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»Bookselling Without Borders« will mehr Übersetzungen in den US-Buchhandel bringen

„Bookselling Without Borders“ schlägt Brücken über den Atlantik. Das Programm wirbt für mehr Übersetzungen im US-Buchhandel. Neben Verlagen gehört auch die Frankfurter Buchmesse zu den Partnern.

Liebt Übersetzungen: Michael Reynolds ist Editor-in-Chief von Europa Editions, einem unabhängigen New Yorker Verlag mit einem Faible für Übersetzungen. Der Verlag wurde 2005 von Sabdro Ferri und Sandra Ozzola Ferri gegründet, denen in Italien auch der Verlag Edizioni E/O gehört. Bei Europa erscheint u.a. Elena Ferrante, Marc Levy und Muriel Barbery. Die deutsche Flagge halten u.a. Wolf Erlbruch, Christa Wolf und Katharina Hacker hoch. (Foto: Europa medium)

Dass die meisten US-Verlage lieber Lizenzen verkaufen als selbst einzukaufen und deshalb übersetzte Bücher in den Regalen des US-Buchhandels sehr wenig Platz einnehmen, war Michael Reynolds schon lange ein Dorn im Auge. An der Kaufzurückhaltung seiner Kollegen, das war dem Verleger von Europa Editions (New York) klar, kann er wenig ändern, aber an der Einstellung des Buchhandels gegenüber internationaler Literatur möglicherweise schon. Und so wurde „Bookselling Without Borders“ (BWB) geboren.

Im Oktober 2016 nahm Reynolds’ Idee, unabhängige US-Buchhändler international zu vernetzen und ihnen den Blick über den Tellerrand zu ermöglichen, Gestalt an. Auf eigene Kosten schickten Reynolds und Europa Editions, dessen Programm stark von übersetzten Titeln geprägt ist, die Buchhändlerin Ariana Paliobagis (Country Bookshelf, Bozeman/Montana) zur Frankfurter Buchmesse.

 

Kickstarter schafft Resonanz

Zwei Jahre, viel Klinkenputzen und eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter später ist „Bookselling Without Borders“ zu einem Programm angewachsen, das in den USA auf immer mehr Resonanz stößt. Unter der Federführung von Europa Editions sind mittlerweile ein Dutzend unabhängiger Verlage von Grove Atlantic und Melville House bis zu den Universitätsverlagen von Princeton und Chicago Partner im Boot, die eines eint: ihr Interesse an übersetzter Literatur.

Unterstützt wird das Programm mittlerweile außerdem von der Ingram Content Group, dem führenden Großhändler der USA, sowie dem populären Online-Buchhandels-Newsletter „Shelf Awareness“. Auch die Frankfurter Buchmesse ist dabei:

  • In diesem Jahr hat BWB im Mai 4 US-­Indies zum Turiner Buchsalon geschickt.
  • Ebenfalls ein Quartett besucht jetzt die Frankfurter Buchmesse.
  • Vier weitere Buchhändler sind vom 24. November bis 2. Dezember bei der Guadalajara Book Fair in Mexiko.

Elliott batTzedek (Big Blue Marble Bookstore, Philadelphia), Lyn Roberts (Square Books, Oxford/Mississippi), Adam Sonderberg (Seminary Co-op, Chicago) und Dylan Brown (Skylight Books, Los Angeles) dürfen ihre Koffer für Frankfurt packen. Die Kosten für drei Frankfurt-­Stipendiaten trägt BWB, der Trip von Dylan Brown wird von der Buchmesse mit Unterstützung des Auswärtigen Amts finanziert (s. Interview auf S. 49). Brown ist neuer Preisträger des Frankfurter Buchmesse U.S. Bookseller Prize, der erstmals 2017 vergeben wurde (an Susanne König, Geschäftsführerin der beiden New Yorker Indie-Buchhandlungen Powerhouse).

Messedirektor Juergen Boos war von Anfang an überzeugter Befürworter von Michael Reynolds’ Initiative: „Unsere Branche lebt vom Networking und von neuen Kontakten und für diesen internationalen Austausch steht die Frankfurter Buchmesse. Bookselling Without Borders ist ein Austauschprogramm nach unserem Geschmack.“ Zusammen mit Riky Stock vom Auslandsbüro der Buchmesse in New York hat das Frankfurter Messeteam für die Gäste aus den USA ein eng getaktetes Programm zusammengestellt. Michael Reynolds: „Zurück in den USA multiplizieren sich diese Kontakte im Buchhandel durch Mundpropaganda.“ Bester Beweis sind die 465 Bewerbungen aus 261 Buchhandlungen in 44 Bundesstaaten, die in diesem Jahr für den Ausflug nach Frankfurt eingegangen sind. 2019 dürfte das Interesse noch einmal kräftig in die Höhe gehen, denn die American Booksellers Association (ABA) hat sich aktiv eingeklinkt. Der Buchhändlerverband widmet Bookselling Without Borders bei seinem Winter Institute Ende Januar in Albuquerque/New Mexico am Eröffnungstag einen eigenen Tagesordnungspunkt.

 

Mehr Etat für große Pläne

2019 soll das Budget von knapp 50.000 Dollar auf mindestens 70.000 Dollar aufgestockt werden, denn Reynolds und sein Team haben große Pläne:

  • Das Messeportfolio wird durch die Aufnahme von Istanbul und Seoul erweitert.
  • Entsprechend werden mehr Buchhändler auf Reisen geschickt.
  • In Rom und Kalkutta soll für je einen Indie ein längerer Aufenthalt in einer ört­lichen Buchhandlung angeboten werden.
  • Die BWB-Plattform, die derzeit nur für den internen Erfahrungsaustausch ausgelegt ist, wird im Laufe des Jahres für alle Besucher der Homepage freigegeben.

Eine zweite Crowdfunding-Aktion bei Kickstarter, die am 24. September gestartet wurde, soll all das möglich machen. Reynolds ist zuversichtlich, das Ergebnis von 2017 mindestens wiederholen zu können:

  • Seinerzeit hatten 270 Unterstützer in 45 Tagen mehr als 31.000 Dollar aufgebracht.
  • Die Spendenbeiträge lagen gestaffelt zwischen 5 und 5000 Dollar.
  • Belohnt wurden die Spender je nach Investition mit Einzeltiteln der Partnerverlage, Buchpaketen, Treffen mit Lektoren, Beratung für Buchclubs etc.
  • Die Maximalspende von 5000 Dollar für den Besuch einer Buchmesse (ohne Hotel- und Transportkosten) wurde einmal aufgebracht.
  • Populär waren auch ein Blind-Date-Printbuch für 35 Dollar und die E-Book-Ausgabe für 17 Dollar.

Anja Sieg  sieg@buchreport.de

www.booksellingwithoutborders.com

»Eine Pilgerfahrt nach Frankfurt«

(Foto: privat)

Dylan Brown ist Buchhändler bei Skylight Books, einem Indie mit großer Reputation in Los Angeles. In seiner Freizeit schreibt er Kurz­geschichten. Er hat sowohl die deutsche als auch die US-Staatsbürgerschaft.Was reizt Sie als US-Buchhändler an der Frankfurter Buchmesse?

Ich finde, jeder Buchhändler sollte irgendwann in seinem eigenen Interesse die größte Buchmesse der Welt besuchen, eine Pilgerfahrt sozusagen. Ich schreibe ja auch selbst und für mich ist das die perfekte Gelegenheit, um mit deutschen Verlegern und anderen Autoren zu kommunizieren.

Übersetzungen stehen bei US-Lesern normalerweise nicht hoch im Kurs. Ist das Land zu groß und vielfältig oder wie erklärt sich die starke Zentriertheit auf die eigene Kultur?

Amerika hat eine sehr multikulturelle Gesellschaft, aber die meisten weißen Amerikaner sprechen nur Englisch, eventuell noch ein bisschen Spanisch. Wenn man von Kindesbeinen vorgebetet bekommt, im besten Land der Welt zu leben – und das ist hier so –, bleibt die Neugier auf andere Kulturen irgendwann leider auf der Strecke. Aus meiner Erfahrung heraus weiß ich, dass US-Amerikaner, wenn sie schon zu Übersetzungen greifen, Autoren aus Mittel- und Südamerika bevorzugen. Was ich dahingehend interpretiere, dass mög­licherweise die geografische Nähe die Lesegewohnheiten beeinflusst. Ansonsten fällt mir kein logischer Grund ein, warum Amerikaner so wenig Übersetzungen lesen. Das ist schon etwas unglücklich.

Und Sie selbst?

Ich habe den Vorteil einer doppelten Staatsbürgerschaft und weiß deshalb aus erster Hand, wie viel Spaß es macht, Zugang zu Literatur in zwei Sprachen zu haben.

Gibt es bei Skylight Books Nachfrage nach übersetzten Büchern deutschsprachiger Herkunft?

Das Interesse ist zweifellos vorhanden, denn in Los Angeles gibt es eine ziemlich große deutschsprachige Commu­nity, nicht zu vergessen die vielen Touristen. In der Buchhandlung haben wir neben Französisch und Spanisch auch ein Angebot von Büchern deutschen Ursprungs. Der Plan ist, noch mehr deutsche Literatur in die Regale zu stellen, sowohl im Original als auch übersetzt. Das ist ein weiterer Grund für den Besuch der Frankfurter Buchmesse.

Viele deutsche Buchhändler klagen über sinkende Kundenfrequenz. Wie stellt sich die Situation in den USA dar?

Skylight Books hat keine Probleme. Der in den letzten Jahren stetig gestiegene Umsatz spricht für sich. Und in Los Angeles mit seiner guten Wirtschaftslage ist das auch kein Thema. Aber ich muss kein Ökonom sein, um zu wissen, dass viele Menschen weniger verfügbares Einkommen als vor 10 oder 20 Jahren haben. Dass die Benutzerzahlen in den Bibliotheken überall in den USA deutlich steigen, ist sicherlich kein Zufall. Hinzu führt das immer größere Unterhaltungsangebot dazu, dass viele Menschen weniger Zeit für Bücher haben.

Die Fragen stellte Anja Sieg

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