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»Noch immer sind viele prominente Positionen für Männer reserviert«

Nora-Vanessa Wohlert und Susann Hoffmann, Edition F. Foto: Jennifer Fey.

Nora-Vanessa Wohlert (rechts) und Susann Hoffmann schufen mit dem Business-Netzwerk Edition F ein neues „digitales Zuhause“ für Frauen mit Onlinemagazin, Jobbörse, Webinaren und Events. Foto: Jennifer Fey.

Kaum eine Frage wird theoretisch so intensiv diskutiert und praktisch so sehr ignoriert wie der Geschlechteranteil in Führungspositionen. Was kann jede Frau dagegen tun?

Selbst in Branchen mit hohem Frauenanteil sind die Top-Positionen nach wie vor mehrheitlich von Männern besetzt. Die erfahrenen Medienfrauen Nora-Vanessa Wohlert und Susann Hoffmann halten mit ihrem eigenen publizistischen Netzwerk Edition F dagegen und berichten im HR-Channel von buchreport.de über Ihr Unternehmen.

Sie haben den beruflichen Neustart gewagt und gemeinsam gegründet. Die Start-up-Szene ist jung, aber Female Founders sind immer noch die Ausnahme. Gerade einmal 20% der Gründer*innen sind weiblich. Warum wagen so wenige Frauen diesen Schritt?

Wohlert: Die Gründe sind vielschichtig. Frauen denken mehr an Sicherheit, studieren seltener technische Studiengänge und haben schlechtere Zugänge zu Investments. Es gibt jedoch immer mehr sehr erfolgreiche Gründerinnen, die zudem zeigen, dass sich Familie und Gründen keineswegs ausschließen. Mit Verena Pausder von „Fox & Sheep“, Lea-Sophie Cramer von „Amorelie“ oder Lisa Jaspers von „Folkdays“ fallen mir sofort drei ganz unterschiedliche Unternehmerinnen ein, die alle sehr erfolgreich sind.

Bei den populären Start-ups sind Frauen ebenso stark unterrepräsentiert. Zwei Beispiele: Bei der Start-up-Schmiede Rocket Internet bilden eine Frau und vier Männer das Central Management. Und Zalando hatte sich die Zielgröße „Null“ für Frauen im Vorstand gegeben mit der Begründung, dass man bei schlanker 3-Köpfe Struktur bleiben wolle. Im April 2019 wurden nun doch zwei Neue ins Team geholt, die da David und Jim heißen. Wie sehr nervt das?

Wohlert: Wundert das bei Rocket Internet wirklich? Eher nein. Dieses Unternehmen zieht einen sehr speziellen Typ an: Business School oder Beratungstyp, zu ängstlich, um ganz allein zu gründen. Zu größenwahnsinnig für die Karriere in der Unternehmensberatung. Und es geht ziemlich stark ums Netzwerk, denn hier wird empfohlen, wer früher im Finance-Kurs neben einem saß. Wirklich stören tut es mich nicht, ich denke vielmehr, dass die wirklich guten Ideen außerhalb von Start-up-Schmieden entstehen. Bei Zalando sehe ich die Sache anders: Es ist absolut schwach, dass für ein Produkt, das mindestens 50% weibliche Kundinnen hat, der Bedarf nach Frauen in Top-Positionen nicht erkannt wird! Das wird Zalando auf die Füße fallen, denn diverse Teams sind einfach besser.

Was haben „Female Leaders“ ihren männlichen Pendants voraus?

Hoffmann: Talente nur nach Geschlecht einzuteilen und daraus Unterschiede abzuleiten, greift etwas zu kurz. Grundsätzlich müssen Männer wie Frauen in die Rolle einer Leaderin/ eines Leaders reinwachsen. Frauen haben vielleicht einen leichten Umgang mit Grenzen oder Schwächen – sie sprechen offener darüber und holen sich Hilfe. Am Ende kommt es aber für Männer und Frauen auf eine Kernkompetenz an: die Akzeptanz der Abwesenheit von Perfektion. Das lässt eine Person offener auf die Vorschläge des Teams eingehen und es hilft, sich selbst nur als einen Teil der Lösung und des möglichen Erfolgs zu verstehen.

Während junge, enthusiastische Männer positiv bewertet werden, werden Frauen mit denselben Eigenschaften eher als unerfahren eingeschätzt. Können Sie das mit eigenen Beispielen aus eurer Gründungszeit belegen?

Hoffmann: Wir haben uns ganz gut verkauft. Aber ich glaube, wir müssen uns bewusst machen, dass wir zu oft in die ‚Unconscious Bias‘-Falle tappen. Es fällt uns leichter, an jemanden oder etwas zu glauben, in dem wir uns selbst wiederfinden – und da die Investorenlandschaft leider noch sehr männlich dominiert ist, greift das auch hier. Je stärker die Diversität auch bei Kapitalgebern ist, desto diverser werden auch die Gründungsteams.

Mit durchschnittlich 24% lag die Präsenz von Frauen in Medien im Jahr 2015 weit unter den 50%, die ihnen als Hälfte der Bevölkerung zukommen müsste – so die Erhebung des Global Media Monitoring Projects, die alle fünf Jahre durchgeführt wird. Edition F gibt es, weil das Medienangebot für Frauen zu Gründungszeiten insgesamt ziemlich stereotyp war. Ist es denn jetzt weniger „pink“, also gibt es denn mittlerweile mehr Angebote für Female Empowerment im Bereich Karriere, Politik und Gesellschaft?

Wohlert: Wir haben vor fünf Jahren mitgeholfen, wichtige Themen mit in den Mainstream der Medien zu tragen. Zum Status Quo im Jahr 2019: Noch immer sind viele Medien stereotyp, Expertinnen und Talkgäste selten weiblich, die Cover oft für Männer reserviert. Aber es bewegt sich langsam etwas!

Hoffmann: Es ist viel passiert. Zum Glück! Aber Nora hat Recht: Es gibt noch viel zu viele Lücken. Und hier muss man als Unternehmen agil genug bleiben, um dann auch wieder auf neue Themen und Stärken zu setzen.

Welche Stereotype sind am hartnäckigsten, was Frauen in der Medienbranche betrifft?

Hoffmann: Fern jeder Branche greifen immer noch folgende Stereotype: Karrierefrau und Rabenmutter oder unambitionierte Teilzeitmutter. Zum Glück schreibt das Leben ja sehr viele andere Geschichten. Wie jene von Teilzeit-Chefinnen, wie man sie auch durch Tandemploy möglich macht. Oder die Stories von „Karrierefrauen“, die ihre Kinder lieben und „trotz Verantwortung“ täglich zur Kita gehen. Es es gibt viele Frauen, die neben der Karriere auch sozial oder politisch aktiv sind. Wir müssen einfach aufhören, das eigene Lebensmodell als das Nonplusultra zu betrachten und Diversität auch im Bereich der Lebensweise gelten lassen! Das heißt auch, dass die Themen Wiedereinstieg oder Quereinstieg viel selbstverständlicher werden müssen.

Ob Medien, IT oder Forschung: Branchenübergreifend bemängeln Interviewpartnerinnen, dass es zu wenig weibliche Vorbilder gibt. In der Edition F-Community gibt es unglaublich viele tolle, inspirierende Menschen. Einmal jährlich kürt die EditionF aus einem Pool von 25 Frauen eine besondere Persönlichkeit. Warum ist diese Sichtbarkeit so wichtig?

Wohlert: Wenn wir über potenzielle Gäste auf Events oder Expertinnen nachdenken, fallen uns mehrheitlich Frauen ein. Üblicherweise sind es aber bei den meisten Männer. Das muss sich noch geraderücken! Und deshalb wollen wir Frauen eine Bühne geben, allen zeigen, dass sie dort hingehören und ihre Geschichten erzählen. Der „25 Frauen Award“ stellt jedes Jahr 25 Frauen in den Mittelpunkt, nominiert wurden dieses Jahr allerdings über eintausend Frauen! 1.000 Namen, die Sichtbarkeit verdienen.

Wie gelingt es auch introvertierten Frauen sich mehr vernetzen?

Wohlert: Hilfreich ist, vorab schon einmal zu schauen, wer auch auf einer Konferenz sein wird, um sich dann online mit der Person zu verabreden. Dann fällt es vor Ort etwas leichter. Am Ende freuen sich aber auch die meisten, wenn sie eher spontan angesprochen werden. Wir wollen zudem ganz bewusst Netzwerk-Optionen schaffen: So wird es beim Female Future Force Day 2019 die Möglichkeit geben, in vielen interaktiven „Master Classes“ ganz natürlich in den Austausch zu gehen.

Personalkonzepte für die Zukunft

Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr

Welche Strategien können gerade jungen Frauen dabei helfen, in ihren Organisationen eine wichtigere Rolle zu spielen?

Hoffmann: Internes Netzwerken wird oft unterschätzt. Es hilft aber enorm!

Wohlert: Deutlich machen, dass man Dinge weiß und genau artikulieren, was man will.

Edition F als Arbeitgeber: Wie finden Sie jene Mitarbeiter*innen, die dann auch wirklich passen?

Wohlert: Im Vorstellungsgespräch sprechen nicht nur Susann oder ich mit den potenziell neuen Kolleginnen und Kollegen, sondern das gesamte Team. Außerdem stellen wir bewusst nicht nur fachliche Fragen, sondern auch Fragen aus dem Bereich der Unternehmenskultur und danach, was der Bewerberin oder dem Bewerber wichtig ist. Im Grunde müssen zwei Dinge stimmen: der fachliche sowie der unternehmenskulturelle Fit.

Die Edition F GmbH kommt auf kununu.com auf eine Gesamtbewertung von 4,27 von 5 möglichen Punkten. Das ist ordentlich über dem Branchendurchschnitt, der für „Medien“ bei 3,67 liegt oder auch bei „EDV/IT“ bei 3,77. Wo gibt es noch Luft nach oben?

Wohlert: Als junge Firma müssen wir unsere Unternehmenskultur ständig weiterentwickeln. Das ist eine tolle Chance für alle im Team. Es heißt aber auch, dass alles noch nicht so fertig ist wie im Corporate. Auch Susann und ich sowie alle anderen im Team müssen hinsichtlich Führungsverhalten noch viel lernen. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem wir uns sehr individuell auf jede und jeden im Team einstellen wollen. Unser Ideal wäre, dass wir eines Tages eher Mentorin als Chefin sind.

Hoffmann: Mein größtes Ziel ist es, mehr Balance zwischen Abgeben und Führen zu erreichen. Ich glaube, diese zwei Aspekte sind total wichtig, um Edition F weiterzuentwickeln. Viele strategische Gedanken entstehen zwischen Nora und mir – daran anknüpfend schnell intern zu diskutieren und andere mitzunehmen, ist essentiell. Das Loslassen der eigenen Vorstellung sowie diese um die Perspektiven des Teams zu erweitern, das sind für mich persönlich noch Herausforderungen.

Wer weiß, wie viel seine Kolleg*innen verdienen, kann sein Gehalt besser verhandeln – und doch ist strittig, ob transparente Gehälter zu mehr Gleichberechtigung führen. Wie ist es bei der Edition F?

Wohlert: Wir sind überzeugt, dass Gehaltstransparenz ein Muss ist. Daher befinden wir uns aktuell auf dem Weg, das Thema bei Edition F umzusetzen. Allerdings ist das ein Prozess, bei dem wir das ganze Team mitnehmen und der einige Monate dauert.

Susann Hoffmann hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass zum Unternehmertum nicht nur die Hochs gehören, sondern auch Niederlagen. Welche Tipps haben Sie, wenn es eben mal nicht so läuft – auch abseits der Arbeit?

Hoffmann: Wenn das Schiff ins Wanken gerät, braucht es ein paar starke Anker. Die können in der Familie, bei Freunden, der Partnerin oder dem Partner liegen oder auch im Team. Jene Aussage kam ja im Zuge des Auslaufens der „Future Force Academy“ und der damit verbundenen Personalkürzung. Das war super anstrengend, emotional und hat sich alles andere als gut angefühlt. Ich brauchte ganz besonders den Austausch zu Hause, um das zu verarbeiten. Aber auch im Team. Denn jede Niederlage bedeutet ja auch, dass man wieder aufstehen muss, wenn man nicht k.o. gehen will. Da hilft nur Zusammenhalt, Zuversicht, Leidenschaft und Glaube an die Sache!

Mit freundlicher Genehmigung von kununu, der nach eigenen Angaben größten Arbeitgeber-Bewertungsplattform in Europa.

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