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Sönke Schulz: Self Publishing als Labor für Verlage

Sönke Schulz: Self Publishing als Labor für Verlage

Die Hamburger Firma Tredition, Anbieter von unterschiedlichen Self-Publishing-Services, hat zur Buchmesse das Portal Buchtalent.de gelauncht. Im Interview mit Berater Ehrhardt F. Heinold erläutert Geschäftsführer Sönke Schulz (Foto), welches Konzept dahinter steckt und warum die Bedeutung Self-Publishing weiter wachsen wird.

Ist Self Publishing bei den Verlagen angekommen, oder wird es eher immer noch als wenig relevant betrachtet?

Die Anzahl traditionell verlegter Neuerscheinungen ist in den letzten zwei Jahren in Deutschland um 5% gesunken. Ganz anders ist die Titelentwicklung im Self-Publishing. In 2012 waren bereits 19% aller Print-Neuerscheinungen Self Publishing-Titel. Dieses Segment verzeichnete ein Wachstum von 30% gegenüber dem Vorjahr. Nach vielen Jahren Umsatzstagnation hat Self-Publishing das Potenzial, der Branche neue, nachhaltige Wachstumsimpulse zu geben. Verlage sind sich dieser Marktdaten zunehmend bewusst und öffnen sich für Self-Publishing. Als Dienstleister für Verlage, die Self-Publishing unter eigener Marke anbieten möchten, nehmen wir einen deutlichen Zuwachs des Interesses wahr und bemerken eine Veränderung der Einstellung zu Self-Publishing. Die Anzahl der Portale, die wir für Verlage bereitstellen und betreiben, nimmt deutlich zu.

Wie vertragen sich traditionelles Verlegen und Self Publishing? Ist das ein Konkurrenzverhältnis oder kann sich das ergänzen?

Objektiv betrachtet ergänzen sich traditionelles Verlegen und Self-Publishing sehr gut. Zwar existieren eingefahrene Überzeugungen, dass aus der Sicht von Verlagen Self-Publishing einen inhaltlichen Qualitätsverlust bedeutet oder aber aus der Sicht von Self-Publishing-Autoren Verlage keinen Mehrwert und zu geringe Honorare bieten, doch eigentlich stecken für alle Beteiligten viele Vorteile in der Kombination beider Modelle. Self-Publishing kann Verlagen zur Talententdeckung anhand konkreter Beliebtheit und Verkaufszahlen dienen. Für Verlage stellt das eine günstige Alternative zu Titel-Lizenzkäufen aus dem Ausland oder zu Honoraren für Literaturagenturen dar. Entdeckte Autoren können wiederum von Reichweite, Image und Bekanntheit der Verlage profitieren, und sich so langfristig einen Namen machen und höhere Verkaufszahlen realisieren.

Lag darin auch der Grund für Ihr neues Portal Buchtalent.de?

Buchtalent verknüpft in der Tat traditionelles Verlagswesen und Self-Publishing miteinander. Die Geschäftsidee beruht auf der Erkenntnis, dass nur jedes 200. bei Buchverlagen eingereichte Manuskript in Deutschland verlegt wird. Verlage scheuen häufig das Risiko, unbekannten Talenten eine Chance zu geben, oder sie haben schlichtweg keine Kapazitäten – weder in ihrem Verlagsprogramm, als auch überhaupt die Vielzahl der eingereichten Manuskripte zu sichten. Eine Umfrage von Tredition bei großen deutschsprachigen Publikumsverlagen ergab, dass diese Verlage zwischen 3.000 und 10.000 Manuskripte pro Jahr erhalten. Die verantwortungsvolle Sichtung im Sinne einer Talententdeckung sprengt jeden Kostenrahmen. Zugleich ergibt sich dadurch aber das Risiko, Autorentalente für das eigene Programm zu übersehen. Genau dieses Dilemma lösen wir mit Buchtalent und setzen direkt dort an, wo Verlage aus Kapazitätsgründen scheitern: vor dem Stapel der Vielzahl unverlangt eingereichter Manuskripte.

Self-Publishing-Plattformen gibt es viele – was ist neu am Buchtalent.de-Konzept?

Self-Publishing impliziert, dass Autoren Bücher auf eigene Initiative ohne einen Verlag veröffentlichen. Buchtalent bindet hingegen Verlage von Anfang an mit ein. Verlage können Autoren, von denen sie Manuskripte erhalten haben und deren Bücher sie (vorerst) nicht in das eigene Programm übernehmen möchten, einen Code für die kostenfreie Veröffentlichung ihres Titels auf dem Portal Buchtalent zur Verfügung stellen. Autoren veröffentlichen selbständig bei Buchtalent. Die Prüfung von Inhalt, Layout und Orthographie, die Betreuung der Autoren, Herstellung und Distribution sowie die Autorenabrechnung erfolgen durch Buchtalent.

Alle bei Buchtalent publizierten Bücher erscheinen als Paperback, Hardcover und E-Book und werden national (u. a. über die Barsortimente Libri, KNV, Umbreit und Könemann) und international über die gängigen Buchhandelswege vertrieben. Am Verkaufserfolg der von ihnen vermittelten Bücher sind die Verlage beteiligt. Pro verkauftem Exemplar erhalten sie eine Provision in Höhe von 2,5% des Nettoladenpreises. Verlage können täglich die Verkaufsentwicklungen der von ihnen vermittelten Bücher auf Buchtalent beobachten. Verkauft sich ein Buch überdurchschnittlich gut oder passt es inhaltlich gut zum Programm, kann ein Verlag dem Autor jederzeit ein Angebot machen und den Titel übernehmen. So können Verlage nicht nur Talente entdecken und an sich binden, sondern zugleich Interessentrends der Leser frühzeitig erkennen und darauf reagieren. Durch Buchtalent entfällt der (Kosten-)Aufwand, der Verlage bisher daran hindert, unverlangt eingereichte Manuskripte ausführlich zu sichten. Für Autoren bietet Buchtalent die Möglichkeit, von Verlagen entdeckt zu werden. Autoren, die nicht von einem Verlag an Buchtalent vermittelt werden, können sich mit ihrem Buchprojekt direkt bei einem der Verlagspartner auf Buchtalent bewerben.

Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht das Nebeneinander von Verlagen und Self Publishing in fünf Jahren aus?

Sicherlich werden beide Publikationsformen auch mittelfristig weiterhin nebeneinander existieren. Es ist aber davon auszugehen, dass Self-Publishing in fünf Jahren gemessen an der Anzahl veröffentlichter Titel (im Print) stark gewachsen ist und bereits einen Anteil von 40% am deutschen Buchmarkt haben wird. Fälschlicherweise wird Self-Publishing oft allein auf das Publizieren von E-Books durch Privatautoren direkt bei E-Book-Shops reduziert. Das Segment umfasst jedoch weitaus mehr. Bei unseren Kunden, für die wir als Dienstleister das Self-Publishing-Angebot betreiben, sehen wir einen Zuwachs branchenfremder Teilnehmer wie Tageszeitungen, Betreiber von Interessenportalen, Druckereien, Universitäten etc. Diese Kunden bieten ihren Self-Publishing-Autoren einzigartige Vorteile (wie z. B. zielgruppengenaue Vermarktung direkt in der Interessengruppe, Schaltung von Anzeigen in Tageszeitungen oder bei den Universitätsverlagen Versand von Vorschauen an ausgewählte Fachjournalisten). Dieser Mehrwert für Autoren wird in Zukunft immer wichtiger und die Entscheidung der Autoren für den passenden Veröffentlichungspartner maßgeblich beeinflussen. Dass die Werke der Autoren wie bei diesen Anbietern grundsätzlich in gedruckter und digitaler Form veröffentlicht werden, wird in Zukunft selbstverständlich sein. Zudem ist zu beachten, dass bei einer zunehmenden Ausdifferenzierung des Self-Publishing-Marktes Hybridmodelle entstehen, die nicht eindeutig einer Kategorie zuzuordnen sind. Verlage werden eigene Self-Publishing-Angebote dafür nutzen, Bücher zu veröffentlichen, die aus Kapazitätsgründen erst zu einem späteren Zeitpunkt in das eigene Verlagsprogramm übernommen werden können oder bei denen der Marktwert erst getestet werden soll. Diese Faktoren werden das Wachstum zugunsten der Self-Publishing-Veröffentlichungen stark beeinflussen.

Das Interview führte Ehrhardt F. Heinold, Unternehmensberater Heinold, Spiller & Partner

Kommentare

2 Kommentare zu "Sönke Schulz: Self Publishing als Labor für Verlage"

  1. Also neu ist das ja nun nicht. Neobooks macht das seit 2010…

  2. Super! Ich finde das Modell klasse und meine: Darauf hat man irgendwie gewartet, und dafür ist der Markt reif! Der Kombi Verlag + Selfpublishing gehört die Zukunft.

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