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Hueber Verlag: Antworten für die Zukunft finden

Weibliches Führungsteam: Hueber hat im April 2019 Marion Kerner (links) und Sylvia Tobias (rechts) zu Geschäftsführerinnen für die Bereiche Programm bzw. Marketing und Vertrieb berufen. Sie unterstützen seitdem die geschäftsführende Gesellschafterin und Verlegerin Michaela Hueber (Mitte). Mit der Neuaufstellung in der Führungsebene ist eine veränderte Unternehmensorganisation im Verlag eingezogen: Statt feste personelle Einheiten gibt es flexible Teams, die je nach Aufgabenstellung neu formiert werden können. (Foto: Thorsten Jochim)

Als im Frühjahr 2020 Sprachlehrer und -lehrerinnen plötzlich mit der ungewohnten Situation konfrontiert waren, ihren Unterricht aufgrund geschlossener Institutionen online durchführen zu müssen, hat der Münchner Hueber Verlag umgehend reagiert:

  • Als „Überbrückungshilfe“ wurde das gesamte Angebot digitaler Lehrwerke auf der Medienplattform „Hueber interaktiv“ kostenlos zur Verfügung gestellt, wie Sylvia Tobias, Geschäftsführerin Marketing und Vertrieb, berichtet. Die aktuell knapp 300 digitalen Ausgaben der Kurs- und Arbeitsbücher sind mit Zusatzfunktionen wie integrierten Audio- und Video-Dateien oder interaktiven Übungen mit Lösungskontrolle und Speicherung des Bearbeitungsstands angereichert.
  • Parallel wurde ein umfangreiches, kostenloses Webinar-Programm aufgesetzt, das bei der Umstellung auf den Online-Unterricht half.

Die Reaktionen auf die schnelle und unbürokratische Unterstützung seien überschwänglich gewesen. „Danke, dass ihr uns an die Hand genommen und in die Zukunft geführt habt“, zitiert Tobias einen der vielen Dankesbriefe an den Hueber Verlag.

Das bereits in dritter Generation inhabergeführte Unternehmen bringt sein Portfolio – dazu gehören Lehrmedien und Selbstlernmaterialien, Grammatiken, Übungsmaterialien, Lektüren sowie Fachliteratur – in mehr als 30 Sprachen über ein weltweites Vertriebsnetz an die Lehrenden und Lernenden. Besonders bei der Vermittlung der deutschen Sprache kommt man am Hueber Verlag nicht vorbei, der in den Segmenten Deutsch als Fremdsprache (DaF) sowie Deutsch als Zweitsprache (DaZ) nach eigener Aussage im In- und Ausland marktführend ist.

Das Unternehmen hat Beteiligungen an und Kooperationen mit internationalen Verlagen sowohl im Fremdsprachen- als auch im DaF/DaZ-Bereich. Im D/A/CH-Markt arbeitet Hueber mit zahlreichen Partnern im Rahmen exklusiver Vertriebs- und Marketingkooperationen zusammen. Dazu gehören u.a. die Verlage Hachette, Macmillan, SGEL und Alma, der auf zweisprachige Kinderbücher spezialisierte Verlag Bilibri, der Grubbe Verlag (Sprachlernspiele) oder Casio (elektronische Wörterbücher).

Hueber

Baubergerstraße 30, 80992 München
Tel. 0 89/96 02-0
www.hueber.de

  • Geschäftsführerinnen:
    • Michaela Hueber (geschäftsführende Gesellschafterin)
    • Marion Kerner (Programm)
    • Sylvia Tobias (Marketing, Vertrieb)
  • Umsatz 2020 (ohne Beteiligungsfirmen): ca. 26 Mio Euro
  • Lieferbare Titel: ca. 7000
  • Mitarbeiter: 130
  • Programmschwerpunkte:
    • Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache
    • Englisch
    • Französisch
    • Italienisch
    • Spanisch
    • selten unterrichtete Sprachen

Einbruch in der Erwachsenenbildung

Während des Lockdowns zahlen sich bei Hueber vor allem die Investitionen ins digi­tale Angebot aus, das 2020 erst- mals signi­fikante Umsatzanteile erreichen konnte. Hauptumsatzträger waren Sylvia Tobias zufolge die interaktiven digitalen Lehrwerke, die schwerpunktmäßig über die haus­eigene Plattform „Hueber Inter­aktiv“ distribuiert, aber auch in Lernplatt­formen wie Schooltas und BlinkLearning eingebunden werden.

Die Kehrseite des nicht stattfindenden Präsenzunterrichts, der nicht immer in Zoom-Sitzungen transformiert werden kann, ist ein beträchtlicher Einbruch im gesamten Geschäft, das aktuell noch zu über 90% im Print gemacht wird: Im Corona-Jahr 2020 lag der Gesamtumsatz fast 22% unter dem Vorjahr.

Gelitten hat vor allem der heimische Markt: In Deutschland ist der Umsatz um 26,5% gesunken, im Ausland dagegen nur um 13,8%. Ursache hierfür ist laut Tobias der fehlende Präsenzunterricht an Volkshochschulen und privaten Sprachenschulen sowie bei den Integrationskursen. Weniger stark betroffen als die Erwachsenenbildung sei der allgemeinbildende Schulbereich im In- und Ausland. Mit einer Erholung rechnet der Verlag erst zum Herbstsemester bzw. zum neuen Schuljahr 2021, sobald der Unterricht wieder vor Ort stattfinden kann.

Die Einbußen konnten durch eine umsichtige Planung aufgefangen werden, berichtet Tobias.

  • Mitarbeiter seien in Kurzarbeit gegangen.
  • Werbemaßnahmen finden vorzugsweise online statt. So wird der Buchhandel während des Lockdowns mit kostenfreien digitalen Werbematerialien sowie Videos, Spielebeschreibungen und Musterseiten zum Einbinden in den eigenen Online-Shop oder Newsletter unterstützt.
  • Durch wegfallende Präsenzveranstaltungen und Messen konnte man teure Reisekosten vermeiden.
  • Auch die Feier zum 100-jährigen Jubiläum des Verlags wird etwas moderater ausfallen als geplant.

 

Stärkere Verknüpfung Off- und Online

Der aktuell forcierte Einsatz digitaler Lehrmittel wird mit der Rückkehr zum Präsenz­unterricht nicht obsolet werden. „Von unseren Kunden wissen wir genau, dass zukünftig auch in der Präsenz anders unterrichtet werden wird“, so Tobias. Als führendes Format werde sich bis 2025 das On- und Offline-Lernen verbindende Blended Learning etablieren.

Hueber berücksichtigt die neuen Entwicklungen, indem u.a. in der neuen Lehrwerksgeneration alle Grammatikthemen sowie Vokabeln und Redemittel in eine Video-Animation umgesetzt wurden, die man individuell als auch gemeinsam im Kurs einsetzen kann. Heruntergeladen werden können diese Anwendungen via Code im Buch.

Sprachenbegeistert: Nach einer Buchhändlerlehre und abgeschlossenem Germanistik- und Romanistikstudium trat Sylvia Tobias 1989 in den Hueber Verlag ein. 2001 übernahm sie den Marketing- und Vertriebsbereich des international tätigen Unternehmens. 2019 wurde sie in dieser Funktion in die Geschäftsführung berufen. (Foto: Thorsten Jochim)

Um sich in diesem noch entwickelnden Markt „mit innovativen Projekten zukunftssicher aufzustellen“ (Tobias), ist man 2020 neue Kooperationen eingegangen. So arbeitet Hueber mit dem Bielefelder Start-up Deutschfuchs zusammen, das eine Blended-Learning-Software für den DaF- und DaZ-Unterricht entwickelt hat:

  • Das Online-Programm verzahnt Unterrichtsmaterial, E-Learning und die Lehrwerke des Hueber Verlags, zu denen passgenaue Übungen und Wortlisten inklusive Übersetzungen bereitstehen.
  • Zukünftig könnten Deutschfuchs-Materialien auch in die Hueber-Lehrwerke eingebunden werden, um abgestimmt auf das Lehrwerk eine Auswahl an zusätzlichen digitalen Materialien zu erhalten.
  • Als „starker Marketing- und Vertriebspartner“ (Tobias) bewirbt Hueber das Angebot derzeit weltweit mit einer kosten­losen vierwöchigen Testphase. Danach greift ein Abo-Modell auf monatlicher Basis oder eine Jahreslizenz für Schulen.

 

Fullservice-Plattform für DaF-Angebote

Gemeinsam mit der Sprachenakademie Aachen und der Berliner Jobnet AG hat Hueber außerdem die Mint Digital Educa­tion GmbH gegründet (Start: 3. Quartal 2021). Diese soll als „Fullservice-Plattform“ (Tobias) ein modulares Portal für DaF-­Online-Angebote bzw. hybride Lehrange­bote für Sprachkursträger entwickeln und vertreiben, das die Lernumgebung für den gesamten Lernprozess sowie dessen Administration abbildet. Hierzu stehen folgende Komponenten bereit:

  • Ein Lernmanagementsystem mit digitalisierten DaF-Inhalten von Hueber und der Sprachenakademie, ergänzt durch prüfungsorientierte und berufssprachliche Module, virtuelle Klassenräume und moderiertes Lernen in sozialen Gruppen,
  • eine Kursverwaltung sowie eine Finanzbuchhaltungssoftware sowie
  • ein kostenpflichtiges Weiterbildungsangebot für Lehrende und Multiplikatoren.

In weiteren Entwicklungsstufen sollen u.a. Direktformate für Endkunden und weitere Marktsegmente (z.B. andere Sprachen) hinzukommen.

Zusammen mit einem E-Learning-Spezialisten in München arbeitet Hueber außerdem an der Entwicklung von Blended-Learning-Kursen. Der Start dieses neuen Angebots ist ebenfalls für das 3. Quartal 2021 geplant. Insgesamt, schätzt Tobias, könnte der Anteil digitaler Anwendungen auch dank der neuen Kooperationen 2025 bei rund 20 bis 25% des Gesamtumsatzes liegen.

Digitale Strategie bei Hueber

  • Print und Online zusammendenken: Bei den neuen Lehrwerksgenerationen sind Buch und Medien eng miteinander verschränkt. Über einen Code im Buch können die digitalen Inhalte heruntergeladen werden. Standardmäßig werden zudem Inhalte via Augmented-Reality-App zur Verfügung gestellt, die via Smartphone einen direkten Zugriff auf Audio- und Videoinhalte ermöglichen.
  • Digitale, interaktive Lehrwerke: Die mit interaktiven Elementen angereicherten Digitalausgaben sind sowohl für den Einsatz im Präsenz- als auch im Online-Unterricht geeignet. Hueber vertreibt die Ausgaben sowohl über die eigene Plattform „Hueber interaktiv“ als auch über Lernplattformen wie Schooltas und BlinkLearning.
  • Innovation durch Kooperationen: In Zusammenarbeit mit Partnern werden neue, innovative Konzepte im E-Learning-Bereich entwickelt. Synergien werden hier auch durch unterschiedliche Kompetenzen geschaffen, wie das Beispiel Deutschfuchs zeigt: Das Start-up hat das Konzept und die Software entwickelt, an die der Verlagspartner Hueber u.a. mit seinen Inhalten andocken kann. Hueber ist zudem starker Marketing- und Vertriebspartner.
  • Kostenlose Services: Der Verlag bietet auf seiner Website zahlreiche kostenlose Materialien an. Dazu gehören u.a. Webinare, Lehrwerks­services (Unterrichtspläne, Kopiervorlagen etc.) und Einstufungstests.

 

Ausdifferenzierter Markt

Wie stark sich die Veränderungen im Portfolio auf den Vertrieb auswirken, ist ungewiss. Sylvia Tobias: „Wir wollen den Buchhandel auch beim digitalen Geschäft mitnehmen.“ Derzeit laufen noch über 90% des Umsatzes über diesen Vertriebskanal. Über die deutschlandweit verteilten „Infopunkte“ – einer befindet sich im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann – gibt es zudem eine enge Zusammenarbeit im Veranstaltungsbereich. An einem Geschäftsmodell mangelt es jedenfalls nicht: Hueber verfügt über ein Modell dafür, wie Zugangscodes zu digitalen Ausgaben über den Buchhandel verkauft werden können. „Interessenten informiert der Verlag gern darüber“, ermuntert Tobias.

Insgesamt ist der Sprachenmarkt heute wesentlich kleinteiliger als noch vor zehn Jahren. „Wir müssen vom nackten Buch bis zu reinen Online-Anwendungen alles anbieten“, weist Tobias auf die unterschiedlichen Bedürfnisse im Markt hin, der sich nicht nur international, sondern auch regional stark ausdiffe­renziert hat. „Universitäten wollen ihre E-Learning-Plattformen mit passendem Content ausstatten, während Schulen im Ausland vielfach noch auf CD-ROMs setzen oder interaktive Whiteboard-Materialien benötigen.“ Zudem würden in den nationalen Märkten zunehmend regionale Bearbeitungen eingefordert, die der Verlag entsprechend aufbereiten sowie mit passendem digitalem Content anreichern muss.

Nicole Stöcker stoecker@buchreport.de

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