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»Schauen Sie auf Ihre jetzigen Mitarbeiter!«

Helena Bommersheim.

Helena Bommersheim (Foto: Bommersheim)

Personalarbeit im Mittelstand ist mehr, als nur vakante Stellen zu besetzen. Ohne Strategie laufen auch kleine Verlage in riskante Situationen. Aber strategische Personalplanung hilft auch dem bestehenden Team. Helena Bommersheim erläutert im HR-Channel von buchreport.de die Werkzeuge der strategischen Personalplanung und deren Anwendung.

Kann man in Medienunternehmen überhaupt von strategischer Personalplanung sprechen? Geht es nicht viel mehr darum, diejenigen zu ersetzen, die sich verändern oder noch eher: Leute entlassen zu müssen, weil die Umsätze nicht stimmen?

Nein, ganz und gar nicht. Wenn Sie sich nur in der reaktiven Rolle sehen, haben Sie keine Handlungsfreiheit mehr. Die wenigsten Wechsel entstehen, weil ein Mitarbeiter kündigt.

Viel wichtiger sind die Stellenbesetzungen, mit denen die Strategie des Unternehmens umgesetzt wird. Denn Personalplanung richtet sich optimalerweise immer an den strategischen Zielen des Unternehmens aus.

Sie meinen, wenn man ein bestehendes Geschäftsfeld weiterentwickeln oder ein neues eröffnen will?

Ja, da wird es am einfachsten deutlich. Die Verlage bewegen sich heute in einem technologiegetriebenen Markt mit einer permanenten Steigerung der Innovationsgeschwindigkeit. Das hat Einfluss auf unsere Unternehmensentwicklung und damit auf die Personalplanung. Es ist daher wichtig zu wissen, inwiefern neues und vorhandenes Personal in der Lage sein wird, den künftigen Marktanforderungen gerecht zu werden. Wir beobachten dauernd steigende Anforderungen: An unser Kommunikationsverhalten, an die Fähigkeit, auf Kundenbedürfnisse einzugehen, an die Skills bei der Weiter- und Neuentwicklung von Produkten und bei der Anpassung von Prozessen.

Aber nicht jede Besetzung ist strategisch…

Natürlich müssen wir daneben auf kurzfristige Notwendigkeiten reagieren, wie Wechsel oder Elternzeiten. Aber auch hierbei kann die Personalplanung unterstützen. Wenn ich einen guten Überblick über die Kompetenzprofile meiner Mitarbeiter habe, kann ich leichter kurzfristige Vakanzen überbrücken und so Umsatzausfälle vermeiden. Denn auch darüber sind wir uns hoffentlich alle im Klaren: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der gewünschte Kandidat genau in dem Moment bewirbt oder umgehend auf unsere Anzeige reagiert, ist sehr gering…

… Stichwort Fachkräftemangel…

Das ist in jedem Unternehmen so. Jedes Unternehmen sollte wissen: Diese Situation kann auf mich zukommen. Es müssen also Fragen wie die folgenden beantwortet werden: Welche Geschäftsziele sollen kurz- und mittelfristig erreicht werden? Welche Kompetenzen werden an welcher Stelle dafür im Unternehmen benötigt?

Personalkonzepte für die Zukunft

Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr

Entsprechend gilt es Roadmaps zur Geschäftsfeldentwicklung, zum Arbeitsaufkommen und zur Teamauslastung zu erstellen – im Ist- und im Soll-Zustand. Gerade in marktdynamischen Zeiten sollte diese Planung geleistet werden…

… aber gerade in derartigen Phasen überfordert es doch die Personaler – außer vielleicht in Großverlagen – solche Gerüste zu erstellen und danach zu verfahren.

Sie müssen verstehen, dass das kein starres Korsett ist, sondern ein Fahrplan, der den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden muss. Geschäftsfeldentwicklung ebenso wie Wachstumsziele eines Unternehmens kann man nur umsetzen, wenn dafür die richtigen Kompetenzen vorhanden sind. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung werden wir auch weiterhin an der Qualifizierung der bestehenden Mitarbeiter arbeiten, ebenso wie wir außen nach Mitarbeitern mit Talenten suchen, die im Unternehmen noch nicht vorhanden sind.

Bietet denn der Markt überhaupt ausreichend „Ressourcen“, sprich: neue Mitarbeiter, die man anwerben kann?

Anwerben ist das eine, halten das andere. Wir alle wissen und erleben es täglich, dass wir einen Arbeitnehmermarkt haben. Das heißt, die leistungsfähigen, kreativen Menschen, die aktuell erfolgreich sind, haben durchaus verschiedene Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, und bekommen vielfältige Angebote. Die nachwachsenden jüngeren High Potentials sind oftmals weniger an einer langfristigen Entwicklungsperspektive interessiert, als daran, was sie aktuell in Ihrem Unternehmen bewegen und umsetzen können.

Eine unkomfortable Lage, an die sich noch nicht alle Führungskräfte und Personaler gewöhnt haben. Was sollten diese jetzt Ihrer Meinung nach tun?

Genau daraus leiten sich meine Handlungsempfehlungen ab: Schauen Sie auf Ihre jetzigen Mitarbeiter! Überprüfen Sie nicht nur deren Kompetenzprofile heute, sondern erarbeiten Sie mit ihnen gemeinsam Entwicklungspläne. Wir haben es in den allermeisten Fällen mit Menschen zu tun, die sich weiterentwickeln, die lernen und gestalten wollen. Nutzen Sie diesen Impuls! Diese sogenannte Laufbahnentwicklung ist in Verlagen noch nicht überall gelebte Praxis. Und sie verlangt der Führung auch aktives Zusammenarbeiten ab. Denn ich meine mit Laufbahnentwicklung nicht die schlichte Beförderung auf die höhere Führungsebene – von denen haben wir im Verlag in der Regel nicht so viele. Sondern ich meine die Kompetenzentwicklung, eine größere oder weiterreichende fachliche Verantwortung oder auch die Möglichkeit, an einem strategischen Projekt mitarbeiten zu können und dadurch für diese Projektphase die gewohnte Arbeit zu verlassen. Daraus entstehen Impulse, wie wir Menschen sie alle benötigen. Kreativität wächst selten im Einerlei des Alltags. Innovative Ideen entwickeln sich in der Regel durch Perspektivenwechsel, durch interdisziplinären Austausch und in Diskussionsrunden.

Aber die Leute werden doch in der Linie gebraucht und sollten in der Linie zufrieden sein. Plädieren Sie nicht für ein Wagnis mit ungewissem Ausgang?

Binden Sie Ihre Mitarbeiter in die Entwicklung der Strategien mit ein. So groß ist das Wagnis nicht. In der Regel haben Mitarbeiter einen guten Blick und auch Ideen für die Zukunft ihres Arbeitsbereiches. Dadurch lässt die Unternehmensentwicklung sich zusammendenken mit der Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter. Die Übernahme von Verantwortung bindet überdies Ihre Kollegen besser an das Haus, als jede Gratifikation es vermag. So vermeiden Sie, dass „das Gras in Nachbars Garten grüner“ wirkt.

Setzen Sie besonders aktiv auf die interne Entwicklung von Leistungsträgern. Welche Personen eignen sich von ihren Kompetenzen und ihrer persönlichen Laufbahnentwicklung dafür, neben ihren fachlichen auch ihre Führungskompetenzen auszubauen? Produktivität entsteht, wenn Sie nicht einfach fachlich kompetenten Personen die Leitung von Teams übertragen. Denn das wissen wir mittlerweile eigentlich alle: Fachkompetenz ist nicht gleich Führungskompetenz.

Aber Führungskompetenz ohne Fachkompetenz funktioniert im Mittelstand auch nur selten.

Meist ist beides erforderlich, wenn Führung glücken soll. Man verbrennt Mitarbeiter, wenn man sie mit Aufgaben überfordert, die ihren Kompetenzen nicht entsprechen – sogar wenn sie sie selber wollen. Denn diejenigen, die engagiert im Sinne des Unternehmens arbeiten, sind eher bereit, solche neuen Aufgaben zu übernehmen. Dieses positive Engagement gilt es mit angemessenen Weiterbildungen zu unterstützen, damit aus der Fachkraft eine erfolgreiche Führungskraft wird.

Was muss also getan werden?

Personalentwicklung und Personalplanung ist ein echtes To-do auf der Liste der Unternehmensführung. Sie müssen im Unternehmen einen HR-Spezialisten haben, der folgende Fragen klärt:

  • Wie ist die aktuelle Qualifikationsstruktur bei den Mitarbeitern?
  • Wer hat welches Kompetenzprofil, wer welches Entwicklungspotential? Das ist eine umfassende, fortlaufende Fragestellung, denn sie setzt regelmäßigen Austausch mit jedem Kollegen über seine Entwicklung voraus.
  • Wie ist die aktuelle Altersstruktur in Ihrer Belegschaft? Das zu erheben, ist einfacher. Diese Daten liegen Ihnen ja vor. Doch gerade in Buchverlagen wird darauf oft nicht gut genug geachtet, sofern man viele Jahre lang gut und gerne zusammenarbeitet. Die Fluktuation gerade im Mittelbau ist gering. Im Durchschnitt – haben verschiedene Befragungen ergeben – denkt die Hälfte der Arbeitnehmer immer mal wieder über einen beruflichen Wechsel nach. Tatsächlich kündigen dann aber nur zwischen 4 und 8%. Bei einer Aufstellung der Alterspyramide im Unternehmen ist die Geschäftsleitung oft dann doch überrascht.

In solchen Fällen gilt es dringend einen Personalplan aufzustellen, um nicht in wenigen Jahren von einer „Ruhestandswelle“ überrascht zu werden und auf einen Schlag Kompetenzen und tradiertes Wissen zu verlieren, das wir bei aller Digitalisierung immer noch brauchen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ermittlung der Arbeitszufriedenheit und Motivation der Belegschaft, die meist eng zusammenhängt mit der persönlichen Kompetenzentwicklung.

Wenn wir hier eine hohe Zufriedenheit haben, wird diese meist auch außerhalb des Unternehmens sicht- und hörbar und trägt zum guten Image des Unternehmens bei.

Diesen positiven Kreislauf gilt es zu stärken, um attraktiv für genau die High Potentials zu sein, die man für die Weiterentwicklung der Geschäftsfelder benötigt.

 

Helena Bommersheim ist Inhaberin der 2003 von ihr gegründeten von Münchner Personal- und Unternehmensberatungsgesellschaft Bommersheim Consulting. Bommersheim Consulting ist auf die Medienbranche spezialisiert. Zuvor war Bommersheim Geschäftsführerin in der DuMont-Schauburg-Gruppe und Vertriebs- und Marketingleiterin der Verlagsgruppe Droemer Knaur.

 

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