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Wissen, was der Kunde wollen wird

Verleiht Künstliche Intelligenz (KI) Superkräfte? Einmal eingesetzt wird alles gut? Wohl eher nicht. Aber das Potenzial, das in ihr steckt, ist riesig. Richtig verstanden und angewandt, kann KI einen erheblichen Wettbewerbsvorteil liefern und die Produktivität enorm steigern. Doch wie kann auch der Mittelstand KI nutzen?

Ein Beispiel für mittelstandskompatible KI-Anwendungen ist Predictive Marketing. Es kommt besonders bei der Personalisierung von Webseiten und Online- oder Offline-Werbung, etwa in Shops zur Anwendung. Tim Cole, Chefredakteur der Zeitschrift „Smart Industry”, erklärt im Prozesschannel von buchreport.de die Besonderheiten des Predictive Marketing.

 

Wissen, was der Kunde wollen wird

Die robotergestützte Prozessautomatisierung als Gateway-Technologie wird auch im Marketing und Vertrieb in Zukunft eine Riesenrolle spielen, etwa bei der Durchführung von Bonitätsprüfungen, der Aktualisierung von Kundendaten, der Zuordnung von Sachbearbeitern und dem Personalisieren von Inhalten.

Jede Markeninteraktion, die ein Verbraucher hat, sei es über eine E-Commerce-Website, soziale Medien oder im Geschäft, wird in Zukunft von einer Marketingplattform verfolgt und gespeichert werden. Sogenannte „prädiktive“ Lösungen greifen dann tief in diese Erkenntnisse ein, um die logischen nächsten Schritte zu bestimmen und Aktionen vorherzusagen, die Kunden mit bestimmten Verbraucherprofilen ergreifen werden. Das Ergebnis dieser Analysen kann automatisch Handlungen des Unternehmens über verschiedene Kanäle aus­lösen, zum Beispiel über E-Mail, Mobilgeräte und Web.

Es gibt inzwischen leistungsfähige Prognosewerkzeuge wie Einstein von Salesforce.com, oder Atomic Reach, die dabei helfen können, zu verstehen, welche Inhalte bei einer Zielgruppe gut ankommen. Concured, das sich als „listening tool“ versteht, nutzt KI, um das Verbraucherverhalten in Bezug auf Inhalte zu analysieren und zukünftiges Content Marketing zu gestalten.

Solche Werkzeuge sind bei der Erstellung und Ausführung personalisierter Marketing­strate­gien von entscheidender Bedeutung. Um wirklich personalisierte Kauferlebnisse für Verbraucher zu schaffen, benötigen Marketing-Fachleute aktuelle Einblicke in die einzelnen Zielgruppenmitglieder und müssen dann in der Lage sein, die einzigartigen Inhalte entsprechend zu generieren und zu liefern. Wenn die Verbraucher diese maßgeschneiderten Inhalte nahezu in Echtzeit erhalten, steigert dies die Effizienz der Arbeit von Marketingteams erheblich.

Im Marketing bieten sich verschiedene Arten von vorausschauenden Lösungen an. Prädiktive Mail-Lösungen können den Verbrauchern gezielte Empfehlungen per Mail liefern, indem sie ihre bisherige Einkaufshistorie, die E-Mail-Einsatzraten und die historischen Affinitäten ähnlicher Verbraucher analysieren. Andere Arten von Empfehlungs-E-Mails umfassen abgebrochene Warenkorbkampagnen, Kampagnen nach dem Kauf und abgebrochene Browse-Kampagnen. Wenn ein Verbraucher eine Online-Website besucht, lässt sich mithilfe von Predictive-Analytics-Ansichten ein personalisiertes Einkaufs- oder Surf-Erlebnis schaffen, indem die Platzierung bestimmter empfohlener Produkte über dem Falz erfolgt oder eine Seitenleiste mit „häufig zusammen gekauften“ Artikeln generiert wird.

 

Beispiel Alibaba: Zeigt dem Kunden, was er will

Der chinesische Alibaba-Konzern hat in Hongkong das weltweit erste Bekleidungsgeschäft mit integrierter KI eröffnet. Nachdem Kunden beim Betreten des FashionAI-Geschäfts einen QR-Code abgelichtet haben, gleicht ein intelligenter Spiegel im Geschäft die ausgewählten Artikel mit anderen Produkten ab, darunter auch solche, die der Kunde zuvor auf dem firmeneigenen Commerce-Portal Taobao gekauft hat. Die Verbraucher können ihre Einkäufe mitnehmen, wenn sie den Laden verlassen, oder den Laden bitten, die Liefe­rung zu arrangieren.

Das ist nur ein Beispiel für den Einsatz von KI beim größten Handelsunternehmen im Reich der Mitte mit einem Warenumsatz im Jahr 2019 von rund 376,8 Mrd Yuan (48 Mrd Euro). AliExpress und Taobao setzen längst leistungsfähige KI-Systeme ein, um Kunden bei der Suche nach dem richtigen Produkt zu helfen. Jedes Mal, wenn ein Kunde auf die Webseite kommt, wird eine Auswahl an Artikeln generiert, die sich an seinen bekannten Präferenzmustern orientiert. Dabei wird haarklein beobachtet, was der Kunde tut, und die Auswahl wird in Echtzeit angepasst, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass es zu einem Verkaufsabschluss kommt. Auf dem Taobao-Portal verwendet das Unternehmen verstärkendes Lernen (englisch: reinforcement learning), um die KI zu trainieren.

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Weil das Risiko aber zu groß wäre, wenn die Maschine komplett ohne Aufsicht entscheiden würde, hat man eine Art „virtuelles Taobao“ geschaffen, wo das Kundenverhalten anhand von Hunderttausenden von Stunden aufgezeichneter Daten simuliert wird. Durch die große Masse an Daten kann das System mit einer Vielzahl verschiedener Verhaltensmuster von Kunden in wesentlich kürzerer Zeit trainiert werden. Die Erkenntnisse werden anschließend in die „echte“ Handelsplattform eingespielt.

Alibaba hat auch einen eigenen Chatbot namens Dian Xiaomi, was so viel heißt wie „Verkaufsassistent“, der bei der Kanalisierung und Bearbeitung der Kundenanfragen hilft. Kunden, die, ohne vorher die Website zu besuchen, gleich beim Callcenter anrufen, können so nach und nach auf den Chatbot umgelenkt werden. Erst wenn dieser nicht weiterweiß, wird der Kunde per Rückruf­service an einen Berater aus Fleisch und Blut weitergeleitet. Der Chatbot dient auch als Marketinginstrument, etwa zur Beantwortung einfacherer Fragen vor dem Kauf.

Laut Produktmanager Liu Jianrong von Alibaba dient der KI-Verkaufsberater vor allem dazu, die Kundenservicezentren des Unternehmens zu Spitzenzeiten zu entlasten. „Wir haben festgestellt, dass den Unternehmen vor allem zu viel frequentierten Zeiten unter Tags Mitarbeiter fehlen, aber auch in den Abendstunden, wenn die Callcenter weniger besetzt sind.“ Auch besondere Tage wie der 11.11. – in China der Singles Day, der mit Schnäppchen und Sonderangeboten in den Geschäften gefeiert wird – seien so besser zu bewältigen.

 

Der Blick nach vorn

Inzwischen beginnt sich das Modewort „Predictive Marketing“ in Fachkreisen durchzusetzen. Wer heute schon die Kunden von morgen kennt, hat die Chance, seine Werbebudgets effizienter einzusetzen. Das Wissen, wann ein Kunde bereit für den Kauf ist, wird in Zukunft entscheidend für den Marketing-Erfolg sein. Das setzt aber eine ausreichend große Datenbasis über Kunden- und Vertriebsdaten voraus. Entscheidend ist dabei das intelligente Zusammenführen der Daten aus verschiedenen Datenquellen, um Verkaufschancen zu identifizieren und die Erkenntnisse aus der Datenanalyse zu nutzen, um zum Abschluss bereite Zielgruppen zu identifizieren.

Beim Predictive Marketing geht es vor allem darum, sogenannte Personas zu erzeugen, die statistisch Merkmale besitzen, die für den Abschluss relevant sind. Durch die daten­getriebene Identifikation der Abschlusspotenziale auf Basis historischer Daten erzielt man als Werbetreibender eine viel genauere Zielgruppenbeschreibung und Identifikation. Daten müssen über verschiedene Kanäle unter Berücksichtigung des Datenschutzes gesammelt und gebündelt werden. Dadurch werden Rückschlüsse auf potenzielle Zielgruppen in den einzelnen Kanälen möglich.

TIPP
Voraussetzung für erfolgreiches Predictive Marketing ist eine gut durchdachte Strategie. Diese muss nicht nur die gängigen demografischen Merkmale umfassen, sondern auch Dinge wie Tageszeiten und Nutzerverhalten. Nur so lässt sich ein Gesamtbild vom Kunden erzeugen, und lassen sich Antworten auf Schlüsselfragen erhalten wie die, über welche Kanäle die statistischen Personas angesprochen werden sollen, wie sich Marketingprozesse auf Personas anpassen lassen und welche Algorithmen für die Vorhersage nötig sind.

Wie immer in der KI ist eine ausreichend große und gut gepflegte Datenbasis das A und O. Doch woher nehmen, wenn man in der Vergangenheit die Kundendaten nicht systematisch erfasst und abrufbar gespeichert hat? In einem solchen Fall ermöglichen KI-basierte Personalisierungsplattformen einfach und kostengünstig, individuelle Kundenerfahrungen über alle Kontaktpunkte wie Website, App, E-Mail, POS-System, IoT-Gerät und Callcenter.

Anbieter wie Nosto oder Dynamic Yield nutzen Machine Learning und KI, um die Customer Journey, also die Reise jedes einzelnen Kunden zum Produkt in Echtzeit zu personalisieren und zu optimieren. Auf Basis von selbstlernenden Algorithmen können Marken direkt testen, was gut funktioniert und was nicht. Kunden erhalten dann personalisierte Angebote in Echtzeit oder Kaufempfehlungen per E-Mail. „Personalisierung wird bald omnipräsent sein“, sagt Liad Agmon, Gründer und CEO von Dynamic Yield, „denn es ist ein absolutes Muss im Marketing!“

Mit freundlicher Genehmigung des Hanser Verlags.

Tim Cole: „Erfolgsfaktor Künstliche Intelligenz. KI in der Unternehmenspraxis: Potenziale erkennen – Entscheidungen treffen”

  • Hanser Verlag, August 2020
  • 240 Seiten
  • Fester Einband: 29,99 Euro
  • E-Book (ePUB): 23,99 Euro

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