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Was sich Verlage vom Buchverkauf auf der Buchmesse versprechen

Die Verlage dürfen auf der Frankfurter Buchmesse 2019 (16. bis 20. Oktober) erstmals am kompletten Publikums-Wochenende an ihren Messeständen Bücher verkaufen. Buchhandlungen sehen das mehrheitlich kritisch, zeigt die im Vorfeld der vom Börsenverein abgesegneten Entscheidung sowie eine aktuelle buchreport-Umfrage.

buchreport hat auch bei Publikumsverlagen angefragt, was sie sich von dem Buchverkauf auf der Büchmesse versprechen. Hier die ausführlicheren Statements.

 

Die größten Fans nicht mehr enttäuschen…

Christian Schniedermann (Foto: Piper Verlag)

Christian Schniedermann (Foto: Piper Verlag)

Christian Schniedermann, kaufmännischer Geschäftsführer des Piper Verlags:

Wir begrüßen den Messeverkauf an beiden Publikumstagen sehr. Wir können uns nicht einerseits über den Leserschwund beklagen und dann andererseits jenen Buch-Fans, die nach Frankfurt reisen, eine Eintrittskarte bezahlen und sich durch die Menschenmassen schieben, erklären, dass wir ihnen am Messesamstag das gewünschte Buch aus dem Regal vor ihnen nicht verkaufen dürfen. Damit haben wir die größten Fans des Lesens schon genug in der Vergangenheit enttäuscht, wir wollen mit unseren Autoren und Inhalten in Frankfurt doch begeistern.

Es würde mich überraschen, wenn der zusätzliche Verkaufstag die Messekosten eines größeren Publikumsverlags refinanzieren könnte. Für Piper kann ich dies ausschließen. Es geht um die Zufriedenheit der Leserinnen und Leser, um nichts weniger.

 

 

Jan Wiesemann (Foto: Kay Blaschke)

Jan Wiesemann (Foto: Kay Blaschke)

Jan Wiesemann, Leitung Vertrieb Buchhandel bei Gräfe und Unzer:

Wir begrüßen die längst überfällige Entscheidung, an den Publikumstagen – sprich: auch am Messesamstag schon – nicht nur Begehrlichkeiten wecken zu dürfen, sondern auch verkaufen zu können. Das klappt ja auch in Leipzig ganz prima und ist aus Kundensicht nur konsequent und folgerichtig. 

Wir werden ein paar mehr Bücher mitnehmen als in den Vorjahren, damit wir nicht am Samstag-Nachmittag schon ausverkauft sind. Den Verkauf wie auch den restlichen Bestand am Sonntag-Abend übernimmt wie in den Vorjahren ein Sortiment aus unserem Stadtteil hier in München. Die Messekosten können wir damit nicht refinanzieren, aber sicherlich Begeisterung für unsere Ratgeber entfachen.

 

 

 

Florian Potzelsberger, Sales Manager von Benevento:

Es war vielen Lesern in der Vergangenheit nur mehr schwer vermittelbar, dass sie zwar am Sonntag, nicht aber am Samstag Bücher erwerben dürfen. Finanziell haben wir keine allzu großen bzw. planen wir die Erlöse vorerst noch in sehr überschaubarer Dimension ein. Wichtiger ist uns der Mehrwert, den wir durch das Kaufverhalten/Feedback der Kunden zu unseren Programmen bekommen.

 

Wir haben mit dem Messeverkauf am Samstag lange gehadert, da an diesem Tag viele Buchhändler mit Bussen voller Kunden auf die Messe kommen.

 

Jochen Große Entrup (Foto: privat)

Jochen Große Entrup (Foto: privat)

Jochen Große Entrup, Vertriebs- und Marketingleiter des Gmeiner Verlags:

Wir haben mit dem Messeverkauf am Samstag lange gehadert, da an diesem Tag viele Buchhändler mit Bussen voller Kunden auf die Messe kommen. Viele davon nehmen an unserem Busgewinnspiel teil, bei dem die Messebesucher für ihre Buchhandlung eine Lesung gewinnen können. Gerade diesen Buchhändlern, die mit hohem Engagement Messebesucher generieren, den Umsatz abzuziehen, ist natürlich ein Problem.

Durch die hohe Besucherfrequenz, die diese Aktion an unserem Stand auslöst, haben wir aber auch in den letzten Jahren immer wieder gesehen, wie frustriert Endkunden sind, die ihre Bücher nicht direkt erwerben können. Daher halten wir den Messeverkauf am Samstag im Sinne einer Hinwendung zu den Endkunden für nötig. Dennoch arbeiten wir an einer attraktiven Lösung für die Buchhändler*innen, die an unserem Busfahrten-Gewinnspiel teilnehmen.

Wir werden uns für den Messeverkauf breiter bevorraten, da durch die regionale Ausrichtung unseres Programms alle Titel bei uns nachgefragt werden. Dies zeigt, dass das Buchmesse-Publikum deutschlandweit anreist. Wir freuen uns über den zusätzlichen Umsatz, rechnen aber nicht mit einer tatsächlichen Refinanzierung der Messekosten. Aufgrund des erwarteten Umsatzes lohnt sich eine rentable Zusammenarbeit nur mit regionalen Buchhändlern. Die Anfragen dafür laufen.

 

 

Karl-Heinz Fallbacher, Leiter Marketing/Vertrieb des Reclam Verlags:

Wir begrüßen die erweiterte Möglichkeit ausdrücklich, haben uns nach dem offenen Brief der IGUV im Oktober auch unsererseits mit einer dringenden Bitte nach Freigabe des Samstagverkaufs an Börsenverein und Buchmesse gewandt. Der Grund ist schlicht die Erwartung des Publikums. Es ist absurd, Käuferschwund zu beklagen und dann bei einem solchen Event keine Kaufmöglichkeit anzubieten. Profiteur der bisherigen Situation war unseren Erachtens nicht das Sortiment, sondern allenfalls Amazon.

Es ist absurd, Käuferschwund zu beklagen und dann bei einem solchen Event keine Kaufmöglichkeit anzubieten.

Bei uns fokussiert sich die Nachfrage nicht auf einzelne Titel, im Gegenteil: Die Kunden sind begeistert, endlich einmal wieder in der gesamten Universal-Bibliothek (Frankfurt) oder einem wichtigen Teil davon (Leipzig) stöbern zu können. Dieses Erlebnis bietet ihnen der Handel heute ja leider – von einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr.

Um eine Refinanzierung von Messekosten geht es bei der ganzen Aktion nicht. Das ist angesichts des gewaltigen Kostenblocks allerdings ein angenehmer Nebeneffekt. Entscheidend ist, dass wir unsere Kunden zufrieden stellen können.

 

 

Carsten Hiller (Foto: Carlsen Verlag)

Carsten Hiller (Foto: Carlsen Verlag)

Carsten Hiller, Gesamtvertriebsleiter des Carlsen Verlags:

Der erweiterte Messeverkauf macht das „Event“ Frankfurter Buchmesse attraktiver, für die Vertriebsabteilung eines populären Kinderbuchverlags ist es aber auch eine Herausforderung. Die Bevorratung wird nicht einfach werden.
Wir rechnen mit Umsätzen, das steht aber nicht im Mittelpunkt für uns. Vielmehr möchten wir alles tun, dass Frankfurt die Leitmesse für das Medium Buch bleibt und hoffen, dass diese Maßnahme dazu beiträgt.

 

 

 

 

 

 

Wir teilen auch nicht die Sorge einiger Buchhändler, dass Umsatz aus den Buchhandlungen verschwindet, im Gegenteil.

Annett Brandt (Foto: Olivier Favre)

Annett Brandt (Foto: Olivier Favre)

Annett Brandt, Vertriebsleiterin von Bastei Lübbe:

Wir begrüßen den erweiterten Messeverkauf sehr. Die Begeisterung der Kund*innen unmittelbar miterleben zu dürfen, motiviert uns Verlagsmitarbeiter*innen alle gleichermaßen. Dass Kunden Events erleben wollen, nimmt immer weiter zu, dazu gehört bspw. auch, sich auf der Messe von Lektor*innen beraten zu lassen bzw. sich auszutauschen, v.a. in community-getriebenen Segmenten und Labels. Wir teilen auch nicht die Sorge einiger Buchhändler, dass Umsatz aus den Buchhandlungen verschwindet, im Gegenteil: Kund*innen, die auf der Messe kaufen und „vom Lesevirus“ angesteckt werden oder einen Autor/eine Autorin für sich entdecken, kaufen sehr wahrscheinlich weitere Bücher – dann in der Buchhandlung.

Wir sehen das Ganze eher unter dem Aspekt der Leseförderung. Dieses Messeerlebnis nutzen ja auch einige engagierte Buchhändler, die mit Kundenbussen auf die Messe kommen, diese werden ganz sicher Wege finden, ihre Kund*innen an sich zu binden, sie mit Bestellscheinen o.ä. Arbeitsmittel auszustatten, damit ihre Wünsche dann zuhause in der Buchhandlung vor Ort erfüllt werden, denn der Aspekt des Tragens der Bücher ist m.E. nicht unerheblich.

Aus dem Messebesuch könnte auch ein toller Folgetermin als Veranstaltung in der Buchhandlung werden, Erfahrungen der Kund*innen auf der Messe, Austausch über Wunschtitel, auch Empfehlungen des Buchhändlers könnten wieder einfließen. Hier vertrauen wir auf die exzellente Kundenansprache und Kundenbindung unserer Buchhändler*innen, um all diese Aspekte ihrer Kundschaft zu vermitteln.

Wir arbeiten beim Messeverkauf stets mit einer Buchhandlung zusammen. Die Refinanzierung ist ein schöner Nebeneffekt, aber hauptsächlich freuen wir uns sehr über den direkten Kontakt und Austausch mit all unseren Leserinnen und Lesern, denn wo sonst bekommt man unmittelbareres Feedback, Lob und Kritik wie auf den Messen? Und das hilft uns – und infolgedessen natürlich auch dem Handel, bestverkäufliche Produkte auf den Markt zu bringen. Wir jedenfalls kommen nach einer Messe immer absolut motiviert und beseelt in den Verlag zurück.

Kommentare

1 Kommentar zu "Was sich Verlage vom Buchverkauf auf der Buchmesse versprechen"

  1. Na endlich! Wunderbar! Darauf warte ich schon gefühlte 30 Jahre. ?

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