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Zeit zum Teilen: Innovationen gemeinsam entwickeln

Das Beispiel Corona-Impfstoffe lehrt: Auch Weltkonzerne agieren nicht isoliert. Und der Mittelstand? Es ist Zeit für neuartige Allianzen in den Verlagen, meint Berater Jens Löbbe im IT-Channel von buchreport.de.

Jens Löbbe ist Dipl. Wirtschafts-Ing., berät und begleitet seit mehr als 25 Jahren Verlage und Medienunternehmen in den Bereichen Innovation, Technologie und Organisationsentwicklung. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der 2017 gegründeten Argestes Managementberatung, systemischer Organisationsberater, Dozent an der Hamburg Media School und zertifizierter Trainer für Business Model Generation. (Foto: Claudia Masur)

Alles ist im Fluss. Ob die Disruption von Produktionsbedingungen und Märkten wie aktuell aus globalen Gesundheitsrisiken resultiert oder aus weniger dramatischen Umständen: Es ist Zeit zum Teilen. Warum?

Die Lage der Verlage ist aktuell geprägt von folgenden Merkmalen:

  • volatile Absatzmärkte
  • rasanter Wandel der Kundenerwartungen
  • kurze Produktzyklen
  • Konkurrenz durch branchenfremde Akteure
  • zunehmender Kostendruck
  • hoher Innovationsdruck und geringe Innovationskraft
  • hohe Anforderungen an technologisches Know-how.

All dies ruft danach, echte Innovationen zu entwickeln und effizient umzusetzen. Dazu sollten auch Medienunternehmen strategische oder operative Entwicklungspartnerschaften eingehen. Ein gutes aktuelles Beispiel aus einer anderen Branche ist die Covid-19-Impfstoffentwicklung des US-Pharmariesen Pfizer. Dieser greift auf ein Unternehmen zurück, dessen Belegschaft gerade mal 1% seiner eigenen umfasst, das aber genau das beherrscht, was er selbst nicht kann.

Warum passiert ähnliches in Verlagen nicht häufig? Hauptgründe: Es fällt ihnen schwer, genau zu unterscheiden, welche Leistungen wettbewerbskritisch sind und auch mit wem sie was sinnvoll teilen können. Und es fehlt oft an Gelegenheit und Willen, mit Partnern wirklich Neues umzusetzen.

Shared Services: Keine neue Idee

Shared Services betreffen meist Infrastruktur-Leistungen, die die Wettbewerbsfähigkeit eines beteiligten Bereichs nicht berühren.

Was ein Shared-Service-Center für die verschiedenen Bereiche eines Konzerns leisten kann, kann es auch für verschiedene Unternehmen erbringen, die einen ähnlichen Bedarf haben. Viele Shared Services haben den Buchhandel zu einer der ältesten und robustesten Industrien Deutschlands gemacht: Buchmessen, das VLB oder Verlagsauslieferungen. Auf allen Stufen der Wertschöpfung finden sich bereits sinnvolle Kooperationen. Aber auch innovative Player wie digitale Auslieferer, Anbieter von Cloud-Services und Payment-Service-Provider sind Shared Services. Dies ist schon so selbstverständlich, dass sich kaum jemand dessen bewusst ist.

Vorzüge des Teilens

Shared Services sind auch Treiber von Digitalisierung, verbesserter Kosteneffizienz und Qualitätsoptimierung. Die Motive für kooperative Strategien und für die Teilung der Ressourcen von Spezialisten sind branchenübergreifend und offensichtlich:

  • Ressourcen sparen
  • am Know-how und an der Innovationskraft des Partners teilnehmen
  • Risiken verteilen
  • Kostenvorteile durch Skaleneffekte erzielen
  • Zeit- und Effizienzvorteile erzielen
  • den Kundennutzen erhöhen
  • Management und Belegschaft von „Denkaufgaben“ über Themen entlasten, die nicht zum Kerngeschäft gehören.

Auch über die Erfolgsfaktoren sind allgemeine Aussagen möglich, entlang derer das intensive Nachdenken der Verantwortlichen über Sharing beginnen sollte:

  • gemeinsame Zielvorstellungen
  • die Chance auf schnelle Erfolge
  • kulturelle Übereinstimmung
  • eine eher entspannte Wettbewerbslage
  • ähnliche Methoden-Inventare, die versprechen, zu wachsen.
IT-Grundlagen und Technologien der Zukunft

Mehr zum Thema IT und Digitalisierung lesen Sie im IT-Channel von buchreport und Channel-Partner knk.
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Die nächste Stufe: Shared Innovation

So sinnvoll das Teilen von Ressourcen ist, tun Verlage gut daran, an diesem Punkt nicht stehenzubleiben. Denn im Zuge der Digitalisierung wird der Druck weiter wachsen, und Shared Services unterstützen sie nur begrenzt in ihren unternehmerischen Zielen, der Entwicklung und Umsetzung von Innovationen, u.a.

  • weil nur Standards nutzbar und die Entscheidungsoptionen begrenzt sind
  • weil sie nicht für exklusive Vorteile sorgen
  • weil sie zwar eine Fokussierung auf Kernaufgaben erlauben, aber nicht der Verbesserung der eigenen Marktposition dienen.

Innovation erfordert enorme Anstrengungen, und die Medienbranche ist dafür nicht wirklich gut aufgestellt. Die Budgets einzelner Verlage für Forschung und Entwicklung sind zu gering, und innovative Leistungen entstehen meist intuitiv, personengetrieben oder zufällig – zumindest selten strukturiert. Die Verlagswirtschaft befasst sich mehr mit der Optimierung der Ist-Prozesse als mit gezielter Innovation von Geschäftsmodellen.

Shared Innovation will neue Wege und Methoden anbieten, Kreativität und Innovationen gemeinsam mit Partnern und auch Mitbewerbern zu entwickeln. Ziele von Innovations-Kooperationen sind:

  • Kundenbedürfnisse besser explorieren zu können
  • Effektivität zu steigern und nach weiterer Effizienz zu streben
  • Kreativität aus anderen Bereichen und Branchen bewerten zu können
  • Erfahrungen zu nutzen und selbst zur Verfügung zu stellen
  • Eigene Kompetenzen zu stärken
  • Neue Marktzugänge zu finden
  • Risiken sinnvoll zu teilen.

Neben einer grundlegenden Bereitschaft zum Teilen muss sehr klar bewertet werden, mit wem man was tatsächlich teilen kann:

  • Aufgaben mit niedriger Bedeutung für die Wettbewerbssituation sind prädestiniert für ein gezieltes Outsourcing.
  • Bei wettbewerbsrelevanten Leistungen sollten alle Aufgaben intern erbracht werden, die eine hohe Differenzierung im Markt sicherstellen und auch intern tatsächlich gut erbracht werden können. Dies sind die eigenen strategischen Kernkompetenzen. Sie erweisen sich meist als nicht teilbar – auch wenn sich in Kooperationen zahlreiche Optionen zeigen können.
  • Bei allen anderen Aufgaben mit Wirkung auf die Innovationskraft – von der Bewertung und Nutzung neuer Technologien bis zur Erarbeitung und Umsetzung von kooperativen Geschäftsmodellen – ist Shared Innovation Erfolg versprechend, sofern dabei die passenden Partner und ein geeigneter Grad an Verbindlichkeit gewählt und die Erfolgsfaktoren beachtet werden. So können Shared Innovation helfen, Ressourcen, Kompetenzen und Marktzugänge effizient weiterentwickeln, die eigenen strategischen Optionen zu verbreitern und die finanzielle Basis zu stärken.

7 Schritte zur Shared Innovation

1. Standortbestimmung: Wo stehen Sie heute? Wie wichtig ist das Thema Innovation und Kooperation für Ihr Unternehmen? Wie innovieren Sie heute? Intuitiv, improvisierend, strukturiert, prozess- oder personenbezogen?

2. Ziele entwickeln und kommunizieren: Legen Sie fest, in welchen Bereichen Kooperationen für Ihr Unternehmen sinnvoll sind und in welchen nicht. Machen Sie die Ziele mess- und bewertbar!

3. Kooperationsfähig werden: Schaffen Sie eine kulturelle, methodische und personelle Basis, um Kooperationen und Shared Innovation auf Augenhöhe überhaupt durchführen zu können. Wie attraktiv oder unattraktiv ist Ihr Verlag tatsächlich für potenzielle Partner?

4. Richtige Partner suchen: Wie kommen Sie zu Kooperationspartnern mit passenden Kompetenzen und Eigenschaften? Wie binden Sie sich gegenseitig, welche Exits sind nötig? Prüfen Sie nicht nur die formalen Erfolgsfaktoren und Stolpersteine!

5. Professionelle Methoden: Die besten Methoden findet man nicht nach einem festen Raster. Jede Situation ist anders. Was passt am besten zur Ausgangslage und zu Zielen und Partnern?

6. Shared-Innovation-Prozesse managen: Wie kommen Sie vom Mittelmaß zu Höchstleistungen? Welche Instrumente brauchen Sie dafür? Wie steuern und führen Sie den Gesamt- und die Teilprozesse? Wer macht dabei was?

7. Ergebnisse offen bewerten: Beobachten und feiern Sie messbare Erfolge! Beenden Sie andererseits bei Nichterfüllung die Kooperation konsequent und zügig.

So glückt Shared Innovation

Shared Innovation kann in Kooperationsformen unterschiedlichen Charakters entstehen: horizontal (zwischen Verlagen), vertikal (zwischen Verlagen und Produktionsbetrieben oder Vermarktern) oder lateral (zwischen Vertretern verschiedener Branchen). Sie kann etablierte Betriebe, Newcomer und Start-ups umfassen. Sie kann hinsichtlich ihrer juristischen Verbindlichkeit jede Form annehmen: von der unverbindlichen Dienstleistungskooperation über gesellschaftsrechtliche Kooperationen und Beteiligungen bis zur völligen Integration oder Fusion.

Eines der wichtigsten Ergebnisse von erfolgreicher Shared Innovation ist eine erhöhte Flexibilität für alle Partner. Sie soll für Unternehmen mehr Optionen, mehr Professionalität, mehr Geschwindigkeit in verschiedenster Hinsicht schaffen:

  • strukturell: effektive Weiterentwicklung der Aufbau- und Ablaufstrukturen
  • prozessual: kürzere Entwicklungszyklen, höhere Schlagzahl
  • zeitlich: passgenauere Nutzung von Leistungen
  • finanziell: geringe Risiken der Projekt­finanzierungen
  • personell: Stärkung verfügbarer Qualifikationen und Kapazitäten

Ein Shared-Innovation-Projekt hat besonders hohe Erfolgschancen, wenn die Partner in formaler Hinsicht

  • Ziele und Erwartungen klar definieren
  • Ein- und Austritt der Beteiligten sauber regeln
  • Standards vereinbaren
  • Erfindungen gemeinsam treiben
  • Schutz- und Nutzungsrechte regeln
  • Gewährleistung und Haftung vereinbaren
  • passende juristische Organisationsformen wählen.

Hinzu kommen informelle Erfolgsfaktoren, die eine solche Partnerschaft unbedingt braucht:

  • Gelegenheiten zu schaffen und zu nutzen
  • den kulturellen Fit der Beteiligten ehrlich zu bewerten („Das will ich!“)
  • die Kommunikation zwischen den Beteiligten sicherzustellen
  • zeitliche Perspektiven zu klären
  • methodisch professionell vorzugehen
  • auf Kontinuität zu setzen, statt sich opportunistisch ein- und auszuschleichen

Einer der wichtigsten Erfolgstreiber ist letztlich das richtige Mindset. Das bedeutet, Kooperation als Chance auf Weiterentwicklung und nicht als Eingeständnis eigener Schwäche zu verstehen.

Jens Löbbe loebbe@argestes.de

buchreport.spezial Management & Produktion

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im buchreport.spezial Management & Produktion 2020.

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