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Gib dem Kind einen neuen Namen

In Deutschland werden Comics immer noch als Teufelszeug oder Kinderkram verdammt, moniert Michael Grimm (Foto) vom Frankfurter Comic-Laden X-tra-BooX. Um das Comic vom schlechten Image zu befreien, experimentieren viele Belletristik-Verlage mit der Graphic Novel. Der Buchhändler ist skeptisch, ob dies die Comic-Rezeption nachhaltig verändert.

Welchen Stellenwert haben Comics in Deutschland?

In jedem Land der Welt wurden Comics irgendwann einmal als Teufelszeug verdammt. Woanders ist das nicht mehr der Fall, aber in Deutschland hält sich das Vorurteil weiterhin. Diese Einstellung ist immer noch nicht aus den Köpfen raus und Comics gelten als Kinderkram.

Woran merken Sie das?

Wenn Ehefrauen mit ihren Männern in den Laden kommen, höre ich öfter Sätze wie „Ich lasse ihm ja sein Hobby“ oder „Er ist halt ein Kind geblieben“. Sie nehmen das nicht ernst. „Micky Maus“ ist für Kinder am Anfang auch noch in Ordnung, um Lesen zu lernen beispielsweise. Oder „Tim und Struppi“ wird von den Eltern für ihre Kinder gekauft, weil sie das früher auch gelesen haben. Aber ab einem gewissen Alter sollen Comics nach Meinung der Gesellschaft nicht mehr gelesen werden.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Frankreich und Belgien sind die klassischen Länder, in denen Comics zum Kulturgut gehören. Aber auch Mangas in Japan sind ein gutes Beispiel für eine größere Vielfalt. Dort gibt es eigene Subgenres wie Sportmangas über Tennis oder andere Sportarten. Die kann man – überspitzt formuliert – nur lesen, wenn man Sport studiert hat oder – bei einem Witz über die 37. Eröffnung – ein passionierter Schachspieler ist.

Können Graphic Novels den gezeichneten Geschichten ein neues Image geben?

Graphic Novel ist nur ein anderer Begriff für Comic. Wenn man etwas Graphic Novel nennt, dann fällt es nicht so auf, dass es eigentlich der Comic mit dem Schund-image ist. Viele Verlage wollen jetzt Graphic Novels bringen mit der Einstellung: Jetzt machen wir es und erst dadurch wird es literarisch wertvoll. Das klappt aber nicht immer und wird schwierig, wenn man sich vorher noch nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt hat.

Wie bewerten Sie das Engagement der belletristischen Verlage auf diesem Gebiet?

Es sind Anfänge und ich bin gespannt, ob sie das wirklich durchhalten. Buchverlage spielen meist in einer anderen Liga als Comic-Verlage und Graphic Novels bleiben vorerst eine Nische. Deshalb sind die zu verkaufenden Auflagen für belletristische Verlage wohl oft eine Enttäuschung, während sich Comicverlage darüber durchaus freuen würden. Ich kenne größere Buchverlage, die die Lizenz für eine Serie nach dem ersten Band wegen für sie enttäuschender Verkaufszahlen an reine Comic-Verlage abgegeben haben. Die haben sofort zugeschlagen.

Die Fragen stellte Christina Reinke

Comic & Manga ist ein Schwerpunktthema im aktuellen buchreport.magazin 11/11 (zum Inhalt).

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