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Der langsame Tod des Autors

Der Chef des US-Autorenverbands Scott Turow macht sich Sorgen um seine Gilde. Das Urheberrecht werde aktuell „rasant entwertet“. 
In seinem Kommentar in der „New York Times“ verweist Turow auf mehrere Aspekte, Trends und aktuelle Ereignisse, die bei Autoren für Verstimmung sorgten:
First Sale: Die Entscheidung des US-Supreme Court zum Import und Weiterverkauf von ausländischen Ausgaben amerikanischer Bücher (buchreport.de berichtete) werde eine Welle billiger Importe auslösen – ohne dass die Autoren daran verdienten.
Dies sei ein Beispiel dafür, dass die „Erlösströme“ der Autoren  auf dem „globalen elektronischen Marktplatz“ verringert würden. „Es scheint so zu sein, als ob jeder Akteur – Verleger, Suchmaschinen, Bibliotheken, Piraten und selbst Wissenschaftler – um eine gute Position wetteifern, auf Kosten der Autoren“, schimpft Turow.
E-Books: Trotz der niedrigeren Herstellungskosten verzichteten die sechs großen US-Publikumsverlage darauf, großzügiger ihre Einsparungen mit den Autoren zu teilen; alle beharrten darauf, die Autoren-Tantiemen bei 25% der Nettoerlöse zu deckeln. Bestseller-Autoren hätten zwar die Marktmacht, höhere Anteile durch die Vorschüsse herauszuhandeln, dies gelte jedoch nicht für Autoren, die weniger Bücher verkauften.
Piraterie: Dass Autoren bei vielen E-Books nichts verdienten, liege auch an der Piraterie; deren Gefahr könnte beschränkt werden, würden die Suchmaschinen nicht zu den entsprechenden Angeboten verlinken. Turows Suche nach „Scott Turow free e-books“ habe jedoch bei Yahoo zehn Piraten-Seiten unter den Top-10-Such-Ergebnissen ergeben (Bing: 8 von 8; Google: 6 von 10).
Bibliotheken: Das traditionell gute Verhältnis von Autoren und Bibliotheken werde dadurch belastet, dass öffentliche Bibliotheken E-Books an jeden Nutzer mit Bibliotheksausweis verleihen wollten – der einzige Anreiz, E-Books noch zu kaufen, bestehe darin, dass die geliehene Kopie nach ein paar Wochen verschwinde.  
Verkauf gebrauchter E-Books: Ein Alptraum wäre für Turow, falls Amazon einen Marktplatz für den Handel mit gebrauchten E-Books aufbauen dürfte. Da digitale Bücher keine Abnutzungserscheinungen zeigten, gäbe es keinerlei Anreiz mehr, neue E-Books zu kaufen – und die Autoren wären neben den Verlegern die Leidtragenden, da sie am Secondhand-Handel nicht beteiligt wären.
Turow vergleicht die Situation seiner Gilde mit dem Schicksal russischer Autoren. Wegen der Piraterie, die nicht verfolgt werde, könnten nur wenige Autoren vom Schreiben leben; es seien außerdem nur wenige Verlage übrig geblieben. Im Land von Tolstoi und Tschechow könne kaum ein Russe einen zeitgenössischen Autor benennen, der die öffentliche Debatte präge. Turows Fazit: „Eine Repression im Sowjet-Stil ist nicht notwendig, um den Output der Autoren zu reduzieren. Man muss nur ihr Urheberrecht entwerten.“

Turows Einlassungen haben für viel Resonanz gesorgt. Applaus kam von den Bestseller-Autoren Jodi Picoult und Michael Connelly. Kritik u.a. von Jeff John Roberts vom Mediendienst paidcontent.org, der Turow eine schlampige Argumentation vorwirft, außerdem vergrätze Turow mögliche Verbündete.

Hugh Howey, der als Selfpublisher via Amazon einen Megabestseller („Wool“) landete, stößt sich bei Mediabistro besonders an Turows Anti-Amazon-Haltung. Amazon habe härter als alle anderen dafür gekämpft, dass Autoren mehr Geld erhielten und Leser weniger bezahlen müssten.

Beim Technologie-Blog Techdirt wirft Mike Masnick Turow vor, sich als Technologie-Feind zu gerieren. Sein Kommentar sei unter „Alter Mann brüllt die Wolken an“ („Old man yells at cloud“, offenbar eine Anspielung auf eine Simpsons-Folge) abzuheften.

Kommentare

3 Kommentare zu "Der langsame Tod des Autors"

  1. der titel des artikels ist ein witz. klar haben autoren gewisse dinge zu beklagen, wie es der autor dieses artikels schreibt. aber autoren müssen sich auch unserem digitalen zeitalter anpassen wie viele andere berufe auch. aber wer sich sträubt und lieber stehen bleibt anstatt mit der zeit zu gehen, der geht halt unter.
    bei amazon kann man heutzutage kinderleicht sein eigenes ebook publizieren und kriegt ein millionenpublikum – für genau null Euro. amazon verlangt keine gebühren dafür und das ebook selbst kostet auch nichts, da material und druck wegfallen. nur den inhalt zu schreiben kostet wie immer zeit. aber bei amazon kriegt der autor 70% des verkaufspreises gutgeschrieben. für autoren eine gute sache und bevor es das internet gab undenkbar.
    ausserdem war noch nie so viel guter content (text) gefragt wie in unserer zeit. wegen dem web und weil information bares geld wert ist. jede professionelle website braucht professionell geschriebene inhalte und die muss irgendeiner schreiben. also: autoren, die nicht gerade bestseller autoren sind sollten sich mal ans webtexten ranmachen. da gibt es mehr als genug zu tun. oder ihre ebooks auf amazon publizieren.

  2. Die Suche spielt tatsächlich eine so große Rolle nicht mehr. Was von den Anti-Piraterie-Dienstleister gern verschwiegen wird, ist die Rolle des privaten Tauschs. Ein neuer Link ist meistens nur ein Aufwärmer und kann ruhig nach 1 Tag offline gehen. Die eigentlich Verbreitung geschieht von Stick zu Stick. Da kann der Dienstleister noch so dienstleisten. Er wird wenig ausrichten können.

    Das Problem von Scott Turow scheint mir aber allgemeiner Natur. Er sieht in seinen Lesern nur die Käufer. Die Leute aber lesen halt gern: Sie tauschen Bücher, sie kaufen gebrauchte Titel, sie besuchen Bibliotheken und so was. All so Sachen, die dem Autor nicht direkt Geld bringen … Da kann man schon mal die Wut kriegen!

  3. „Piraterie: Dass Autoren bei vielen E-Books nichts verdienten,
    liege auch an der Piraterie; deren Gefahr könnte beschränkt werden,
    würden die Suchmaschinen nicht zu den entsprechenden Angeboten
    verlinken.“ – Sagt Turow. Tatsache ist aber, dass nachweislich kaum jemand über Suchmaschinen gehen muss, weil die einschlägigen Ebook-Piraterieseiten bekannt und hochpopulär sind; da gehen die Leute direkt hin; Link-Sperrungen auf Suchmaschinen sind vergleichweise irrelevant.

    Grundsätzlich ist es kein Problem, einen Link bei Google entfernen zu lassen; muss man die nur anschreiben; machen die auch flott. Strategisch ist das aber in den meisten Fällen keine gute Idee. Klüger handelt, wer sich anschaut, auf welchen Piratenseiten seine Bücher vertreten sind, die entsprechenden Links ermittelt und sie dann bei den entsprechenden Filehostern herunternehmen lässt (Notice-and-Takedown-Verfahren).

    Warum? Wie gesagt, die Leute gehen meistens direkt, ohne Suchmaschinen, auf die Piratenseiten. Sind die Links dort tot, gibt’s dort nichts zu holen. Immerhin steht dann noch mein Klappentext o. ä. auf der Piratenseite und macht kostenlose Werbung für mich. Man muss natürlich gelegentlich mal nachschauen, ob ein Re-Upload erfolgt ist, und dann den entsprechenden neuen Link wieder bei den Filehostern runternehmen lassen. In den Suchmaschinen tauchen weiterhin die Links auf die Piratenseiten auf, aber die sind dann eben auch kostenlose Werbung, weil der potentielle Buchmopser auf den entsprechenden Piratenseiten nur den Klappentext, aber keine aktiven Download-Links mehr findet.

    Lasse ich hingegen die Links auf die (relevanten) Piratenseiten bei den Suchmaschinen sperren, hat das nur den Effekt, dass exotischere und/oder spezialisiertere Seiten in den Suchergebnissen besser gelistet werden und nach oben rutschen. Für die wenigen, die über Suchmaschinen nach Ebooks suchen, werden die Ergebnisse damit aber relevanter, weil sie dann auf Blogs führen, wo die Links womöglich noch nicht gesperrt sind.

    Das zumindest mal die Faustregel. Bei Links auf Piratenseiten, bei denen sich die Links nicht durch Notice-and-Takedown-Verfahren herunternehmen lassen – und das werden zur Zeit täglich mehr -, kann es sinnvoll sein, die Links bei Google sperren zu lassen.

    So oder so kommt man nicht darum herum, sich mit den Dingen eingehend zu beschäftigen und sich die Piratenseiten genau anzuschauen, um zu verstehen, wie sie jeweils funktionieren, und dann die adäquaten Maßnahmen zu treffen. Wenn Ihnen hingegen jemand erzählt, das Delisting in den Suchmaschinen sei das eine Mittel der Wahl, sollten Sie spätestens jetzt gewarnt sein.

    Ich schreibe das auch, weil ich immer wieder feststellen muss, wie erschreckend naiv die meisten (zumal auch die deutschen) Verlage in Sachen Piraterie immer noch sind, obwohl das Problem ja nicht erst seit gestern besteht und durchaus umsatzrelevant ist. Und als wäre Piraterie als Problem nicht schon schlimm genug, gibt es offensichtlich nicht wenig Fälle massiver Fehlberatung durch Abmahnanwälte und unseriöse/inkompetente Anti-Piraterie-Dienstleister.

    Klar, es ist sehr einfach, Links bei Google entfernen zu lassen und dann zu glauben, man hätte sein Piraterieproblem gelöst. Leider geht diese Strategie aber völlig an den tatsächlichen Mechanismen des Internets vorbei. Da werden die Verlage noch viel Lehrgeld zahlen.

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