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»Stippvisite auf dem Posten«

„Gäbe es in der Verlagswelt einen Preis für die überraschendsten Personalien, hätte ihn der Rowohlt Verlag mehr als verdient“, schreibt Mara Delius in der „Welt“. Wie Rowohlt am vergangenen Freitag gemeldet hatte, verlässt Florian Illies die Verlagsspitze nach nur einem Jahr wieder. Der allgemeine Tenor in den Pressereflexen: Die Verlagsmanager haben die falsche Entscheidung getroffen, als sie Illies eingesetzt und dafür die erfahrene Verlegerin Barbara Laugwitz entlassen haben.

Der Verlag wurde „zum Spielball falscher Projektionen und rücksichtslosen Ehrgeizes, weil sich einer scheinbar so leichtfertig eine Aufgabe zugetraut hat, die er nach gerade einmal einem Jahr wieder hinschmeißt“, meint etwa Sandra Kegel in der „FAZ“ „Das Fatale ist, dass jetzt alle beschädigt sind: Laugwitz, Rowohlt, Holtzbrinck und Illies.“

In der „Süddeutschen Zeitung“ nennt Marie Schmidt Illies Zeit als velegerischer Leiter eine „Stippvisite auf dem Posten“. Die Nachricht der Demission sei „vor allem für das Management des Holtzbrinck-Konzerns peinlich, dem der Rowohlt-Verlag angehört“ und schüre den Verdacht, „dass Holtzbrinck entgegen allen Erklärungen die Strukturen der Gruppe zu zentralisieren versucht, was die Möglichkeiten einzelner Verleger traditionsreicher Häuser wie Rowohlt, Kiepenheuer & Witsch und S. Fischer beschneiden würde.“

„Mag Florian Illies wirklich erkannt haben, dass ihm das Schreiben mehr liege, als das Leiten eines Verlages, der Vorgang steht auch für die Branche selbst“, schreibt Cornelia Geißler in der „Berliner Zeitung“. „Die Ansprüche an einen Verlagschef sind in diesen Zeiten der digitalen Transformation schneller gewachsen, als sich treue Bücherleser das vorstellen können.“

Einige Autoren des Verlags äußern sich in der „FAZ“ ebenfalls kritisch zu der Personalie: 

  • Daniel Kehlmann veröffentlichte zuletzt „Tyll“ bei Rowohlt: „Es geht jetzt nicht darum, Florian Illies’ ,persönliche Gründe‘ zu bewerten. Das würde die Aufmerksamkeit nur wieder einmal von den eigentlich Verantwortlichen für das Chaos, den Managern der Holtzbrinck-Gruppe, ablenken, die einer erfolgreichen und erfahrenen Verlegerin kündigten, ohne je einen Grund dafür zu nennen, nur um sie durch einen bedeutenden, aber im Verlagsgeschäft unerfahrenen Schriftsteller zu ersetzen. Auf Nachfrage hieß es damals immer nur, wir Autoren sollten doch abwarten und der Weisheit der Manager vertrauen. Das ist das Resultat.“
  • Eugen Ruge konnte sich mit seinem bei Rowohlt erschienenen Roman „Metropol“ auf Rang 6 der SPIEGEL-Bestsellerliste platzieren: „Was soll man dazu noch sagen? Es ehrt Florian Illies beinahe, dass er rechtzeitig die Kurve kriegt. Bestraft werden müssten die Strippenzieher und Einflüsterer, aber stattdessen wird die Konzernleitung erneut verkünden, dass alles großartig ist und noch großartiger zu werden droht – und den Strippenziehern weiter Managergehälter zahlen. Verlage sollten von Verlegern geleitet werden, nicht von Managern. Ansonsten sollen sie doch ihre Bücher gleich selber schreiben! Wie wär’s für den Anfang mit einem Ratgeber: Wie verschleiße ich in einem Jahr zwei Verleger, beunruhige die Belegschaft, bringe die Autoren gegen mich auf und behalte trotzdem meinen Job? – Ärgerlich, dämlich und schwer wiedergutzumachen.“
  • Lucy Fricke hat ihren Roman „Töchter“ bei Rowohlt veröffentlicht. Im Sommer wechselte sie zum Claassen-Verlag: „Es ist bitter. Ich finde diese ganze Geschichte von Anfang bis Ende nur noch unanständig und peinlich. Eine kurze Geschichte, die leider enormen Schaden hinterlassen hat und hinterlassen wird. Auch die Rowohlt-Autorinnen und -Autoren würden sich gerne wieder dem Schreiben widmen.“

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