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Ehrhardt F. Heinold: Mehr Kanäle, mehr Formate

Ehrhardt F. Heinold: Mehr Kanäle, mehr Formate

Verlage und Buchhandlungen müssen sich in einem mehrmedialen Markt vertrieblich neu aufstellen, intern Technik und Abläufe optimieren, extern neue Dienstleister und Partner suchen, und sich vor allem mit ihren Kunden neu bzw. noch mehr vernetzen.

Früher war die Welt für Verlage auch nicht einfacher, aber überschaubarer – denn es gab „nur“ gedruckte, später auch elektronische, aber dennoch physische Produkte. Diese wurden entweder über den Handel, den Versandhandel oder direkt vertrieben. Auch das war schon eine Herausforderung. Doch mit dem Aufkommen des Internet ist der Vertrieb von Verlagsprodukten noch komplexer geworden:

  1. Verlage müssen immer mehr Vertriebskanäle bedienen: Onlineshops, Downloadportale, Contentpartner – die Zahl  der potentiellen Verkaufsmöglichkeiten ist schon kaum mehr überschaubar, wächst weiter und wird immer vielfältiger (z.B. internationaler).
  2. Verlage müssen all diese Kanäle mit Metadaten versorgen; der ONIX-Standard ist zwar sehr hilfreich, aber (leider noch) kein Allheilmittel, da viele Plattformen eigene Anforderungen an die Datenlieferung stellen.
  3. Beim Vertrieb digitaler Produkte müssen auch die Produktdateien selbst geliefert werden – auch hierfür gibt es noch kaum Standards, jedes Portal hat eigene Vorschriften – selbst die Anlieferungsvorschriften von PDF- oder Audio-Dateien variieren von Portal zu Portal.
  4. Die Verkaufskonditionen unterscheiden sich ebenfalls von Portal zu Portal (wie beim stationären Buchhandel ja auch), mit einigen kann verhandelt werden, andere (wie z.B. der AppStore von Apple) bieten lediglich Standardkonditionen.
  5. Die Abrechnung (intern, aber auch extern gegenüber Autoren und anderen Rechteinhabern) wird ebenfalls komplexer, zumal wenn nicht mehr ganze Bücher, sondern einzelne Teile (wie z.B. Kapitel, siehe Ciando), Datenbankzugriffe (wie beim nwb-Modulsystem) oder zeitlich befristete Zugriffe (wie bei de Gruyter und Deepdyve) vermarktet werden.

All dies hat zur neuen Herausforderung einer „digitalen Verlagsauslieferung“ geführt, der sich immer mehr Auslieferer und andere Dienstleister aktiv stellen (z.B. KNV durch die Akquisition der Zentrale Medien oder die VVA). Verlage müssen sich fragen: Welche Leistungen wollen sie selbst erbringen, welche wollen sie an Dienstleister outsourcen? Die Dienstleister müssen sich fragen: Wie weit soll ihre Leistung reichen, wollen sie nur eine „reine“ Datenauslieferung bieten, oder auch eigene Vertriebsaktivitäten anbieten?

Doch nicht nur die technische Fragen werden komplexer, sondern auch die Vermarktungsfragen – schließlich muss ein Verlag die verschiedenen Verkaufskanäle miteinander koordinieren. Schon der E-Commerce hat die Verlage für den Direktvertrieb geöffnet, bei der digitalen Distribution wird diese Frage noch drängender. Vor allem für den Buchhandel (wie übrigens auch für Bibliotheken), stellt sich die Frage, wie er sich in einer mehrmedialen Welt positioniert: Wird er noch mehr auf Nonbooks setzen (wie die Hugendubel-Gruppe), wird er zum Medienhandel (siehe die Pilotprojekte der Thalia-Gruppe), der so am Verkauf von E-Medien partizipieren kann, oder zum Informationsberater und Fachinformationsprovider (wie das Schweizter Sortiment)? Der (trotz Preisbindung) fortschreitende Strukturwandel im Buchhandel, von der Konzentration über die Spezialisierung bis hin zur Ausrichtung auf einen eher schmalen Mainstream (Stichwort „Familienbuchhandel“), betrifft alle Verlage.

Alle Marktteilnehmer müssen sich zudem mit ganz neuen Mitspielern auseinandersetzen. Downloadportale, vor allem jene für die Smart-Phone-Shops, schieben sich als immer größere und mächtigere Händler zwischen Verlage und ihre Kunden. Die Fahne des Buchhandels hält nur noch das Branchenportal Libreka hoch. Was schon beim Versandhändler Amazon sichtbar war, findet hier seine konsequente Fortsetzung: Wer den Kundenkontakt hat, bestimmt die Konditionen. Wie wichtig wird für Verlage (und auch Buchhändler) der direkte bzw. noch direktere Kundenkontakt?

Aus all dem wird klar: Verlage und Buchhandlungen müssen sich in einem mehrmedialen Markt auch vertrieblich neu aufstellen, intern Technik und Abläufe optimieren, extern neue Dienstleister und Partner suchen, und sich vor allem mit ihren Kunden neu bzw. noch mehr vernetzen.

Veranstaltungshinweis

Die Zukunft des Medienvertriebs wird auf Fachkonferenz „Medienvertrieb 3.0: Wie Bücher und E-Medien morgen verkauft werden“ der Akademie des Deutschen Buchhandels am 07. Mai 2010 in München diskutiert. Referenten sind u.a. Carel Halff (Weltbild), Mirza Hayit (Haufe Lexware), Volker Oppmann (Texttunes), Paul Osborn (de Gruyter), Jan Oßenbrink (Verlag Neue Wirtschaftsbriefe), Dr. Pascal Zimmer (Libri), Eckhard Zimmermann (Langenscheidt), Klaus Kämpfe-Burghardt (Bibliographisches Institut) und Wolfgang Foerster (Coppenrath).

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