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Triebhafte Leidenschaftlichkeit

Der 13. Mai 2009 ist der 102. Geburtstag von Daphne Du Maurier. Zum Jahrestag erinnert buchreport in Kooperation mit dem Verlag J.B. Metzler an den Weltbestseller „Rebecca“. Ein Auszug aus dem neuen Kindlers Literatur Lexikon, das am 4. September 2009 erscheint.

Rebecca


Hauptgattung: Epik/Prosa
Untergattung: Roman

(engl.; Rebecca, 1951, K. von Schab) – Der 1938 erschienene Roman ist ein Weltbestseller, der sich immer noch großer Beliebtheit erfreut. Die Ich-Erzählerin, deren Name nie erwähnt wird, eine mittellose, verwaiste junge Frau, lernt als Reisegesellschafterin einer reichen Amerikanerin den englischen Aristokraten Maxim de Winter kennen. Die beiden heiraten, und sie folgt ihm auf seinen Landsitz Manderley an der Küste Cornwalls. In ländlicher Abgeschiedenheit muss sie trotz ihrer Unerfahrenheit und Unsicherheit dem großen Haus vorstehen, das noch immer den Stempel von Maxims erster Frau Rebecca trägt, die mit ihrem Boot tödlich verunglückte. Die Haushälterin, Mrs. Danvers, pflegt die Erinnerung an Rebecca mit geradezu fanatischer Verehrung. Zugleich bringt sie die neue Mrs. de Winter in Situationen, die ihr ihre Unzulänglichkeit als Herrin von Manderley beweisen sollen. Immer stärker empfindet diese die Allgegenwart der Toten und ihre eigene Unfähigkeit, eine würdige Nachfolgerin der schönen, souveränen und von allen bewunderten einstigen Hausherrin zu werden. Dass Maxim Rebeccas Zimmer verschlossen hält, ungern über die Vergangenheit spricht und in Melancholie oder Zorn verfällt, sobald er daran erinnert wird, vergrößert ihre Unsicherheit. Die Bucht, in der Rebecca mit ihrem Segelboot unterging, übt eine magische Anziehungskraft auf sie aus.

Mit immer raffinierteren Mitteln versucht Mrs. Danvers, Maxim und seine Frau einander zu entfremden, doch als ihr dies endlich zu gelingen scheint, nehmen die Ereignisse eine dramatische Wendung: Ein Schiff strandet in der Bucht, und bei den Bergungsarbeiten wird Rebeccas Leiche gefunden – mit Anzeichen, die auf eine Ermordung hindeuten. Jetzt erst berichtet Maxim seiner Frau vom Scheitern seiner ersten Ehe, von Rebeccas Untreue und ihren überwältigend negativen Charakterzügen. Im Verlauf eines Streits hat er sie nach einer für ihn unerträglichen Provokation erschossen und das Boot versenkt. Er gerät nun zwar unter Mordverdacht, doch weitere Recherchen geben Hinweise auf einen Selbstmord: Rebecca erwartete nicht etwa ein Kind von ihrem Liebhaber, wie sie Maxim suggeriert hatte, sondern litt an einer unheilbaren Krebserkrankung. Zum Freitod fest entschlossen, hatte sie offensichtlich Erfolg mit ihrem letzten Plan, Maxim zu der Tat zu provozieren, um ihn so über ihren Tod hinaus seelisch zu belasten. Als Mrs. Danvers erfährt, dass Maxim in den Augen der Polizei rehabilitiert ist, setzt sie Manderley in Brand. Das Ehepaar de Winters versucht, weit entfernt von England dieses Erlebnis und Maxims Tat vergessen.

Der spannende Unterhaltungsroman ist besonders effektvoll in der Schilderung der Reaktionen der Ich-Erzählerin auf das unheimliche, vom Geist der Toten erfüllte Haus. Die fremde Umgebung bedeutet in mehrfacher Hinsicht ein Überschreiten von Grenzen für die junge Frau: Sie überschreitet mit der Heirat Klassenschranken, und sie begegnet der triebhaften Leidenschaftlichkeit von Rebeccas Leben. Dass diese Erfahrung auch eine imaginäre Begegnung der lebenden mit der toten Hauptfigur bedeutet, verleiht dem Roman eine gewisse Schauerqualität. Nicht zufällig erinnert der Brand von Manderley an Charlotte Brontës Jane Eyre, denn die Kontrastierung der beiden Frauen greift auf das Klischee der dämonischen weiblichen Sinnlichkeit zurück, die schon bei Brontё als zerstörerische Kraft besiegt wird. Bei Du Maurier ist die Ich-Erzählerin nicht nur sensibles Wahrnehmungszentrum einer ›gothic‹-Atmosphäre, vielmehr trägt sie als ständige Interpretin der Zeichen und insbesondere des Sprachgebrauchs ihrer Umgebung auch detektivische Züge. Seit Rebecca wurde Du Maurier als Autorin anspruchsvoller Unterhaltungsliteratur ernst genommen.

• Lit.: G. Wisker: Dangerous Borders. D. Du M.’s ›Rebecca‹. Shaking the Foundations of the Romance of Privilege, Partying and Place, in: Journal of Gender Studies 12, 2003, 2, 83–97. • H. Pyrhönen: Bluebeard’s Accomplice. ›Rebecca‹ as a Masochistic Fantasy, in: Mosaic. A Journal for the Interdisciplinary Study of Literature 38, 2005, 3, 149–165.
Renate Brosch / Gertrud Baruch

Zur Person: Daphne Du Maurier


geb. 13.5.1907 London (Großbritannien)
gest. 19.4.1989 Par/Cornwall (Großbritannien)

Enkelin des Zeichners und Schriftstellers George du Maurier, besuchte Privatschulen in Paris; Cornwall wurde zum bevorzugten Schauplatz ihrer populären Romane, mit denen sie großen Erfolg hatte; ihre Werke kombinieren eine spannungsreiche Handlung und psychologische Charakterzeichnung mit einer ausgeprägten Vorliebe für die Darstellung englischer Mentalität und traditioneller englischer Motive.
• Lit.: R. Kelley: D. Du M., 1987. • J. Cook: Daphne. A Portrait of D. Du M., 1991. • N. Auerbach: D. Du M. Haunted Heiress, 2000.

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