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Gratis-Kultur wäre fatal

Die Buchbranche erlebe zurzeit „tektonische Verschiebungen“, analysiert Weltbild-Geschäftsfüher Klaus Driever (Foto) den Flächenrückbau im Buchhandel. Damit das Buch nicht verschwindet, sollten sich Buchhändler auf ihr Kerngeschäft konzentrieren – während die Verlage gut daran täten, sich bei der Preissetzung von E-Books nicht dem Druck internationaler Konzerne zu beugen.
©Weltbild
Ihr Geschäftsführungskollege Carel Halff geht davon aus, dass der Buchhandel in den kommenden Jahren 50% der Fläche verlieren wird. Wie viel kann das Onlinegeschäft auffangen?
Wir erleben tatsächlich tektonische Verschiebungen, mit Auswirkungen, wie wir sie selten in der Buchbranche erfahren haben. Daraus ergeben sich für alle Akteure Aufgaben. Die des stationären Handels lautet: dem Buch weiterhin einen attraktiven Standort an spannenden Orten zu verschaffen, denn das Buch darf nicht aus den Innenstädten verschwinden. Es benötigt nicht nur eine Präsenz im Internet und im Mobile-Bereich, sondern in den Zentren der Städte. Wenn wir zur Musikbranche schauen, dann besteht deren größtes Problem darin, dass sie aus den Innenstädten verschwunden ist.
Um in den Städten zu bleiben, experimentieren besonders die Filialisten viel im Non-Book-Bereich. Wo sehen Sie die attraktivsten Sortimente der Zukunft?
Die Zukunft des Buches ist das Buch, nicht der Wackeldackel, das Reisebüro oder der Computer. Wir haben bei Weltbild viel Erfahrungen mit Non-Book-Sortimenten gesammelt, aber immer als Ergänzung des Kernsortiments Buch und immer in einer Dosis, die vertretbar ist. Das zeigt eine Zahl sehr deutlich: 95% unserer Online-Kunden kaufen Bücher.
Welche Erfahrungen machen Sie mit Spielwaren?

Zum Kinderbuch sind Spielwaren eine ideale Ergänzung. Wir legen aber den Fokus auf pädagogisch wertvolle Spielsachen, nicht auf Games und Konsolen.   

Bei den E-Books setzen Sie dagegen verstärkt auf Elektronik. Wie lautet die Zwischen-Bilanz zu Ihrem E-Reader-Geschäft 2012?
Wir haben einen sehr guten Reader für unter 60 Euro auf den Markt gebracht. In den vergangenen Tagen lag dessen Absatz sieben bis acht Mal höher als im Sommer.
60 Euro erscheinen gegenüber dem 10-Euro-Gerät von Txtr fast schon hochpreisig…
Ich glaube nicht, dass es zu einem Preiskampf bei den Readern kommen wird, weil die Kunden ein gutes Gespür für Preis-Leistung haben. Entscheidend sind aus Kunden-Sicht ohnehin die Inhalte, nicht die Hardware. Wir haben den Katalog gegenüber dem Vorjahr deutlich aufgestockt und verfügen bei Weltbild und Hugendubel über mehr als 290.000 E-Books.
Es ist erstaunlich, dass immer mehr Akteure sich auf das Amazon-Geschäftsmodell einlassen und mit Inhalten statt den Geräten verdienen wollen…
Zu uns passt dieser Ansatz, weil wir leidenschaftliche Buchhändler und keine Hardware-Händler sind – gleichwohl wollen wir mit den Geräten keine Verluste machen.
In Großbritannien machen die großen Shops gerade Verluste mit E-Books. Wie stehen Sie zu den 20-Pence-Dumping-Preisen?
Die stimmen uns besorgt. Auffällig ist, dass dieses Wettrennen nicht von Buchhändlern, sondern von internationalen E-Commerce-Konzernen gestartet wurde, die eine andere Agenda haben. Wichtig ist, dass wir hierzulande deutlich machen, dass wir keine Gratis-Kultur pflegen. Die in Deutschland aktiven Verlage haben viel Erfahrungen mit Pricing bei gedruckten Büchern, und davon profitieren sie auch im E-Book-Bereich. Es wäre fatal, wenn der Schwung in Richtung digitale Medien bei den Kunden den Eindruck hinterließe, dass alles billiger werden müsse.
Zwingen die internationalen Konzerne den deutschen Verlagen niedrige Preise auf, beispielsweise weil die Bestsellerlisten für E-Books von Selfpublishing-Titeln zu Niedrigstpreisen dominiert werden? 
Die Verlage sollten selbstbewusst auftreten und dafür eintreten, dass auch E-Books einen bestimmten Wert behalten. Keiner sollte sich unter Druck setzen lassen, Harakiri zu machen. 
Bei den Verlagen umstritten ist auch die E-Book-Ausleihe. Ist die Kritik berechtigt?
Die Branche sollte Schritt für Schritt gehen. Das E-Book-Format gibt dem Buch noch mehr Aufmerksamkeit, gerade im Rahmen von Multichannel-Konzepten. Wir sollten aber die Leser nicht überfordern oder einen noch gar nicht vorhandenen Markt mit komplizierten Modellen in einzelne Teile zerlegen. Ich persönlich glaube, dass es aktuell keine Nachfrage nach einer Ausleihe gibt. Das kann sich allerdings in drei bis fünf Jahren ändern.
Die Fragen stellte Daniel Lenz

Kommentare

7 Kommentare zu "Gratis-Kultur wäre fatal"

  1. Selbst einen Verlag in die Schieflage führen und dann noch falsche Ratschläge geben wollen!! Das E-Book hat derzeit einen mariginalen Marktanteil.

    Daher wäre es aus Sicht des Profites unwichtig, ob E-Books sehr billig oder sinnlos teuer verkauft werden.
    Um sich aber neue Leserkreise zu erschließen, darf ein E-Book nicht mehr als 5 € kosten. Nur so wird man langfristig die schlechte Lage der Verlage in bessere Gewässer führen.
    Mit Jammern über Amazon wird es nicht besser.

    Als Geschenk, aber auch als Bildbande udgl. wird das Papierbuch immer einzigartig sein und von daher stets nachgefragt werden. Das E-Book ist also niemals eine Bedrohung für den etablierten Markt.
    Daher wird des E-Book eine gut geführte, innovative örtliche Buchhandlung – wie Greuter in Singen – niemals gefährden. Im Gegenteil!

  2. So viel Unwissen und geballte Fehleinschätzung in der Führungsspitze von weltbild. Na gute Nacht. Dazu werden die angebrachten Nachfragen „vergessen“ (??) oder wie soll ich mir erklären, dass das hier unkommentiert bleibt: „Wenn wir zur Musikbranche schauen, dann besteht deren größtes Problem darin, dass sie aus den Innenstädten verschwunden ist.“ Oder das hier: „wir sollten aber den Leser nicht überfordern oder einen noch gar nicht vorhandenen Markt mit komplizierten Modellen in einzelne Teile zerlegen.“ Zum einen kann ich da nur schönes weiterträumen wünschen, zum anderen wünsche ich mir vom Buchreport ein Bisschen mehr Qualität – die Hälfte der Miete zahlt in diesem Falle der Fragende. Oder eben nicht.

  3. Auch für mich erscheint es, das Herr Driever die Zeichen der Zeit nicht richtig erkennt und konservative Ansichten vertritt.
    Bei der E-Book-Ausleihe liegt er besonders daneben.
    Meine Beobachtungen ergaben, das gerade eReader-Nutzer verstärkt auf Ausleihe setzen.
    Die Reaktionen im Netz auf die Ankündigung von Amazon, die Leihmöglichkeit in Deutschland einzuführen sprechen doch für sich.
    Ob Skoobe das richtige Modell hat glaube ich persönlich nicht. Es steht und fällt mit den eBook-Preisen und den Angeboten anderer Anbieter.
    Gerade das Angebot der Onleihe wird ständig erweitert und wird immer mehr genutzt.

  4. Der größte Denkfehler, den Dr. Driever macht, liegt im Thema Ausleihe. Wozu soll ich als Kunde denn ein E-Book kaufen, das ich nicht wie ein Printbuch in mein Regal stellen kann? Ausleihen reicht mir völlig. Dazu noch eine Flatrate von sagen wir 2 bis 5 Euro (ein Bibliotheksjahresbeitrag auf den Monat umgerechnet) und ich bin als Kunde glücklich.

  5. Ein paar Aussagen sind so nicht richtig bzw. die Fragen dazu scheinen tendenziös:

    Es sind nicht (nur) die „internationalen Konzerne“ (sprich Amazon) die 99 Cent Bücher anbieten. Die Preise werden von den Self Publishing Autoren selbst bestimmt – d.h. vom Urheber, vom Schöpfer des Werkes! Amazon und Co. stellen nur die Plattform dazu zur Verfügung – das ist ein „kleiner Unterschied“.

    Ob es fatal ist anzunehmen, dass Ebooks billiger sein müssen sei dahingestellt – das ist die Meinung von Herrn Driever. Ohne jeden Zweifel ist es jedoch Fakt, dass die Herstellung und der Vertrieb von Ebooks billiger ist. Papierkosten, Druckerei, Transport zum Laden, Rückläufer Handling und Verramschung der Restposten, sowie Opportunitätsverluste nicht mehr lieferbarer Werke kosten Geld. Geld, dass bei Ebooks nicht anfällt. Betracht man (im Rahmen des „Multi-Channel“ Ansatzes die Ebooks als Ergänzung zum gedruckten Buch (das ja schon einmal geschrieben und lektoriert wurde), so sind auch diese Kosten minimal. Ja, die Kosten für Ebooks SIND günstiger und der Kunde möchte von diesen Einsparungen etwas ab haben – oder er fühlt sich beschi**n und geht zum Piraten.

    Die letzte Aussage des Interviews, die ich sehr stark anzweifeln würde, betrifft das Ausleihen von Ebooks. Das Ausleihen überfordert den Leser doch nicht! Schon Schüler kennen das Konzept der sog. Bibliothek, die es auch nicht erst seit gestern gibt. Viele Verlage (die grössten der Welt) machen gute Geschäfte damit, mit Uni-Bibliotheken Verträge zu haben, wo Studenten dann Bücher leihen oder permanent downloaden können. Springer, Elsevier oder Wiley machen damit seit Jahren Milliardenumsätze. Daraus den Schluss zu ziehen, dass Leser kein Interesse an Bibliotheken haben, ist sehr höflich gesagt, seltsam.

    Herr Driever vertritt aus meiner Sicht gedanklich die Welt von Gestern. Ob Weltbild damit gut für das 21. Jahrhundert aufgestellt ist – man wird sehen. Die Katholische Kirche ist ja nun mal konservativ – aber auch im Geschäft?

  6. Charlotte Reimann | 16. Oktober 2012 um 13:27 | Antworten

    Mal ehrlich, wer hat nur die Bücher gelesen, die er tatsächlich besitzt? Schlimm wäre das! Sehr faszinierend, aber auch beunruhigend, was sich gerade tut bei Skoobe und Amazon …

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