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Mit Daten statt Intuition entscheiden

Über kaum ein anderes Thema wird in internationalen Unternehmen aktuell so viel diskutiert wie über Big Data. Firmen können via Twitter, Facebook sowie mithilfe eigener Communitys die Vorlieben ihrer Zielgruppe detailliert studieren. Für Verlage ist das datengetriebene Handeln jedoch Neuland, wie der E-Book-Experte Sebastian Posth im Interview erklärt. Der Berater skizziert im Vorfeld seines Auftritts auf der TOC buchreport am 23. April in Berlin (hier mehr) die Big-Data-Perspektiven.
In der Verlagswelt wird viel über Big Data gesprochen. Ist das der neue Heilsbringer?
Das operative Geschäft der Verlage ist einem radikalen Wandel unterzogen. Digital Publishing und Social-Media-Marketing, d.h. die neuen Formen des Vertriebs und der Vermarktung von E-Books sowie die veränderte Ansprache von Lesern sorgen für viele neue Herausforderungen, gerade was die Koordination der unterschiedlichen Tätigkeitsfelder betrifft. Experimente sind dabei zwar sinnvoll, um Erfahrungen zu gewinnen. Wenn es aber um die wirklich wichtigen Entscheidungen für einen ganz neuen Markt geht, dann sollten Verlage es besser mit Jeff Bezos halten und eine methodische Herangehensweise und genaue Datenanalyse dem intuitiven Handeln vorziehen. Datengetriebenes Handeln ist für Verlage ein relativ neues Feld, nicht nur, wenn es um digitale Distribution geht. Aber die Sensibilität für das Thema steigt. Mit Big Data hat dies allerdings aktuell noch nicht viel zu tun.
Woran hapert es?
Bei Big Data geht es um die Analyse riesiger Daten­mengen. Das wird von Buchverlagen aktuell nur selten praktiziert. Wenn man alle Daten aus den unterschiedlichen Quellen zusammenführen und analysieren würde, gäbe es auch für Verlage eine Menge Informationen, aus denen sich relevante Erkenntnisse gewinnen ließen. Das ist übrigens der Ansatz meines Projekts „Monitor“, mit dem wir Verlagen die integrierte Auswertung unterschiedlicher Datenquellen anbieten werden. Die Verkaufsdaten der E-Book-Shops oder Nutzungsdaten der Bibliotheksplattformen sind ganz wichtig, jedoch ohne den entsprechenden Kontext relativ wertlos. Dass Titel verkauft oder lizenziert wurden, ist nur das Ergebnis vorhergehender Aktivitäten. Interessanter ist also: Können diese Marketingaktivitäten gemessen und in einen Zusammenhang mit den Verkaufszahlen gestellt werden?
Welche Daten sollten analysiert werden?
Sicher spielen weiterhin Rezensionen in klassischen Medien eine wichtige Rolle, immer wichtiger werden jedoch Blog- und Leserrezensionen in den Shops sowie auf Lektüreportalen wie Lovelybooks oder Goodreads. Nicht zu vergessen die Reaktionen auf Social-Reading-Plattformen wie Readmill oder Skoobe, wo ebenfalls qualifizierte Bewertungen abgegeben werden. Der Social-Buzz, der via Twitter oder Facebook erzeugt wird, ist zwar nicht weniger interessant, liefert jedoch aktuell oft nur rein quantitative Information über die Traktion eines Titels – selbst ein ‚Like‘ muss nicht immer eine positive Bewertung sein. Entscheidend ist, diese Einflussfaktoren mit den Verkaufszahlen der E-Book-Shops zu verknüpfen, denn die Absatzzahlen an sich bieten nur relative Aussagen über die Popularität einzelner Titel im Vergleich zu anderen. Perspektivisch ließe sich der Datenfokus noch weiter aufziehen, nach den Maßstäben des E-Commerce: Aus den verlagseigenen oder fremden Shopseiten ließen sich weitere Daten extrahieren: Welche Verkäufe entstehen aus Aktionen heraus oder werden nach Leseproben generiert? Wie hat ein Kunde ein Buch gefunden, wonach hat er gesucht? Welche anderen Artikel oder Bücher liegen mit im E-Book-Warenkorb?
Kurzfristige Entscheidungen der Verlage werden dadurch erschwert, dass es kaum Daten der Shops gibt. Welche Perspektiven sehen Sie angesichts dieses Nadelöhrs?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die Standards beim Datenmonitoring in der Verlagsbranche sehr schnell entwickeln werden. Viele E-Book-Shops liefern Verlagen und Autoren bereits jetzt schon Trenddaten auf täglicher Basis, weitere Shops werden ihre Systeme noch in diesem Jahr darauf einstellen, Verkaufstrends zeitnah an Verlage zu übermitteln. Verlage haben ein Recht auf eine monatliche oder quartalsweise Lizenzabrechnung. Warum sollte man ihnen nicht täglich die Informationen geben, die helfen, den Vertrieb und Vermarktung von E-Books zu verbessern? Davon profitieren doch sowohl Shop als auch Verlag! 
Sebastian Posth, früherer Leiter der Digitalen Distribution der Arvato Media, arbeitet als Verleger, Unternehmer und Berater für die Verlagsbranche mit dem Fokus auf E-Books, Digitalvertrieb und E-Book-Marketing. Aktuell arbeitet der Berliner an „Monitor“, einem Reporting-Tool für Verkaufsdaten und Marketinginformationen. 

Mehr Informationen über die TOC buchreport finden Sie hier.

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