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Franz-Josef Hasebrink: »Höchste Zeit, die Strategien zu überarbeiten«

Angesichts der fortbestehenden Schließung im Einzelhandel mehrt sich dort der Unmut über eine gefühlte Ungleichbehandlung. Große SB-Warenhäuser dürfen Bücher verkaufen, Drogerien können mit Hygienekonzepten öffnen – warum dann nicht der ebenso aufgestellte Fachhandel?

Franz-Josef Hasebrink, Vorsitzender der Einzelhandels-Verbundgruppe EK/servicegroup, meldet sich nun mit einem Offenen Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier zu Wort und fordert eine Gleichbehandlung, sprich: Öffnungsperspektive, für den Fachhandel. Der sei sich der Verantwortung durchaus bewusst, müsse aber mit seinen Maßnahmen nicht hinter zentral gesteuerten Filialisten anstehen.

Der Offene Brief hier im Wortlaut:

Franz-Josef Hasebrink, Vorstandsvorsitzender der EK/servicegroup. (Foto: EK/servicegroup)

Sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier,  

die Politik hat entschieden, den Lockdown zu verlängern und damit auch den nicht systemrelevanten Einzelhandel geschlossen zu halten. Über den Begriff der Systemrelevanz lässt sich in diesem Zusammenhang sicher trefflich streiten. Im Umgang mit der Pandemie kommt es allerdings weniger auf Definitionen an als auf die unumgängliche Reduzierung direkter Kontakte. Wir sind uns einig, dass die Sicherheit und Gesundheit der Bürger an erster Stelle stehen. Im Rahmen dieser Einschränkungen allerdings muss ein verantwortungsbewusster Umgang möglich bleiben. Der inhabergeführte Einzelhandel ist sich dieser Verantwortung im hohen Maße bewusst. 

Der Lockdown wurde nun also voraussichtlich bis zum 7. März 2021 verlängert. Selbstverständlich sind wir enttäuscht von Beschlüssen, die nicht auf einer differenzierten Bewertung der tatsächlichen Gefahrenherde basieren, sondern vorrangig bestehende Maßnahmen verlängern. Dieses Vorgehen drängt den stationären Fachhandel aus dem Wettbewerb. Die Konsequenz sind vernichtete Existenzen, der Niedergang von Geschäften, die teilweise über Generationen aufgebaut wurden und Innenstädte, die von Filialisten überrollt werden und jeden Charme verlieren. Niemand kann das wollen.  

Waren Sie in den letzten Wochen einmal im Großflächen-Supermarkt, beim Discounter um die Ecke oder in einem Drogeriemarkt einkaufen? Da werden Elektrogeräte für den Haushalt und den Heimwerker angeboten, da gehen Socken und T-Shirts über die Laufbänder, da werden Haushalt-, Schreib- und Spielwaren verkauft. Da stehen Menschen ohne Beratung und Begrenzung vor den Warenträgern und drängeln sich auf hochfrequentierten Flächen um ultimative Wochen-Angebote wie Bettwäsche, Bratpfannen oder Parfüm.  

Haben zentral gesteuerte Filialisten bessere Hygienekonzepte als inhabergeführte Spezialisten mit in der Regel geringerer Kundenfrequenz? Sind sie mittelständischen Elektrofachgeschäften, Haushalt-, Mode- und Spielwarenhändlern in Sachen Corona-Krisenmanagement voraus? Ganz sicher nicht! 

Bereits vor dem ersten Lockdown hat der inhabergeführte Einzelhandel mit Unterstützung von Verbundgruppen wie der EK/servicegroup (4.000 genossenschaftliche Mitglieder mit rund 6.000 Einzelhandelsgeschäften, in denen rund 100.000 Beschäftigte tätig sind) Sicherheitskonzepte erarbeitet, die passgenau auf die Verhältnisse im Geschäft abgestimmt sind. Einzelhändler sind Unternehmer, die die Gesundheit ihrer Kunden und Teams in den Mittelpunkt stellen. Einlassordnungen und Hygieneregeln werden konsequent durchgesetzt, Laufwege und Abstandsgebote akribisch ausgewiesen und nachgehalten. Hier drängelt niemand, der Fachhandel „kann Krise“. 

Warum also bleiben Discounter und Drogerien geöffnet, der inhabergeführte Fachhandel jedoch nicht?  

Deshalb ist es jetzt höchste Zeit, die Strategien zu überarbeiten. Mit einer Politik des „Weiter so“ und der nicht ausreichenden Unterstützung sind wir nicht einverstanden. Wir fordern ein klareres und differenzierteres Öffnungsszenario sowie weitere und gerechte Ausgleichszahlungen für den Fachhandel.  

Hier geht es nicht um entgangene Gewinne, die offengebliebene Geschäfte reinvestieren können, sondern ausschließlich um den notwendigen und gerechten Ausgleich von Verlusten zur nackten Existenzsicherung der Unternehmen, die unverschuldet in diese Situation geraten sind. 

Wir sind uns darüber im Klaren, welcher Aufwand hinter der Bearbeitung dieser zahlreichen Ausgleichsanträge steht. Gleichzeitig sehen wir, dass jeder Tag ohne Einnahmen den Einzelhandel immer weiter an den Abgrund drängt. Der schnelle Transfer der Ausgleichszahlungen ist deshalb von existenzieller Bedeutung. 

Mit der Überbrückungshilfe III haben Sie dafür ein Instrument entwickelt, das wahrscheinlich für einen Großteil dieser Einzelhändler geeignet ist. Die ersten unserer rund 4.000 Handelspartner berichten hier von einer sehr komplexen und aufwändigen Antragsstellung, die kaum ohne die kostenpflichtige Unterstützung von Steuerberatern möglich ist. Wir wünschen uns im Interesse unserer Mitglieder, dass dies deutlich unbürokratischer abläuft.

Wir hören aber auch von einer sehr zügigen Bearbeitung und Bewilligung in den zuständigen Behörden. Dafür sind wir dankbar.  

Anmerken müssen wir auch, dass die Überbrückungshilfe III zum Beispiel nicht bei Mischbetrieben aus Handel und Handwerk greift. Auch davon zählt eine ganze Reihe zu unseren Mitgliedern. 

Wir wissen, dass Ihnen der Einzelhandel in all seinem Facettenreichtum am Herzen liegt. Lassen Sie die Unternehmerinnen und Unternehmer deshalb umgehend wieder das tun, was sie am besten können: verantwortungsvoll handeln! 

Mit freundlichen Grüßen 

Franz-Josef Hasebrink 

Vorstandsvorsitzender EK/servicegroup 

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