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Libreka hat den Rubikon eindeutig überschritten

In der heterogenen Familie des Börsenvereins spricht der Landesverband Bayern ein gewichtiges Wort: Mit 1098 Buchhandlungen, Verlagen und assozierten Mitgliedern ist Bayern hinter Nordrhein-Westfalen die zweitgrößte Landesorganisation unter dem Dach des Gesamtverbandes. buchreport durchleuchtet mit dem Vorsitzenden Wolf Dieter Eggert die gegenwärtige Reformdebatte im Börsenverein und seine wirtschaftlichen Aktivitäten.

Der Landesverband Nordrhein-Westfalen stellt die Verbandsstrukturen auf den Prüfstand und strebt die Fusion mit dem Bundesverband an. Braucht der Börsenverein nach den großen Reformrunden der Vergangenheit jetzt dringend eine weitere Frischzellenkur?

Ich denke nicht. Wir haben ja 2003 die große Verbandsreform durchgeführt, die zum Gesamtverein in seiner jetzigen Aufstellung geführt hat. Seitdem ist kaum ein Jahr vergangen, in dem diese Reformbemühungen nicht Früchte getragen haben, von der die Mitgliedschaft profitiert. Die Frage ist, ob die Auflösung eines Landesverbandes ein Schritt in die richtige Richtung ist und da haben ich und die Vorsitzenden anderer Landesverbände eine klare Meinung. Wenn man an weiterführende Reformen denkt, ist die Option Auflösung und Fusion mit dem Bund die Ultima Ratio. Sie sollte man nur ins Auge fassen, wenn einem gar nichts anderes mehr einfällt.

Dass es Alternativen gibt, wenn es um Sparpotenziale, schlankere Strukturen und eine höhere Effizienz geht, zeigen bereits bestehende Zusammenschlüsse und Kooperationen in einzelnen Ländern. Eine ganz neue und echte Reformbewegung ist der Plan der Bundesländer Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen, künftig unter dem Dach eines gemeinsamen Landesverbandes zu agieren. Das ist unserer Meinung nach eine richtige Antwort auf die Frage, wie stellt sich der Börsenverein als Gesamtverein für die Zukunft auf.

Warum sind föderale Strukturen aus Ihrer Sicht unverzichtbar?

Sie sind vor allem aus Sicht des Mitglieds unverzichtbar. Das wird ganz klar durch eine aktuelle Umfrage des Sortimenter-Ausschusses belegt. Über 80% der Mitglieder wollen die Betreuung vor Ort und betonen die Wichtigkeit der Nähe zu ihrem Verband. Föderale Strukturen sind für den Börsenverein aber auch wichtig, weil zum Beispiel Bildung, Wissenschaft und Kunst Themen sind, die in der Bundesrepublik eben auch föderal organisiert sind. Der Börsenverein muss auch aus diesem Grunde starke Landesvertretungen haben und in den Bundesländern Flagge zeigen. Das kommt der ganzen Branche zugute.

Das Thema, wie sich der Börsenverein generell aufstellen soll, wird kontrovers diskutiert. Wo liegen nach Ihrer Sicht die Hauptaufgaben des Verbandes und auf welche Felder sollte er sich hauptsächlich konzentrieren?

Was ein Wirtschaftsverband wie der Börsenverein primär nicht machen sollte, ist, umfangreiche wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu gründen und zu betreiben. Wir sind kein Fußballverein, der antritt, um in der Bundesliga Geld zu verdienen. Der Börsenverein hat gegenüber seinen Mitgliedern einen klaren Auftrag. Er muss ihre wirtschaftliche Tätigkeit unterstützen, ihnen vernünftige Rahmenbedingungen verschaffen und einen fairen Wettbewerb sicherstellen.

Zugespitzt würde ich sagen: Unser Börsenverein ist zu nichts anderem da, als seinen Mitgliedern von morgens bis abends zu dienen und ihnen zu helfen, zu schlichten, zu vernetzen und Möglichkeiten zu verschaffen. Das gilt sowohl für den Bundesverband und die Landesverbände.

Der Bundesverband muss seinen Schwerpunkt in Richtung Berlin haben, denn dort werden die großen politischen Rahmenbedingungen abgesteckt. Unsere Aufgabe in den Landesverbänden ist es, möglichst nah am Mitglied und der regionalen Politik zu sein. In Bayern heißt das konkret, eng mit der Staatskanzlei und den Staatsministerien zusammenzuarbeiten und in München, einer der größten Verlagsstädte Europas, gut mit der Stadt zu kooperieren.

Nun ist der Börsenverein aber dezidiert wirtschaftlich aktiv. Kritisch diskutiert wird in diesem Kontext immer wieder die Rolle von Libreka. Gehört die Wirtschaftstochter MVB ins Portfolio des Verbandes?

Das Meinungsbild dazu ist bei den Mitgliedern, aber auch bei uns in den Landesverbänden kein einheitliches. Was die MVB macht, ist vom unternehmerischen Standpunkt her etwas, wovor ich persönlich absoluten Respekt habe. Aber: Mit der Neupositionierung und dem Zukauf von Claudio hat Libreka eindeutig den Rubikon überschritten.

Libreka, einst als „Volltextsuche Online“ gestartet, um der Branche im sich abzeichnenden digitalen Geschäft ein Werkzeug in die Hand zu geben, das Teilhabe und Kontrolle über die eigenen Verlagsinhalte gewährleistet, ist mit der jüngsten Neupositionierung keine Branchenplattform mehr. Über die MVB ist stattdessen ein aktiver Marktteilnehmer entstanden, der gar nicht anders kann, als im Wettbewerb zu den Mitgliedsunternehmen zu stehen.

Als Mitglied des Börsenvereins und Vorsitzender des Landesverbandes Bayern muss ich sagen, so etwas gehört nicht zu den Aufgaben eines Wirtschaftsverbandes. Der Börsenverein sollte sich nur dort wirtschaftlich betätigen, wo er Verbandsaufgaben unterstützt. Als Beispiel nenne ich die Ausstellungs- und Messe GmbH als Betreiberin der Frankfurter Buchmesse.

Sollte sich der Börsenverein von Libreka trennen? Wie weit darf sein wirtschaftliches Engagement gehen? Diese Diskussion werden wir im Verband weiter führen. Sicherlich auch im Juni auf den Buchtagen in Berlin.

Die Fragen stellte Rainer Uebelhöde

Das vollständige Interview lesen Sie im aktuellen buchreport.magazin 4/2011, das Sie hier bestellen können.

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