bestandsgeschäft neues und nachhaltiges digitales Wachstum generieren“. Was wird die Kernbotschaft sein?
Unsere Erfahrungen zeigen, dass eine Produkterweiterung des klassischen LBW mit Serviceleistungen oder auch digitalen Tools auf Dauer keinen Erfolg bringt. Den digitalen, am besten in den Prozessabläufen des Kunden integrierten Lösungen gehört die Zukunft. Und es spricht nichts dagegen, diese Lösungen aktiv an die bisherigen LBW-Kunden zu vertreiben. Hier genießt man einen Vertrauensvorschuss, kann viel einfacher in den Dialog treten und bekommt in der Regel ein ehrliches Feedback. Also: Keine Scheu zeigen und ran an die Bestandskunden – denn wenn man es nicht selbst macht, freut sich der Wettbewerb! 

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