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Überschuldet oder zahlungsunfähig?

„Mehr Zeit für Sanierungsmaßnahmen – Bundesregierung beschließt beschränkte Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht“, war Anfang September eine Mitteilung aus dem Bundesjustizministerium überschrieben. Zuvor war im März mit Blick auf die Corona-Herausforderungen die Insolvenzantragspflicht für die Geschäftsleiter von Unternehmen ausgesetzt worden, „die infolge der COVID-19-Pandemie insolvent geworden sind und dennoch Aussichten darauf haben, sich unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote oder auf andere Weise zu sanieren.“ Die Aussetzung der Antragspflicht sollte zum 30. September 2020 auslaufen. Jetzt wird die Aussetzung der Antragspflicht bis zum 31. Dezember 2020 verlängert.

„Aber Vorsicht. Jetzt genau hinschauen!“ sagt Berater Klaus-Peter Stegen. Sein Einwurf im O-Ton:

Klaus-Peter Stegen (Foto: Gudrun-Holde Ortner)

„Die Situation: Aktuell wurde von der Bundesregierung die Pflicht zum Insolvenzantrag aufgrund der Pandemie bis Ende September 2020 ausgesetzt. Diese Frist wurde nun noch einmal bis zum 31.12.2020 verlängert. Aber für wen und was bedeutet das? Was ist die Konsequenz und wie sollten Sie handeln?

Die aktuelle Verlängerung gilt nur noch beim Insolvenzgrund Überschuldung. Als überschuldet gilt ein Unternehmen, wenn sein Vermögen nicht ausreicht, um bestehende Verbindlichkeiten zu decken.

Das bedeutet, dass Unternehmen bei einer vorhandenen Zahlungsunfähigkeit trotzdem schnellstmöglich Insolvenz beantragen müssen. Zahlungsunfähigkeit bedeutet, dass ein Unternehmen mindestens 10% seiner Forderungen nicht in einem überschaubaren Zeitrahmen begleichen kann.

Nach Auskunft von namhaften Insolvenzrechtlern, gehen weniger als 1% der betroffenen Unternehmen wegen Überschuldung in die Insolvenz, aber fast 99% wegen Zahlungsunfähigkeit. Das bedeutet, dass die Insolvenzantragspflicht ab dem 1.10.2020 wieder voll greifen wird.

Die aktuelle Diskussion verschleiert das Problem. Zeit zum Handeln ist aber nur noch in diesem Monat. Der Gesetzgeber hat dazu klare Ansagen gemacht: Insolvenzverschleppung wird streng geahndet.

Was tun?

Befindet sich das Unternehmen in einer schwierigen Situation, dann hilft alles nichts. Sie brauchen einen (Insolvenz-)Berater, um eine sich abzeichnende Insolvenz zu vermeiden und um gezielte Maßnahmen der Restrukturierung und Sanierung einzuleiten. Die Insolvenzberatung entwickelt Strategien zur Vermeidung der Insolvenz. Es gibt dafür inzwischen gute gesetzliche Grundlagen.

Die Grundlage ist „ESUG“, was für das 2012 in Kraft getretene „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ steht. Die Zielrichtung des Gesetzgebers war, dass Unternehmen ohne größere Komplikationen und selbstbestimmt ein Sanierungsverfahren durchlaufen und die Sanierungswerkzeuge der Insolvenzordnung nutzen können. Dazu gehören die ,Eigenverwaltung‘ und das ,Schutzschirmverfahren‘ für Unternehmen.

Die Eigenverwaltung  erlaubt der Geschäftsführung die Sanierung in Eigenregie. Es gibt einem solchen Verfahren keinen Insolvenzverwalter, sondern nur einen Sachwalter, der die Sanierung beobachtet und unterstützt. Das ,Schutzschirmverfahren‘ ist eine besondere Ausprägung des Eigenverwaltungsverfahrens, bei der sich das Unternehmen den Sachwalter selbst aussuchen kann. Das Verfahren kann durch die Zusammenarbeit von dem Unternehmen, dem Sachwalter und dem Gericht innerhalb eines Zeitraumes von 6 bis 9 Monaten umgesetzt werden. Damit lassen sich Verbindlichkeiten mit einfachen Mehrheiten langfristig regeln.

Aber selbst ein ,normales‘ Insolvenzverfahren bedeutet nicht das sofortige Ende des Unternehmens, sondern noch die Chance, dass das Unternehmen weiter tätig ist und somit die Zeit, i.d.R. 3 Monate nach Insolvenzanmeldung, genutzt werden kann, um eine Problemlösung mit dem eingesetzten Insolvenzverwalter zu finden. Diese Chance sollte genutzt werden.

Also: Nicht warten, sondern jetzt handeln.

Diese Fragen sollten Sie sich stellen:

  • Sind die bis 30.09. für ihr Unternehmen bestehenden Risiken tatsächlich richtig klassifiziert?
  • Können Probleme unerwartet von ganz anderer Seite auftauchen?
  • Sind Sie in der Lage, tatsächlich alle Probleme selber zu lösen und haben Sie diese auch erkannt?
  • Ist Hilfe und Unterstützung jetzt nicht besser als zu spät?

Ja, es ist bitter sich mit dem Thema zu beschäftigen, aber wenn nicht jetzt, wann dann?“

Klaus-Peter Stegen (kps.stegen@t-online.de) hat verschiedene Unternehmen der Publishing Branche restrukturiert und saniert. Die Sanierungs- und Insolvenzfragen werden auch ein Thema der von Stegen mitorganisierten Online-Konferenz ReBootBooks am 13. Oktober 2020 sein.

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