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Volker Oppmann: Die Zukunft des Lesens

Volker Oppmann: Die Zukunft des Lesens

Integrierte Systeme werden künftig den E-Book-Markt dominieren. Social-Reading-Funktionen werden dabei die Literaturlektüre erleichtern.


Eine von buchreport moderierte Diskussionsrunde widmet sich auf der Frankfurter Buchmesse 2013 der Zukunft des Lesens: Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf Buch und Gesellschaft? Gemeinsam mit Rita Bollig (Bastei Entertainment), Zoë Beck (Autorin, Verlegerin) und Frithjof Klepp (Buchhandlung Ocelot) diskutiert Oppmann mögliche Lösungsansätze und präsentiert seinen Gegenentwurf LOG.OS. Termin: Freitag, 11.10, 10 bis 11 Uhr, 4.0 D106.


Klassische Webshops, die E-Book-Downloads anbieten, werden irrelevant. Kunden versorgen sich nicht an der einen Stelle mit Inhalten, um sie an anderer Stelle zu lesen sowie sich an dritter Stelle über diese auszutauschen. Kunden bevorzugen integrierte Systeme, die ihnen alles aus einer Hand bieten.

Vor allem aber ermöglichen diese Systeme die Kommunikation mit anderen Nutzern. Was dem Bildungsbürger des 19. Jahrhunderts der literarische Salon war, findet heute über soziale Netzwerke bzw. Social-Reading-Funktionen statt. Man trifft sich in virtuellen Räumen, deren Gesprächsgegenstand Bücher sind.

Bücher werden zu Räumen
Mehr noch: Durch Social Reading werden Bücher selbst zu diesen virtuellen Räumen, da man den jeweiligen Text gar nicht erst verlassen muss, um sich auszutauschen. Stattdessen teilt der Leser Kommentare und Anmerkungen – direkt an der Stelle, auf die man sich bezieht. Texte werden nicht mehr „am Stück“ in Form einer nachgelagerten Rezension kommentiert, sondern durch eine Markierung im Fließtext, wobei der Kommentar entweder in Form eines Pop-up-Fensters oder einer Marginalie eingeblendet wird.

Durch diese zunehmende Vernetzung von Inhalten entsteht ein regelrechtes Beziehungsnetzwerk zwischen Büchern und bildet damit etwas nach, was zu allen Zeiten vorhanden, dem Unbelesenen jedoch nicht nachvollziehbar gewesen ist. Denn ganz gleich ob bewusst (z.B. in Form eines Zitats oder einer Anspielung) oder unbewusst, unsere Texte stehen stets in einem Kontext, einem Bezugsrahmen und senden somit eine Positionsangabe in einem schier unendlichen Koordinatensystem möglicher Deutungen, um sich selbst ideengeschichtlich zu verorten.

Literatur war und ist stets hoch referentiell. Neu ist, dass wir diese Bezüge mit‧hilfe der Technik nun sichtbar und damit nachvollziehbar machen können, was u.a. eine enorme Chance hinsichtlich der Literarisierung niedrigerer Bildungsschichten darstellt. Hermetische Texte, die Nichteingeweihten ehedem unzugänglich gewesen sind, können so aufgebrochen und zugänglich gemacht werden.

Beispiele: Wer Goethes Faust nicht kennt, wird mit einer Gretchenfrage nichts anzufangen wissen oder auf der Suche nach des Pudels Kern gegen Windmühlen kämpfen – um sich im Anschluss an diese Odyssee auf die Suche nach der verlorenen Zeit zu machen. Literatur zu verstehen, kann eine wahre Herkulesaufgabe sein. Paris ist eben nicht nur eine Stadt, sondern auch der Vorläufer von Heidi Klum auf der Suche nach Germanys Next Topmodel in der Antike.

Landkarte der Literatur
Leseratten kennen sich in diesem minotaurischen Labyrinth der Bezugssysteme recht gut aus, auch ohne den Faden (der Ariadne) zu verlieren, alle anderen wären für einen Link oder zumindest eine Spotlight-Suche äußerst dankbar, wollen sie ein wenig Licht in die kryptischen Äußerungen bringen.

Social Reading kann dabei helfen, Texte zu dechiffrieren, eine Landkarte der Literatur zu erstellen, die auch jenen den Weg weist, welche diese Gefilde im Geiste noch nicht bereist haben und nun für sich entdecken. Vom wissenschaftlichen Potenzial des Arbeitens an und über Texten ganz zu schweigen.

Wissen kann nur dort produktiv werden, wo es Anwendung findet, Texte also zugänglich und nutzbar sind, statt unbemerkt in dunklen Archiven zu verschwinden. Es werde Licht!

Volker Oppmann, Gründer von Textunes, will mit seinem Projekt LOG.OS ein gemeinnütziges (Betriebs-)System für den Literaturbetrieb aufbauen.

Kommentare

3 Kommentare zu "Volker Oppmann: Die Zukunft des Lesens"

  1. Könnte es sein, Volker, daß gerade diejenigen, die am besten um die Vielfalt der Bezüge in der Literatur wissen, am wenigsten für die von Dir vorgeschlagene Demokratisierung tun, weil sie kein Interesse daran haben, ihren Wettbewerbsvorteil aufzugeben?

    Die Lutherbibel in deutscher Sprache brauchten auch nur die, die kein Griechisch oder Latein konnten.

    Apropos Luther – hier ein nettes Zitat von Luther über Gutenberg:

    Martin Luther, Tischreden:

    Die hohen Wohltaten der Buchdruckerei sind mit Worten nicht auszusprechen.
    Durch sie wird die Heilige Schrift in allen Zungen und Sprachen
    eröffnet und ausgebreitet, durch sie werden alle Künste
    und Wissenschaften erhalten, gemehrt und auf unsere Nachkommen fortgepflanzt.

    Die Truckerey ist summum et postremum donum, durch welches Gott die Sache des Evangelii forttreibet. Es ist die letzte Flamme vor dem Auslöschen der Welt […].

    http://www.gutenbergdigital.de/gudi/dframes/texte/framere/wirk_2.htm

    • Wenn schon Luther-Zitate, dann aber bitte auch das hier. Der Bestsellerautor (zeitweilig 50% des Weltbuchmarkts) hatte offensichtlich ein Piraterieproblem:

      „Was soll doch das sein, meine lieben Druckerherrn, daß einer dem andern so offentlich raubt und stiehlt das seine, und unternander euch verderbt? Seid ihr nu auch Straßenräuber und Diebe worden? oder meinet ihr, daß Gott euch segenen und ernähren wird durch solche böse
      Tücke und Stücke? Ich habe die Postillen angefangen von der heiligen drei Künige Tage an, bis auf Ostern, so fähret zu ein Bube, der Setzer, der von unserm Schweiß sich nähret, stiehlet meine Handschrift, ehe ichs gar aus mache, und trägts hinaus und läßt es draußen im Lande drucken, unser Kost und Erbeit zu verdrucken. Wohlan, Gott wirds finden. Was du dran gewinnest, da schmiere die Schuch mit. Du bist ein Dieb und für Gott schuldig die Widderstattung. Nu wäre der Schaden dennoch zu leiden, wenn sie doch meine Bücher nicht so falsch und schändlich zurichten. Nu aber drucken sie dieselbigen und eilen also, daß, wenn sie zu mir widder komen, ich meine eigene Bücher nicht kenne. Da ist etwas außen, da ists versetzt, da gefälscht, da nicht corrigirt. Haben auch die Kunst gelernt, daß sie Wittemberg oben auf etliche Bücher drucken, die zu Wittemberg nie gemacht noch gewesen sind. Das sind ja Bubenstück, den gemeinen Mann zu betriegen, weil von Gotts Gnaden wir im Geschrei sind, daß wir mit allem Fleiß, und kein unnützes Buch auslassen, so viel uns müglich ist. Also treibt sie der Geiz und Neid, unter unserm Namen die Leute zu betriegen und die unsern zu verderben. Es ist je ein ungleich Ding, daß wir erbeiten und Kost sollen drauf wenden, und andere sollen den Genieß und wir den Schaden haben. […]“

      Eine Vermahnung an die Drucker, 1525.

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