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Übersetzerzunft bis ins Mark getroffen

Nach den Terrorattacken auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ haben sich Vertreter der Buchbranche weltweit zu Wort gemeldet.

Der Verband deutschsprachiger Übersetzer meint, das Attentat gegen „Charlie Hebdo“ treffe auch die eigene Zunft bis ins Mark. „Als Übersetzer befinden wir uns zwar meist in der zweiten Reihe, doch auch wir müssen uns immer wieder fragen, wie wir uns zu den Texten verhalten, die wir übersetzen. Stehen wir dahinter? Oder darüber? Was machen wir mit Büchern, die uns beschäftigen, mitreißen, nahe gehen, abstoßen, aufwühlen – und was machen sie mit uns? Als Übersetzer sind wir Teil einer aufgeklärten Gesellschaft, die miteinander um den Ausgleich von Rechten und Werten ringen muss. Und wir sind Vermittler, Grenzgänger, Weltenwechsler. Viele von uns sind persönlich eng verbunden mit Menschen, die in den Konfliktregionen rund um den Globus zu Hause sind. Wir sitzen mit unserer Arbeit im stillen Kämmerlein, aber unsere Fenster gehen auf die Welt hinaus. Sich verständigen, sich verstehen: Das ist unser Metier, und es ist heute dringend nötig.“

Der Dachverband der bibliothekarischen Verbände in Deutschland (Bibliothek & Information Deutschland) hat sich zusammen mit dem Deutschen Bibliotheksverband und anderen Verbänden „tief erschüttert“ über den „niederträchtigen Anschlag“ auf die Pariser Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo” gezeigt. BID-Präsident Heinz-Jürgen Lorenzen: „Diese gezielte Tötung von Menschen im Namen einer extremen Ideologie, dieser Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit ist durch nichts zu rechtfertigen. Wir trauern um den Chefredakteur Stéphane Charbonnier und seine Mitarbeiter. Ich möchte den Opfern des Terroranschlages, ihren Familien und allen französischen Bürgerinnen und Bürgern mein aufrichtiges Beileid und mein persönliches Mitgefühl aussprechen.”

Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, erklärte auf Anfrage von buchreport.de: „Durch Anschläge wie auf das Magazin „Charlie Hebdo“ sollen der freie Geist und die Toleranz vernichtet werden.  Doch unser Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit dürfen wir nicht aufgeben. Umso wichtiger ist es, weltweit immer wieder aufs Neue um die Freiheit des Wortes und des Publizierens zu kämpfen. Aufklärung und Information sind zentraler denn je, damit die Anschläge nicht zum  Anlass unreflektierter Gegenpropaganda werden.

René Strien, Leiter der AG Publikumsverlage, sagte der Verbandszeitschrift „Börsenblatt“, die Folgen des Anschlags seien unabsehbar. „Wir müssen nicht nur jetzt klar Position beziehen und unsere Solidarität mit den Opfern ausdrücken und dem, wofür sie standen: Wir müssen zugleich all denjenigen eine scharfe Absage erteilen, die bereits aus ihren Löchern gekrochen kommen, um ihr unerträgliches Süppchen zu kochen ? mögen sie nun Le Pen heißen oder Pegida. Und indem wir kämpferisch für unsere in langen Jahrhunderten errungenen Grundwerte eintreten, müssen wir klar machen, dass Demokratie und Toleranz nicht mit Wehrlosigkeit zu verwechseln sind.“ Die Publikumsverlage würden sich mit der aktuellen Situation auf dem AG Pub-Treffen befassen. „In welcher Form das geschehen soll, diskutieren wir gerade intensiv im Vorstand.“

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Wie der „Bookseller“ berichtet, erklärte Assem Shalaby, Präsident der Arab Publishers Association, dass die Attacke den Prinzipien des Islams und den Botschaften des Propheten widerspreche. Ibrahim El Moallem, Vorstand des größten arabischen Buchverlags Dar El Shorouk (Ägypten), meinte, dies sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen die Meinungsfreiheit, den Islam und die Muslime. „Das ist eine Attacke auf die Zivilisation“.

Der französische Verlegerverband Syndicat National de l’Edition veröffentlichte ein Statement, nach dem die Freiheit der Meinung, Kreation und des Verlegens die „absoluten Prinzipien sind, die von Buchhändlern, wie allen, die sich der Demokratie und den Grundrechten verpflichtet fühlen, mehr denn je verteidigt werden müssen“. Und: „Die Barbarei gegen Autoren, das Schreiben, den Geist wird nicht das letzte Wort haben.“

Die International Publishers Association, in Person von President Richard Charkin, rief Verlage, Autoren, Journalisten und Cartoonisten dazu auf, gemeinsam die Werte der Meinungsfreiheit, der Freiheit des Verlegens und das Recht, zu kritisieren und polemisieren, zu verteidigen. Der (deutsche) Generalsekretär Jens Bammel ergänzte: „Wir sollten nicht radikalen Minderheiten erlauben, die Botschaft aller großen Religionen zu besudeln: die des Friedens, des Mitleids, der Liebe und des Respekts.“

Auf der Seite des englischen PEN-Verbands kommentierte der Autor Salman Rushdie: „Die Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird zur realen Gefahr für unsere Freiheit, wenn sie mit modernen Waffen kombiniert wird“ Dieser religiöse Totalitarismus hat zu einer tödlichen Mutation im Herzen des Islams geführt, und in Paris sehen wir heute die tragischen Konsequenzen.“

Auf Facebook hat Imre Török, Mitglied des PEN Deutschland und Bundesvorsitzender des Schriftstellerverbands (VS),  zur Meinungs- und Kunstfreiheit geschrieben: „Für die Freiheit des Worts, der Meinungsäußerung und der Kunst. Für Toleranz und Weltoffenheit. Mit keiner Silbe dürfen wir uns Rassismus, Terror und Gewalt beugen. Ich bin traurig und wütend. Fanatischer Wahnsinn kann und wird Meinungs- und Kunstfreiheit niemals besiegen. In Trauer für die Opfer in Frankreich, mitfühlend mit den Angehörigen, in Zorn über die abscheuliche Tat.“

Laut „Le Parisien“ wurden vor dem Verlagsgebäude von Flammarion Polizisten zum Schutz positioniert. Hintergrund: Beim Verlag ist Michel Houellebecqs jüngster Roman „Soumission“ („Unterwerfung“) erschienen; „Livres Hebdo“ berichtete sogar von der Evakuierung von Pariser Mitarbeitern.

In Houellebecqs neuem Roman, in dieser Woche thematisiert in der Ausgabe von „Charlie Hebdo“ (s. Foto unten), wird Frankreich von einem islamischen Präsidenten und seiner Muslimbruderschaft beherrscht. „Kreativer Tabubruch – oder einfach nur rassistisch?“, fragte kürzlich SPIEGEL Online.

Der Roman erscheint am 16.1.2015 bei Dumont.

Der Perlentaucher hat weitere Stimmen aus Medien zusammengetragen.

Weitere Stimmen jenseits der Branche:

Die „Titanic“ postete gestern auf der eigenen Seite:

„TERRORHINWEIS: Für 16 Uhr ist in der TITANIC-Redaktion eine Pressekonferenz angesetzt, bei der RTL, Hessischer Rundfunk, Frankfurter Rundschau und sämtliche weitere Privat- und Systemmedien anwesend sind. Für Terroristen bietet sich hier die Möglichkeit, nicht nur eine Satireredaktion auszulöschen, sondern auch die gesamte deutsche Lügenpresse. Es gibt Schnittchen (hinterher)!“

Auch Karikaturisten reagierten auf die Anschläge:




Hier der Blick aus der Dortmunder buchreport-Redaktion auf die frühere Unions-Brauerei:

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