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Der glücklichste Ort der Welt

Man hört es. Die leisen Töne der Musik zwischen den Zeilen. Elke Heidenreich (Foto) liebt Musik, besonders die Oper. Und Bücher. Ihre Talente sind vielseitig: Schriftstellerin, Literaturkritikerin, Kaberettistin, Moderatorin, Journalistin, Opern-Librettistin und Herausgeberin der musikalisch geprägten Edition Elke Heidenreich – weshalb sie auch mehr Schreibtische braucht als andere.   

Im Rahmen der Schreibtisch-Serie gewährt sie Einblick in Ihre Arbeit:

„Ich habe drei Schreibtische in zwei verschiedenen Räumen. Der mir liebste ist ein kleiner alter Jugendstilsekretär in meinem Wohnzimmer, an dem mache ich alle Post, die von Hand geschrieben wird – da liegen kleine Dinge, die mir kostbar sind, Geschenke, Erinnerungen, da ist mein Briefpapier, da sind Briefmarken, meine alten Füller, Tinte, und jeden Abend sitze ich ein, zwei Stunden hier bei schönem Licht und beantworte Post von Freunden, Familie, Lesern, Zuschauern mit der Hand.

Manchmal nur kurze Grüße, ein Dank, manchmal lange Erzählbriefe. Dazu höre ich immer klassische Musik, Radio und Stereoanlage sind direkt nebenan und der kleine Mops, der neu im Haushalt ist, schnarcht zu meinen Füßen. Ein Glas Wein ist eigentlich auch immer dabei.

Oben in meinem Haus, unterm Dach, ist das größte Zimmer, mein Arbeitszimmer. Ich schaue vom Schreibtisch direkt in die Krone einer riesigen Buche, in der Vögel und Eichhörnchen herumtoben – für mich ist das der glücklichste Ort der Welt, trotz aller Arbeit, nein: Wegen ihr. Es ist schön, hier oben zu arbeiten. Hier darf außer mir und meiner Mitarbeiterin Leonie von Kleist möglichst keiner rein.

Es gibt zwei Schreibtische: Der eine ist ein alter Esstisch, groß und aus wunderschönem Kirschholz, daneben auf einem kleinen, tieferen Tischchen steht mein Computer. Hier werden alle laufenden Arbeiten erledigt, hier wird geschrieben, hier werden die Mails beantwortet, auch das eigene Schreiben, das Erzählen findet hier statt. Auf dem Tisch ein Foto von Giuseppe Verdi, mein alter Pelikan-Füller in Originalhalterung, auf dem Fensterbrett kleine Büsten von Dylan Thomas, Verdi, Schiller, Marc-Aurel. An der Lampe turnt ein Porzellanmädchen aus Erfurt, nach der Wende dort gekauft. An mindestens einem Tag in der Woche ist meine Leonie da und hilft mir mit allem, womit ich nicht zurechtkomme – Computerprobleme, Terminwirrwarr, Ordnung halten.

Der andere Schreibtisch, ein Bauerntisch mit zwei Schubladen für Krimskrams, ist der größte und eigentlich eher eine Ablage. Da gibt es keinen Stuhl. Er steht direkt am Fenster und  trägt alles, was ich für meine Edition von Musikbüchern brauche, die ich im Bertelsmann Verlag herausgebe. Schon Gemachtes, Abgelehntes, Geplantes, Gutachten, Übersetzungsproben, Andrucke von Titelbildern, Notizen zu den Autoren, Korrespondenz, das alles liegt hier, auch die bisher sechs Kataloge und die wunderschönen 20 Bücher, die ich bis jetzt herausgegeben habe, stehen dort. Wenn dieser Artikel erscheint, werden es schon 24 sein, und ich liebe jedes davon. An diesem Schreibtisch stehe ich nur, schaue, ordne, nehme das, was ich für die Arbeit brauche, mit an den anderen Schreibtisch, ein paar Meter nebenan.  

Hier oben ist es immer still, keine Musik, nur das Rauschen der Buche, aber ein Glas Wein, ab und zu: Ja, auch hier. Einmal ist bei mir eingebrochen und viel Schönes gestohlen worden. Aber man hat mein Arbeitszimmer nicht verwüstet – bis heute bin ich dafür dankbar, denn ich bin so sehr mit diesem Ort verwachsen.“

Elke Heidenreich
setzte im Mai 2003 mit ihrer Sendung „Lesen!“ ein Zeichen. Was immer sie den Zuschauern auch empfahl, es fand seinen Platz auf der Bestsellerliste. 2008 wurde die Sendung wegen kritischer Äußerungen der Moderatorin zum Programm des ZDFs abgesetzt. Bis heute versucht der Sender eine ebenbürtige Sendung zu installieren – ohne Erfolg.

Weitere Artikel aus der Reihe „Wo die Bestseller entstehen“:

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