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»Möchten stärker gehört werden«

Die Mitglieder des Netzwerks Junge Verlagsmenschen treffen sich am Wochenende in Frankfurt. Von ihren Arbeitgebern wünschen sie sich mehr Experimentierfreude und Gestaltungsspielraum.

„Die Buchbranche ist eine Frauenbranche und ich sehe viele Frauen in Führungspositionen. Die wenigen Männer, die ich kenne, sind aber fast alle auf den oberen Hierarchie-Ebenen anzutreffen.“ So bringt eine Teilnehmerin die Gender-Frage in einer aktuellen buchreport-Umfrage im Nachwuchsnetzwerk Junge Verlagsmenschen auf den Punkt.

Aktueller Aufhänger zur Frauen-Frage: Erst zum zweiten Mal in der Geschichte des Börsenvereins ist jetzt mit der Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs eine Frau auf den Vorsteherposten gewählt worden. Und in den Unternehmen selbst, das zeigt eine Auswertung des buchreport-Rankings „Die 100 größten Verlage“, steigt die Frauenquote in der Geschäftsführung zwar von Jahr zu Jahr etwas an, liegt aber immer noch unter 25%. Erst auf der zweiten Führungsebene ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen.

Grafik: buchreport

Die (überwiegend weiblichen) Teilnehmer der Umfrage bewerten denn auch die Chancen für Frauen, in Führungspositionen aufzusteigen, relativ verhalten (s. Grafik). Als Haupthemmnisse werden etwa gleich häufig frauenfeindliche Strukturen und Kulturen wie auch fehlende Familienfreundlichkeit und Flexibilität in den Unternehmen genannt. Im Detail:

  • Männlich geprägte Strukturen und Seilschaften: 32%
  • Frauendiskriminierende Führungskultur: 13%
  • Fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie: 26%
  • Fehlende Angebote, Führung und Teilzeit zu verbinden: 21%

Ein geringes Interesse von Frauen an Führungspositionen nennen 7%.

 

Das Image der Verlage: traditionell und wenig innovativ

Gefragt nach ihrer allgemeinen Wahrnehmung der Verlagsbranche, zeichnen die Nachwuchskräfte ein recht eindeutiges Bild (s. auch Tabelle):

  • Verlage stehen vor allem für Tradition und Qualität.
  • Entsprechend werden sie mehrheitlich als wenig innovativ – und damit korrespondierend: wenig technikaffin – charakterisiert.

Wie nimmst Du die Verlagsbranche wahr?

Die Verlage sind …ja, sehrja, etwasmittel nein, wenigernein, gar nicht
traditionell52%38%10%0%0%
hierarchisch31%44%23%2%0%
qualitätsorientiert29%42%21%6%0%
marketingorientiert10%33%37%19%0%
kreativ12%27%50%10%2%
politisch4%23%37%33%0%
innovativ0%19%29%46%6%
technikaffin2%4%21%58%15%
gerundete Prozentwerte (ohne „keine Angabe“)

 

Das spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur wider:

  • Die Strukturen werden überwiegend als klassisch hierarchisch empfunden.
  • Nachholbedarf gibt es bei flexiblen und familienfreund­lichen Arbeitsmodellen.

Positiv: Im Alltag wird in den Verlagen tendenziell eigenverantwortlich sowie teamorientiert und projektbezogen gearbeitet. Zudem berichten zwei von drei Befragten, dass sie bei ihrer Arbeit über etwas Gestaltungsspielraum verfügen.

Auf den Wunschlisten an den Arbeitgeber stehen jedoch auch öfter: als Nachwuchskraft ernst genommen und stärker gehört werden. Dazu exemplarisch der Kommentar einer Umfrageteilnehmerin: „Wir Millennials bringen nützliche Fähigkeiten mit in die Unternehmen und sind den jüngeren Zielgruppen näher. Wir bewerten Chancen und Risiken anders als ältere Kollegen, wenn es um Online-Marketing und die Nutzung von Social Media geht und können damit wertvolle Beiträge leisten. Trotzdem werden wir oft nicht um unsere Meinung gefragt, sondern als Neulinge in der Branche belächelt.“

 

Kommunikationskultur: Der Digitalvorschau gehört die Zukunft

Junge Verlagsmenschen: Die Mitglieder des Netzwerks nutzen ihr Jahrestreffen, um sich auszutauschen – vor einem Jahr in Stuttgart (Foto), in diesem Jahr am Mediacampus in Frankfurt (12. bis 14. Juli). (Foto: Julia Ruppert)

Zum Thema Kommunikation und Marketing wurde in der Umfrage auch abgefragt, wie denn wohl die Chancen der Verlage stehen, den direkten Kontakt zu ihren Lesern zu forcieren:

  • Bei den sozialen Netzwerken sehen die befragten Jungen Verlagsmenschen das größte Potenzial bei Instagram („sehr gut geeignet“: 73%), andere Plattformen wie Facebook sowie verlagseigene Blogs oder Websites eignen sich für die Mehrheit dagegen nur bedingt, um den direkten Draht zum Kunden zu suchen.
  • Bei aller Liebe zum Online-Marketing geht für sie aber dennoch nichts über den persönlichen Austausch bei Veranstaltungen oder Conventions („sehr gut geeignet“: 80%) und, mit Abstrichen, bei Buchmessen (55%).

In der Kommunikation mit dem Buchhandel gehört für die Jungen Verlagsmenschen der Digitalvorschau die Zukunft:

  • Langfristig wird sie von den meisten als das Kommunikationsmittel der Wahl eingestuft (75%). Die Printvorschau dagegen hat für die Mehrheit nur noch mittelfristig Bestand (49%) bzw. keine Zukunft (36%).
  • Bei den digitalen Kommunikationswegen werden sozialen Netzwerken (69%) tendenziell bessere Langfristperspektiven zugeschrieben als dem Newsletter-Versand (47%).
  • Bei der Arbeit des Außendienstes/der Vertreter sowie der Kontaktaufnahme via Telefon-Hotline gehen die Meinungen weit auseinander.

Junge Verlagsmenschen

Junge Verlagsmenschen e.V. ist nach eigener Angabe das größte Nachwuchsnetzwerk der Buch- und Medienbranche, organisiert in 13 regionalen Städtegruppen.

Umfrage

buchreport führte Anfang Juli zusammen mit dem Netzwerk Junge Verlagsmenschen (JVM) eine Online-Umfrage unter den Teilnehmern des JVM-Jahrestreffens mit 55 Antworten durch. Die Zusammensetzung:

  • Durchschnittsalter: 29,3 Jahre
  • 89% Frauen, 11% Männer
  • 47% verlagsangestellt
  • 15% befinden sich in der Ausbildung oder im Volontariat
  • 11% befinden sich in freier Mitarbeit
  • 7% studieren
  • 20% Sonstige

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